Gut ein Jahr ist es her, dass die US-Notenbank Fed ihre Zinserhöhungen ausgesetzt hat und damit einen Wendepunkt für die Märkte herbeiführte.
02.12.2024 | 12:10 Uhr
Seitdem konnte ein ausgewogenes 60/40-Portfolio (60 % Aktien gemessen am S&P-Index und 40 % Anleihen gemessen am Bloomberg US Aggregate Index) bis zum 30. September 2024 eine Rendite von mehr als 26 % erzielen. Beide Indices entwickelten sich weit besser als der Geldmarkt oder geldmarktähnliche Anlagen.
Haben damit alle, die während des Anstiegs nicht investiert waren, den Zug verpasst? Nein, sagt Matthias Mohr, Managing Director Financial Intermediaries Germany & Austria bei Capital Group. Die Fed habe ihren Zinssenkungszyklus gerade erst begonnen und davon dürften insbesondere Anleihen profitieren.
„An ihrer Strategie hat die US-Zentralbank Fed keinen Zweifel gelassen: Sie ist im Senkungsmodus“, betont Mohr. Im September habe die Fed viele Investoren mit einem deutlichen Zinsschritt von 50 Basispunkten überrascht. Doch auch für dieses und nächstes Jahr habe sie Senkungen um weitere 50 und 100 Basispunkte in Aussicht gestellt. Angesichts der nachlassenden Inflation hätten auch wichtige Zentralbanken in anderen Industrieländern begonnen, ihre Leitzinsen zu senken.
„Da die Anleihenrenditen jetzt niedriger sind als letztes Jahr, fürchten vielleicht jene, die nicht investiert waren, dass sie ihre Chance verpasst haben“, sagt Mohr. „Glücklicherweise haben die jüngsten Anstiege der Staatsanleihenrenditen jedoch für einen weiteren interessanten Einstiegszeitpunkt gesorgt, und erfahrungsgemäß bleiben die Chancen auf steigende Anleihenkurse nach dem Beginn von Zinssenkungszyklen der Fed längere Zeit bestehen.“ Zwar seien die Entwicklungen der Vergangenheit kein Garant für künftige Entwicklungen. Allerdings sei es bislang immer so gewesen, dass die Anleihenrenditen nicht nur vor der ersten Zinssenkung eines Zyklus gefallen seien, sondern auch danach.
„Sinkende Renditen sind immer gut für die Anleihenerträge, weil dann Kurse der Anleihen steigen“, erklärt der Experte. „Das ist ein wichtiger Grund für die sehr gute Anleihen-Performance im letzten Jahr.“ In den zwölf Monaten bis zum 30. September 2024 hätten die Renditen zwei- und zehnjähriger US-Treasuries um 140 bzw. 79 Basispunkte nachgegeben. Die Märkte hätten begonnen, mit Zinssenkung der Fed zu rechnen, und die Treasury-Renditen seien in allen Laufzeitbereichen gefallen, sodass die Kurse gestiegen seien. „Bislang sind die Renditen in Zinssenkungszyklen der Fed weiter gefallen“, führt Mohr aus. „Und wenn die US-Wirtschaft unerwartet stark nachlässt, könnte die US-Notenbank ihren Leitzins sogar noch stärker senken, um den Arbeitsmarkt zu stützen. Wichtig ist jedoch, dass steigende Kurse nur eine Komponente ihrer Anleihenerlöse sind – und vor dem Hintergrund der aktuellen Marktrenditen bieten etliche Arten von Festzinspapieren interessante laufende Erträge.“
Attraktiv seien aus seiner Sicht beispielsweise Fonds für Qualitätsanleihen mit einer mittleren Duration, also einem nicht zu hohen Zinsrisiko. Mit einer solchen Position könnten Anleger attraktive laufende Erträge sowie Wertzuwachs (bei fallenden Renditen) anstreben. „Außerdem können sie so ihre Aktienpositionen diversifizieren, was gut wäre, wenn der Markt unerwartet volatil würde“, argumentiert Mohr. „Es gibt zahlreiche Möglichkeiten mit Festzinspapieren hohe Erträge zu erzielen.“ Sollte die Fed beschließen, ihre Zinsen ab jetzt weniger dynamisch zu senken, könnten die Renditen von Unternehmensanleihen, Verbriefungen und anderen Teilassetklassen attraktiver werden als zuletzt. Sollte hingegen der US-Wirtschaft eine weiche Landung gelingen, dürften Unternehmensanleihen deutlich zulegen.
Einige Aktien sind teuer geworden, aber wir sehen noch immer Chancen
„Die Märkte entwickeln sich uneinheitlich, aber zurzeit sieht es so aus, als sei es der Fed gelungen, die Inflation einzudämmen, ohne die Wirtschaft in eine Rezession zu treiben“, sagt Mohr. Ihre Zinssenkungen könnten die Diskontfaktoren sinken lassen und die zurzeit hohen Aktienbewertungen stützen.
Dennoch betont Mohr die Notwendigkeit einer sorgfältigen Titel-Auswahl auf Grundlage von fundamentalem Sektor- und Unternehmens-Research. So würden beispielsweise einige der rund 50 größten Unternehmen weiterhin die Indices dominieren. Die jüngsten Bewertungsänderungen und Gewinnprognosen würden jedoch darauf hindeuten, dass sich das Wachstum bei einigen dieser Unternehmen verlangsamen könne, insbesondere bei den Magnificent Seven (Apple, Microsoft, Amazon, NVIDIA, Alphabet, Tesla, Meta).
Der Markt werde also breiter. Einige Branchen wie Luftfahrtausrüstungen und Biotechnologie könnten für Investoren besonders interessant sein werden. „Die Reisebranche hat sich von der Corona-Pandemie erholt und während die Hersteller von Passagierflugzeugen so viele Aufträge haben, dass sie fast zehn Jahre brauchen werden, um sie abzuarbeiten, steigt die Nachfrage nach Flügen weiter“, sagt Mohr. Im Biotechnologiesektor gebe es zudem ausgewählte Unternehmen, die Gen- und andere innovative Therapien gegen schwer zu behandelnde Krankheiten entwickeln würden.
Auch die für den Ausbau der KI-Datenzentren notwendige Infrastruktur sei ein spannendes Thema. Der Strombedarf solcher Datenzentren und die immer stärkere Verbreitung von Elektrofahrzeugen sorge erstmals seit 20 Jahren für einen Anstieg der Stromnachfrage. Während immer mehr Kapazitäten geschaffen würden und zugleich immer weniger Energie aus Kohle erzeugt werde, steige die Nachfrage nach Strom aus Kernkraft und Erdgas – und nach Batterien, um die Energiegewinnung aus Wind und Strom verlässlicher zu machen.
„Vor diesem Hintergrund interessieren wir uns für jene Sektoren und Unternehmen, die aus unserer Sicht weiterhin vergleichsweise hohe Erträge in Aussicht stellen“, sagt Mohr. „Wenn die Wirtschaft weiter wächst, werden auch unsere Portfoliopositionen an Wert gewinnen.“
Anleger haben bessere Chancen, ihre Ziele zu erreichen, wenn sie investiert sind
Nach den Turbulenzen des Jahres 2022 hätten viele Anleger verständlicherweise die Sicherheit von Bargeld gesucht. „Aber die Märkte haben sich seitdem erholt und bieten nun neue Chancen, so dass man jetzt wieder investieren sollte, zumal Geldmarktanlagen weniger attraktiv werden“, sagt Mohr abschließend. „Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass langfristige Anlagen in Aktien und Anleihen entscheidend sind, damit Anleger ihre finanziellen Ziele erreichen können.“
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