Die COVID-19-Pandemie hat innerhalb kürzester Zeit enorme Verwerfungen in der Weltwirtschaft verursacht.
21.09.2020 | 09:17 Uhr
Die Welle der politischen Unterstützung, die als Reaktion darauf ausgelöst wurde, hat die Konjunktur stabilisiert, aber sie hat auch einen bereits beträchtlichen Schuldenüberhang weiter aufgebläht. Die Regierungen stehen nun vor der schwierigen Entscheidung, wie sie dem begegnen wollen.
Die Verschuldung des öffentlichen Sektors in den entwickelten Volkswirtschaften war bereits vor der Pandemie auf Rekordniveau (Abbildung). Die massiven Finanzausgaben, die wir bisher gesehen haben (weiter dürften folgen), könnten sie in vielen Ländern um bis zu 20 % oder mehr des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigern.
Einige argumentieren, dass die wachsende Staatsverschuldung einfach ein natürliches Nebenprodukt der langfristigen Stagnation sei. Wenn der Privatsektor nicht genug ausgibt (eine Situation, die COVID-9 wahrscheinlich noch verschlimmern wird), muss der Staat einspringen, um eine Depression zu vermeiden. Andere, darunter auch wir, sind der Meinung, dass dem schuldengetriebenen Wirtschaftsmodell der letzten Jahrzehnte die Luft ausgegangen ist und die Welt in einer Schuldenfalle steckt.
Die Entscheidungsschlacht: Präzedenzfälle unter der Lupe
Wenn aber extreme Staatsverschuldung kein erstrebenswertes Ergebnis ist - und die Geschichte liefert hierfür jede Menge warnende Beispiele - was können Regierungen dagegen tun?
Um uns bei der Einschätzung der verschiedenen Wege zu helfen, die die entwickelten Volkswirtschaften beschreiten könnten, können wir vier historische Schablonen anlegen: die Erfahrungen Großbritanniens nach den Napoleonischen Kriegen, die Weimarer Republik, den Weg, den die USA, Großbritannien und andere entwickelte Märkte nach dem Zweiten Weltkrieg eingeschlagen haben, und Japan nach 1990.
Es gibt im Moment nur sehr wenig Appetit auf eine lange Periode der fiskalischen Anpassung, so dass man die Gürtelstraffung, die im Großbritannien des 19. Jahrhunderts zur Reduzierung der Schulden verwendet wurde, mit Sicherheit ausschließen kann. Der Weg, den Deutschland in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg eingeschlagen hat, führte zu einer Periode bösartiger Hyperinflation - eine deutliche Warnung vor den Risiken, die entstehen können, wenn ein Land seine Schulden monetarisiert, indem es die Zentralbank die Staatsausgaben finanzieren lässt. Dieses Szenario könnte wieder auftauchen, wenn eine extreme Version der modernen Geldtheorie ausgerollt und missbraucht würde, aber wir bezweifeln, dass irgendein Land in naher Zukunft diesem Weg folgen wird.
In der Endauswahl: Nachkriegseuropa oder Japan seit den 1990ern?
Damit bleiben uns zwei Wege zum Schuldenabbau. Der eine ist die Formel von starkem Wirtschaftswachstum, Inflation und finanzieller Repression (extrem niedrige Zinsen) nach dem Zweiten Weltkrieg.
Da starkes Wachstum heute nicht auf der Tagesordnung steht, läuft der Weg in Wirklichkeit auf eine Mischung aus finanzieller Repression und höherer Inflation hinaus. Der zweite Weg führt zu den Erfahrungen Japans nach 1990: schwaches Wachstum, ungünstige demografische Entwicklung, steigende Schulden, ultraniedrige Zinsen und schließlich: Deflation.
Der Versuch, abzuschätzen, welchem Weg die Welt folgen wird, ist wahrscheinlich die größte Kontroverse, mit der die Finanzmärkte heute konfrontiert sind. Wir bevorzugen eine Version der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und eine höhere Inflation gegenüber der Vorlage aus Japan nach 1990 und der Deflation. Japan ist nicht nur ein Ausreißer in der Wirtschaftsgeschichte, sondern der zunehmende Populismus und die Entglobalisierung weisen ebenfalls in Richtung des ersten Wegs.
Das fehlende Puzzlestück
Darüber hinaus sehen wir allmählich konkrete Anzeichen für den Regimewechsel, der notwendig ist, um eine höhere Inflation zu untermauern - die jüngste Verschiebung der Fed hin zu einem durchschnittlichen Inflationsziel ist ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung.
Aber so weit sind wir noch nicht. Das letzte Stück des Puzzles ist eine glaubwürdige Verpflichtung, die Inflationserwartungen nach oben zu treiben. Dazu könnte die Aufgabe des Inflationszielsystems gehören, das, unterstützt durch Demographie und Globalisierung, die Ära der niedrigen Inflation der letzten drei oder vier Jahrzehnte untermauert hat.
Darren Williams ist Director of Global Economic Research bei AllianceBernstein (AB).
Guy Bruten is Chief Economist Asia-Pacific ex China bei AB.
In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.
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