Donner & Reuschel: Mumm Briefing zum Wochenausklang

Marktkommentar

Der stagflationär wirkende Schock der Ukrainekrise sowie die globalen Lieferkettenprobleme durch die Corona-Restriktionen in China sorgen weiterhin für sinkende Wachstums- und gleichzeitig steigende Inflationsprognosen.

03.06.2022 | 14:04 Uhr

So reduzierte das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) kürzlich die Erwartung für das Wirtschaftswachstum in Deutschland im laufenden Jahr auf nur noch 1,7 Prozent, gefolgt von 2,5 Prozent im Jahr 2023. Der Anstieg der Verbraucherpreise wird für 2022 auf 6,7 Prozent im Jahresmittel taxiert. Damit bleibt aber die Grundannahme, dass trotz diverser Belastungsfaktoren eine Rezession vorerst vermieden werden kann.

Die erneute Wachstumsabschwächung ist in Deutschland vor allem auf wieder zunehmende Lieferengpässe für wichtige Vorprodukte zurückzuführen. Gemäß Umfragen des ifo-Instituts berichteten zuletzt 77 Prozent der befragten Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe von Lieferkettenproblemen. In für die deutsche Volkswirtschaft besonders wichtigen Segmenten wie dem Maschinenbau, der Elektro- und Automobilindustrie liegt der Wert sogar bei rund 90 Prozent. Trotzdem sind die Geschäftserwartungen der Automobilindustrie zuletzt erneut gestiegen. Einerseits werden steigende Kosten weiter auf die Endverbraucherpreise durchgereicht. Zudem sind die Unternehmen in der Lage, Engpässe durch den Umbau von Lieferketten zu kompensieren.

Im Einzelhandel berichten sogar 80 Prozent aller befragten Unternehmen von Lieferengpässen. Der positive Effekt der aufgehobenen Corona-Restriktionen wird durch massiv steigende Verbraucherpreise teilweise ausgebremst. Trotzdem ist davon auszugehen, dass der private Konsum angesichts krisenbedingt hoher Ersparnisse der letzten Jahre auf gesamtwirtschaftlicher Ebene konjunkturstützend wirken wird. Dazu trägt auch die Perspektive von im Jahresverlauf stärker steigenden Löhnen sowie die weitere Reduktion der Kurzarbeit in Deutschland – nach ifo-Schätzungen auf nur noch 277.000 im Mai – bei. Offensichtlich stellen sich die Unternehmen nicht auf eine lang anhaltende wirtschaftliche Schwächephase ein, sondern fokussieren sich schon jetzt auf den folgenden wirtschaftlichen Wiederaufschwung.

Da gleichzeitig die Preiserwartungen der Unternehmen zuletzt leicht gesunken sind, ist im Laufe des Sommers mit einem Überschreiten der Inflationsspitze in Deutschland und der Eurozone zu rechnen. Die EZB wird trotzdem vorerst einen restriktiveren geldpolitischen Kurs mit der Beendigung der Nettowertpapierkäufe im Juni und einer ersten Anhebung der Einlagenzinsen für Banken ab Juli ansteuern. In der Sitzung des EZB-Rates am 9. Juni wird mit besonderer Spannung auf die Anpassung der Wachstums- und Inflationsprojektionen der Notenbank für die kommenden Jahre geachtet werden, um Rückschlüsse auf die weitere geldpolitische Ausrichtung zu erhalten.

Aus europäischer Perspektive sollten Anleger auch die am 12. Und 19. Juli stattfindenden Parlamentswahlen in Frankreich im Blick behalten. Umfragen deuten derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Präsidentschaftspartei Macrons mit einem Linksbündnis an. Sollte Macron einen Mehrheit im Parlament verfehlen, wäre zwar eine deutlich geringere Reformdynamik vonseiten Frankreichs zu erwarten. Allerdings bestünde für die grundsätzlich proeuropäische Ausrichtung der französischen Politik keine Gefahr. Auch die US-Volkswirtschaft kühlte zuletzt leicht ab, befindet sich aber gemäß ISM-Einkaufsmanagerindizes weiterhin deutlich im expansiven Bereich. In den USA dürfte die Inflationsspitze bereits überschritten sein, so dass die US-Notenbank Fed nach zwei weiteren Zinsschritten um jeweils 50 Basispunkte bis September eine Pause einlegen könnte. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Abrutschens der US-Konjunktur in eine Rezession.

Sofern es kurzfristig nicht zu weiteren Eskalationen im Zuge des Ukrainekrieges und bspw. einem kompletten Gaslieferstopp Russlands nach Europa kommt, dürfte sich die Erholungstendenz der Aktienmärkte und des Euro aufgrund der im Vergleich zu den Vorwochen etwas optimistischeren Aussichten fortsetzen.

Diesen Beitrag teilen: