Steigen angesichts dessen die Ausfallraten? „Vorerst nicht“, sagtTom Southon, Head of High Yield Research, EMEA, bei Columbia Threadneedle Investments.
Langfristig sehe die Lage allerdings weniger rosig aus. Welche Faktoren
den Experten zu diesem Ausblick bewegen, lesen Sie im Marktkommentar:
- Kurzfristig bleiben die Ausfallraten wahrscheinlich niedrig, der unterschwellige Trend weist aber leicht aufwärts.
- Die
Wiedereröffnung des europäischen Primärmarkts wirkt sich positiv aus,
aber für überschuldete Emittenten zeichnen sich weiterhin schwierige
Refinanzierungsbedingungen ab.
- Angesichts der heranrollenden Fälligkeitswelle für Anleihen in den Jahren 2025/26 dürften die Ausfallquoten allerdings steigen.
Ausfall-Tsunami für Anleihen kommt erst 2025
Jahrelang war Geld billig und
Kreditausfälle kamen unnatürlich selten vor. Heute ist die Lage jedoch
ein andere: Inflation und Zinsen bleiben hoch, und auch das
Wirtschaftswachstum dürfte verhalten ausfallen. Steigen angesichts
dessen die Ausfallraten? Bisher waren die Zahlen wenig
besorgniserregend: Nach dem Höchststand von 6,9 Prozent infolge der
Covid-19-Pandemie lag die zwölfmonatige Ausfallrate europäischer
Hochzinsanleihen bis Dezember 2022 laut JP Morgan bei lediglich 0,4
Prozent. Doch der Ausblick ist weniger erfreulich. Moody‘s schätzt, dass
die langfristige durchschnittliche Gesamtausfallrate für
hochverzinsliche Anleihen in den nächsten zwölf Monaten auf 4,1 Prozent
steigt. Für einen 24-Monats-Zeitraum geht die Ratingagentur von 8,2
Prozent aus. Bei unserer eigenen Prognose für europäische
Hochzinsanleihen sind wir ein wenig optimistischer als Moody’s und gehen
unverändert von einer Ausfallrate von 1,4 Prozent in den nächsten zwölf
Monaten aus. Unsere langfristige Schätzung haben wir dagegen nach oben
korrigiert: Für den 24-Monats-Zeitraum rechnen wir damit, dass die
Ausfallraten auf 3,7 Prozent steigen.
Entwarnung nur kurzfristig
Für kurzfristige Entwarnung bei Kreditausfällen sprechen mehrere Faktoren:
- Abwendung des Zahlungsverzugs bei Adler: Nachdem
der Sanierungsplan des deutschen Immobilienkonzerns im letzten Monat
genehmigt wurde, ist das Ausfallrisiko erheblich gesunken. Andernfalls
hätte unsere 12-Monats-Prognose um 0,2 Prozentpunkte und die
24-Monats-Prognose um 0,3 Prozentpunkte höher gelegen.
- Sinkende Energiepreise in Europa:
In Europa ist die Sorge über steigende Energiepreise, die den Großteil
des zweiten Halbjahrs 2022 geherrscht hatte, abgeklungen. Damit sind
schlimmere Rezessions- und Inflationsszenarien offenbar vorläufig vom
Tisch.
- Bessere Finanzierungsbedingungen: Laut
dem ICE Bank of America HPS2-Index ist die durchschnittliche Rendite für
Emittenten europäischer Hochzinsanleihen zurückgegangen und liegt
derzeit bei 6,4 Prozent – ein Unterschied von 120 Basispunkten gegenüber
dem Höchststand von 7,6 Prozent, der im Oktober 2022 verzeichnet wurde.
Grund ist eine Verbesserung der fundamentalen Aussichten. Dies hat die
Wiedereröffnung des Primärmarkts in den letzten Wochen erleichtert und
einige Refinanzierungsgeschäfte für bestehende Fälligkeiten im Zeitraum
2024/25 ermöglicht.
- Alternative Finanzierungsquellen:
Gleichzeitig nahmen Finanzierungsquellen wie Forderungsfinanzierung und
Exportkredite zu. Damit gehen ein Ausbau der kurzfristigen
Liquiditätsversorgung und eine Verlängerung der Fälligkeiten für den
Finanzierungsbedarf in der nahen Zukunft einher.
Langfristig ist jedoch Vorsicht geraten. Denn: Ein großer Anteil von
Anleihen wird im Jahr 2025 fällig. Der europäische Primärmarkt wurde
erst kürzlich wiedereröffnet und eine beachtliche Fälligkeitswelle zur
Refinanzierung rollt nach wie vor heran. Dies hat uns dazu veranlasst,
unsere Ausfallprognose, insbesondere den 24-Monats-Wert, für eine Reihe
von Emittenten anzuheben.
Sichere Häfen und gefährdete Sektoren
Für Anleger stellt sich damit die Frage: Welche Sektoren werden von
den steigenden Ausfallraten besonders betroffen sein – und welche
dürften verschont bleiben?
- Technologie, Medien & Telekommunikation und Versorger
stellen immer noch einen sicheren Hafen dar. Ein Grund dafür sind die
von Natur aus stabilen bzw. nicht-zyklischen Geschäftsmodelle. Außerdem
gibt es einen günstigen Mischeffekt in Form von Hybridemittenten
und/oder Emittenten des Large-Cap-Segments mit stark verlängerten
Fälligkeitsstrukturen.
- Freizeit und Transportwesen
stufen wir weiterhin als risikoreich ein. Der unsichere Ausblick bei
den Konsumausgaben und etwas kurzfristiger ausgelegte bzw. überschuldete
Kapitalstrukturen bleiben ein Problem.
- Immobilienwirtschaft
ist durchwachsen und wird von verschiedenen Faktoren geprägt. Zwar
erwarten wir, dass die prognostizierte Ausfallrate zurückgeht, doch dies
ist ausschließlich durch die Adler Group bedingt, bei der diesen Monat
nach der Genehmigung des Sanierungsplans der Zahlungsverzug effektiv
vermieden wurde.
- Kfz-Gewerbe – hier gleichen
sich positive und negative Effekte weitestgehend aus. Einerseits lassen
Lieferkettenprobleme und Inflationssorgen nach, andererseits droht in
diesem Jahr ein Rückgang der Ausgaben für verzichtbare Konsumgüter. Die
Bilanzen sind im Allgemeinen jedoch sehr solide, vor allem bei größeren
Emittenten mit BB-Rating.
- Einzelhandel steht
unter Refinanzierungsdruck. Der Sektor verzeichnet einen erheblichen
Anstieg bei der erwarteten Ausfallquote. Verantwortlich hierfür sind
hauptsächlich zwei Emittenten: der Tankstellenbetreiber EG Group und die
französische Supermarktkette Casino. Ersterer ist überschuldet und
sieht ab Februar 2025 einer massiven Fälligkeitswelle entgegen, während
Letztere sich um einen Schuldenabbau bemüht und dabei große Mengen
Bargeld verbrennt. Zudem werden auch bei Casino 2024 und 2025 Anleihen
fällig, die nur dann zurückgezahlt werden können, wenn das Unternehmen
seinen bereits mehrfach verschobenen Veräußerungsplan umsetzt.
Diesen Beitrag teilen: