DPAM: 'Säkulare Stagnation' hinter sich zu lassen, erzeugt keine einfachen Marktbedingungen

Peter De Coensel, CIO Fixed Income bei DPAM
Marktkommentar

Säkulare Stagnation ist ein Begriff, dem ein langfristiger Aspekt innewohnt. Er bezieht sich auf einen Zustand geringen Wirtschaftswachstums, der durch erhöhtes Sparen und einen anhaltenden Mangel an Investitionen herbeigeführt wird.

08.07.2021 | 09:21 Uhr

Säkulare Stagnation setzt in dem Moment ein, in dem es der staatlichen Fiskalpolitik (Ausgaben & Investitionen) an Aggressivität fehlt. Hier sollte man weder auf die aggressiven fiskalischen Programme schauen, die derzeit zum Tragen kommen, noch auf die Wachstumsschätzungen für 2021, 2022 oder gar 2023, sondern auf die Ergebnisse für das nächste Jahrzehnt. Es ist klar, dass eine unkonventionelle Fiskal- und Geldpolitik erforderlich ist, um die Auswirkungen einer globalen Gesundheitskrise zu bekämpfen. Eine akkommodierende Geldpolitik ist erforderlich, um Produktionslücken zu schließen und zu verhindern, dass die disinflationären Kräfte der vergangenen zwei Jahrzehnte wieder Oberhand gewinnen. Die säkulare Stagnationsthese wird über Jahrzehnte, nicht über Jahre hinweg, beurteilt. Sie schränkt jedoch die Bandbreite möglicher Szenarien ein und verhindert eine Rückkehr zu langfristigen Renditeniveaus, wie sie vor der Großen Finanzkrise von 2008/2009 zu beobachten waren.

Der Schlüsselindikator für den Zustand der säkularen Stagnation ist das Vorhandensein und die Dauerhaftigkeit negativer langfristiger Realrenditen. Die realen Staatsrenditen in den Industrieländern zeigen eine säkulare Stagnation im 10-Jahres-Bereich mit etwa -1,60% in Deutschland, -0,90% in den USA, -1,50% in Schweden und -2,66% in Großbritannien. Das Niveau der langfristigen Kernrealrenditen von Industrienationen ist ein wichtiger Faktor in Bewertungsmodellen über alle Anlageklassen hinweg. Wie bereits früher erwähnt, könnten die Inflationserwartungen als Residualgröße betrachtet werden. In dem Moment, in dem die quantitative Lockerung auf breiter Front als wichtigstes geldpolitisches Instrument eingesetzt wurde (seit etwa 2015), beschleunigte sich die Entwicklung hin zu tief negativen langfristigen Realrenditen und hielt sich hartnäckig. Die einzige Ausnahme war bisher Japan. Die aggressiven Fiskalprogramme verbesserten die japanische Infrastruktur und den allgemeinen Wohlstand erheblich, führten aber letztlich dazu, dass die Inflationserwartungen sanken und die tatsächliche Inflation an der Nulllinie verharrte. Die japanische Verschuldung (Verhältnis von Schulden zu BIP bei über 225%) war und ist kein großes Problem, da der Großteil der japanischen Schulden im Inland gehalten wird. Die Einführung einer expliziten Steuerung der Renditekurve im September 2016 trieb die 10-jährigen Inflationserwartungen von den ohnehin schon schwachen 50 Basispunkten ganz auf null und erreichte im März 2020 einen Tiefststand von -0,35 %. Heute haben sich die japanischen 10-Jahres-Inflationserwartungen, ähnlich wie in den meisten entwickelten Märkten, um etwa 65 Basispunkte erholt, liegen aber bei enttäuschenden 30 Basispunkten. In einem Szenario, in dem die Bank of Japan erfolgreich versucht, die Inflation in Richtung 2% anzuheben, könnten sich die 10-jährigen japanischen Realrenditen dem Niveau annähern, das derzeit in Deutschland zu beobachten ist (-1,60 %). Worauf ich hinaus will: „Ja, Japan hat seine Infrastruktur durch intensive Investitionen verbessert. Dies hat jedoch nicht zu einer Verbesserung der Inflationsdaten geführt“. Ich frage mich also, wie sich Basiseffekte im zweiten und dritten Quartal sowie in 2022 auswirken werden... hoffen wir, dass wir in den USA immer noch bei um die 2% liegen. Ein überraschenderes Ergebnis könnte näher an 0% liegen.

In der aktuellen Phase der wirtschaftlichen Erholung ist die Nachfrage nach sicheren Anlagen ungebrochen. Ersparnisse fließen nach wie vor in börsengehandelte risikofreie Staatsanleihen und hochwertige Unternehmensanleihen, sei es Investment Grade oder High Yield. Der Anteil, der in ‚Private Debt‘ und Infrastrukturanleihen investiert wird, nimmt stetig zu. Die Regulierung wirkt und lenkt die Investments der Banken in Richtung 0 % risikogewichteter Staatsanleihen. Durch die Regulierung liegt die Fixed Income-Allokation von (Rück-)Versicherern hartnäckig bei über 90%. Staatsfonds stützen sich gegenseitig, indem sie erhebliche Vermögenswerte in staatliche und supranationale Schuldtitel in Landes- und Hartwährung investieren.

Die aktuelle Mischung aus geopolitischen, klimatischen und gesellschaftlichen Risiken verstärkt die Risikoaversion. Der Übergang vom Paradigma der säkularen Stagnation zu einem anlegerfreundlicheren und wachstumsorientierten langfristigen Konjunkturzyklus wird große Anstrengungen erfordern. Kritiker oder Zweifler der säkularen Stagnation bestreiten das Argument des übertriebenen Sparens und verweisen auf staatliche Regulierung und fiskalische Interventionen als Hauptursache für die säkulare Stagnation. Offenbar führen viele Wege zu einem ähnlichen Ergebnis.

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