Schreitet der Konjunkturzyklus voran, mehren sich bei Investoren die Sorgen vor einer Rezession. Den genauen Zeitpunkt eines Abschwungs zu erkennen, ist jedoch schwer. Grund genug für Darrel Spence und Jared Franz, beides Volkswirte bei Capital Group, sich genau mit dieser Frage zu beschäftigen.
21.05.2019 | 11:35 Uhr
„Rezessionen sind ein natürlicher und unvermeidlicher Teil jedes Konjunkturzyklus. Sie dauern aber zumeist nicht sonderlich lange“ so Spence. Durchschnittlich seien es elf Monate – im Vergleich zu 67 Monaten Expansion. In den letzten 65 Jahren waren dadurch insgesamt nur 15 Prozent aller Monate durch eine Rezession geprägt. Und während das BIP in einer Expansionsphase um durchschnittlich 24 Prozent steigt, sinkt es in einer Rezession lediglich um zwei Prozent.
Ein Indikator, der auf eine drohende Rezession hindeuten kann, ist laut Spence die Zinsstrukturkurve: „Ist diese invers, also sind die kurzfristigen Renditen höher als die langfristigen, kann dies ein Warnsignal sein.“ Betrachtet werden dabei zumeist die Zweijahresrenditen in Relation zu den Fünf- oder Zehnjahresrenditen. In den vergangenen 50 Jahren ging jeder Rezession in den Vereinigten Staaten eine solche inverse Struktur voraus. „Aktuell ist die Zinsstrukturkurve in Relation zur Zehnjahresrendite allerdings noch nicht invers. Ändert sich dies, dauert es in der Regel noch 18 Monate bis zum Abschwung“, ergänzt Spence.
Durchschnittlich sechs Monate nach dem zyklischen Tief der Arbeitslosigkeit, droht die Rezession. „Der amerikanische Arbeitsmarkt hat aktuell das, was Volkswirte ‚Vollbeschäftigung‘ nennen, bereits überschritten. Eine weitere Verringerung der Arbeitslosenzahlen erscheint daher kaum noch möglich. Die Beschäftigung ist für das Wirtschaftswachstum jedoch so wichtig, dass selbst ein leichter Anstieg der Arbeitslosenquote ein starker Hinweis auf eine Konjunkturwende sein könnte“, meint Franz.
Ein weiteres, viertes Signal für wirtschaftliche Abschwünge ist eine sinkende Anzahl von Baubeginnen. Zum einen mehren Hausbesitzer ihr Vermögen und steigern durch Grundsteuern das Steueraufkommen. Vor allem handelt es sich aber um langfristige Projekte. Potenzielle Bauherren zögern daher mit neuen Projekten, wenn sie einen konjunkturellen Einbruch vermuten.
„Den meisten Rezessionen ging ein 10-prozentiger Einbruch der Baubeginne voraus. Deren Anzahl war im November 2018 in den Vereinigten Staaten genauso hoch wie ein Jahr zuvor. Zuletzt sanken die neuen Bauvorhaben jedoch, auch wenn der Einfluss der entspannteren amerikanischen Zinspolitik noch abzuwarten bleibt“, bewertet Spence.
„Sind ein oder zwei Werte negativ, hat dies noch recht wenig Aussagekraft. Zeigen viele jedoch für eine lange Zeit Rot, verdichten sich die Hinweise auf eine Rezession“, sagt Spence. „Aus unserer Sicht ist es aber noch nicht so weit.“ Was im Endeffekt ausschlaggebend für den Abschwung gewesen sein wird, wird man erst im Nachhinein wissen. Entwickelt sich die Wirtschaft weiter wie aktuell, rechnen die Experten aber frühestens im Jahr 2020 mit einer Rezession.
„Wichtig sei vor allem, auch in stürmischeren Zeiten ruhig zu bleiben, langfristig zu denken und auf ein ausgewogenes und diversifiziertes Portfolio zu setzen. Volatilitäten könnten mit Anleihen ausgeglichen werden. Empfehlenswert seien auch Fonds, die bereits in der Vergangenheit erfolgreich wirtschaftliche Rückgänge abgefedert haben“, empfiehlt Spence.
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