Capital Group: Neubeginn oder Erholung - Kurz- und langfristige Effekte der Corona-Pandemie für Investoren

Capital Group: Neubeginn oder Erholung - Kurz- und langfristige Effekte der Corona-Pandemie für Investoren
Marktkommentar

Die Corona-Pandemie hat das Verhalten der Menschen massiv beeinflusst und global für hohe Staatsschulden gesorgt. So ist die Schuldenstandsquote – also der Quotient aus Staatsschulden und BIP – in vielen Ländern so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

11.02.2021 | 07:07 Uhr

Robert Lind, Volkswirt bei Capital Group, analysiert die makroökonomischen Herausforderungen der Pandemie, wie unterschiedliche Länder mit der hohen Überschuldungsquote umgehen und ob sich Investitionen in Schwellenländer lohnen:

„Die Unsicherheit rund um Impfstoffe wird in der nahen Zukunft bestehen bleiben. Sobald diese überwunden ist, erwarten wir einen Aufschwung in den USA und Europa, ähnlich wie wir es bereits in Teilen Asiens gesehen haben. Auch gehen wir davon aus, dass es ein außerordentlich hohes Wachstum geben wird, sobald die Wirtschaft wieder vollständig geöffnet ist.“

„Kurzfristig dürfte die Inflation wahrscheinlich steigen. Dies macht sich bereits heute in höheren Rohstoffpreisen bemerkbar. Eine der wichtigsten mittelfristigen Fragen im Zusammenhang mit der Pandemie ist, wie lange die Verhaltensänderungen der Menschen anhalten werden: Werden sie beispielsweise wieder Restaurants besuchen und ins Ausland reisen wie vor der Pandemie? Oder werden sie ihr Verhalten längerfristig anpassen?“

„Auf der ganzen Welt gab es deutliche politische Maßnahmen gegen die Pandemie und ihre Folgen – beispielsweise in China, Europa und den USA. In Teilen ähnliche Maßnahmen hatte es auch nach der Finanzkrise gegeben. Wie damals auch, müssen diese irgendwann allerdings wieder eingedämmt werden. Mit der steigenden Inflation wird der Druck auf die Zinssätze zunehmen, sodass diese kurzfristig ansteigen könnten. Hier stellt sich die Frage, auf welchem Niveau sich die Zinssätze mittel- bis langfristig einpendeln werden. Die Zentralbanken und deren Reaktion auf die sich ändernden Fundamentaldaten werden dabei der ausschlaggebende Faktor sein.“

„Wenn sich der private Sektor weiterhin wie in den letzten zehn bis zwanzig Jahren zurückhaltend verhält, dürften die Zinsen nicht stark steigen. Folglich würde es für die Regierungen einfach sein, die Defizite und Schuldenniveaus für eine beträchtliche Zeit zu finanzieren. Herausfordernd wird die Situation, sollten die Zinssätze unter Druck geraten – etwa, weil die Inflation steigt oder die Risikobereitschaft des privaten Sektors zunimmt.

Unter diesen Umständen müssten die Regierungen überlegen, ob sie den Weg der finanziellen Repression einschlagen. Wir gehen jedoch davon aus, dass eventuelle Anstiege der Zinssätze und der Inflation relativ moderat ausfallen dürften im Vergleich zu historischen Entwicklungen, die wir in den 70er und 80er Jahren gesehen haben. Folglich dürften die Defizite und Schuldenniveaus nachhaltig sein – zumindest über einen Zeithorizont von drei bis fünf Jahren."

„Die Top-Down-Fundamentaldaten für Schwellenländer sind derzeit attraktiv – insbesondere angesichts der erwarteten Dollarschwäche. Ebenso haben sich unserer Beobachtung nach, die umfangreichen fiskalpolitischen Maßnahmen Chinas im Jahr 2020 positiv ausgewirkt. Denn diese haben die Rohstoffpreise getrieben, was tendenziell gut für Schwellenländer ist. Trotzdem sollten Investoren zwischen den einzelnen Ländern differenzieren. Es ist wichtig, die so genannten Emerging Markets nicht als eine große, homogene Anlageklasse zu betrachten. Einige der Länder haben mehr mit der Pandemie zu kämpfen als andere.

Und es gibt manche, die die Virusausbreitung recht gut in den Griff bekommen haben – vor allem in Asien. Diese profitieren von der Wende im Produktionszyklus. Ebenso muss bedacht werden, dass sich die Top-Down-Faktoren auf lange Sicht ändern könnten. Zum Beispiel könnten die Veränderungen in der US-Politik, insbesondere wenn wir einen großen fiskalischen Stimulus von der neuen Regierung sehen, den Dollarkurs wieder steigen lassen. Auch ist es möglich, dass die Geldpolitik in China in der zweiten Hälfte dieses Jahres straffer wird. Dies würde Druck von den Rohstoffpreisen nehmen.“

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