Angesichts anhaltend niedrigerer oder negativer Renditen bei gleichzeitig hoher Inflation suchen auch die Kunden im Private-Wealth-Bereich nach Alternativen zu Zinsanlagen. Dabei wenden sie sich immer mehr den Private Markets zu. Aus guten Gründen
12.04.2022 | 06:30 Uhr von «Gerd Hübner»
Privatmarktanlagen, auch nicht an der Börse gehandelte Investments, sind en vogue. Seit 2010 sind die Zuflüsse in diesem Bereich laut dem Private-Markets-Report von McKinsey bis 2019 jedes Jahr gestiegen. Dazu zählen neben Private Equity auch die private Kreditvergabe an Firmen, das sogenannte Private Debt, und Immobilienfinanzierung oder Infrastrukturinvestments. Und auch wenn die Zuflüsse 2020 pandemiebedingt zurückgingen, hat das weltweite Vermögen in dieser Assetklasse dennoch einen neuen Höchststand bei insgesamt 7,4 Milliarden Dollar erreicht.
Der Grund für die gewachsene Nachfrage ist das Niedrigzinsumfeld. Ein klassisches Portfolio aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent globalen Anleihen warf von 1990 bis 2020 nach Berechnungen der UBS-Experten im Schnitt etwa 7,7 Prozent pro Jahr ab. Künftig dürften es am US-Markt aber nur rund 5,5 Prozent sein, weil die Anleihekomponente kaum noch Ertrag bringt. Für Anleger hierzulande, die verstärkt auf Bundesanleihen setzen, dürfte es eher noch weniger sein.
Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Kapital, das für sichere Anlagen vorgesehen ist, in hochverzinsliche Anleihen oder Aktien umzuschichten. Das aber erhöht die Volatilität und das Risiko im Fall von Marktturbulenzen – und ist den Institutionellen oft verwehrt. „In Zeiten hoher Unsicherheit können alternative Investments gegenüber traditionellen Anlagen Vorteile wie Diversifikationseffekte, eine stabile Entwicklung und ein attraktives Rendite-Risiko-Profil bieten“, erklärt Hubertus Theile-Ochel, Geschäftsführer von Golding Capital Partners.
Diese Sichtweise bestätigte eine aktuelle Umfrage des Asset-Managers Wealthcap, einer Tochtergesellschaft der Unicredit Bank, unter 250 Investoren mit Anlagevolumen von mindestens 100 000 Euro. Demnach halten rund 40 Prozent der betroffenen Private Equity Krisenzeiten für rentabler als Aktien, wobei sie insbesondere das Renditepotenzial und den Diversifikationseffekt der Anlageklasse für das Portfolio schätzen.
Zunehmende Beliebtheit verzeichnen aber auch private Immobiliendarlehen. „Tatsächlich stellen wir eine steigende Nachfrage nach Real Estate Private Debt fest“, sagt Maximilian Könen, Geschäftsführer von LINUS Digital Finance. Die Firma sammelt Gelder für Immobilienprojekte wie die Umwidmung bestehender Immobilien ein. „Wir finanzieren so beispielsweise die Modernisierung oder den Umbau von Bürogebäuden“, erläutert Könen. „Investoren bekommen für die Laufzeit, die üblicherweise bei 18 bis 24 Monaten liegt, eine laufende Verzinsung und die Rückzahlung des Kapitals am Ende.“
Laut Schätzungen der UBS soll Private Real Estate auf Sicht der kommenden 15 Jahre rund 6,3 Prozent pro Jahr abwerfen. Bei Private Equity waren es laut dem U.S. Private Equity Index von Cambridge Associates in den zurückliegenden 20 Jahren im Durchschnitt nahezu 10,5 Prozent pro Jahr. Bei Private Debt soll es etwa acht Prozent sein – ein Wert auch deutlich über dem, was sichere Staatsanleihen derzeit anbieten.
Ein Grund für den höheren Ertrag: „Da durch die geringere Liquidität beim Handel dieses Vermögens die Preise solcher Beteiligungen seltener festgestellt werden, werden Anleger bei Private Equity oder Private Debt mit einer Illiquiditätsprämie kompensiert“, erklärt Könen. Dazu kommt noch etwas: Weil die Preise somit nicht börsentäglich schwanken, verändert sich auch deren Wert im Zeitablauf nicht so stark wie die Kurse am Kapitalmarkt, die außerdem stark durch kurzfristige Stimmungen getrieben werden. Das kann stabilisierend auf das Portfolio wirken.
Dazu kommt der Diversifikationseffekt. So können private Kredite eine Allokation in Emittenten und Branchen anbieten, die über den Anleihemarkt nicht zugänglich sind. Ähnlich ist es bei Private Equity. Laut der UBS sind in den USA 95 Prozent der Unternehmen in privatem Besitz. „Über Private-Equity-Fonds können sich Anleger an Firmen beteiligen, zu denen sie sonst keinen Zugang bekämen“, so UBS-Manager Christian Funke. „Das kann zu einer besseren Risikostreuung und mehr Stabilität im Portfolio führen.“
So reizvoll dies klingt, umsonst gibt es die Vorteile nicht. So sind Privatvermögen aufgrund ihrer Illiquidität kein gleichwertiger Ersatz für sichere Staatsanleihen. Eine Private-Equity- oder Private-Debt-Beteiligung läuft in der Regel über Fondsvehikel, die das Geld über einen Zeitraum von zehn Jahren oder mehr investieren. Diese vorzeitig zu verkaufen, geht – wenn überhaupt – nur mit hohen Abschlägen. Außerdem gibt es keine Garantie, dass am Ende der versprochene Ertrag realisiert wird. So können bei Private Debt Kredite ausfallen, Private-Equity-Zielfirmen im Zeitablauf an Wert verlieren oder gar in Konkurs gehen.
„Letztlich hat die Geldflut der Notenbanken in den vergangenen Jahren zu massiven Zuflüssen in Privatanlagen geführt“, sagt Könen. „Das bedeutet, dass dort immer mehr Geld um die attraktivsten Anlagemöglichkeiten konkurriert und die Preise zum Teil nicht mehr ganz günstig sind.“ Laut dem Datenanbieter Preqin erreichte das Dry Powder, das noch nicht investierte Kapital, bei nordamerikanischen Private-Equity-Fonds im September 2020 fast 980 Milliarden Dollar – ein Rekordniveau. Zugleich wächst damit die Gefahr, dass Asset-Manager Investments tätigen, die sie vor ein paar Jahren noch als unattraktiv empfunden hätten.
Und noch etwas gilt es zu berücksichtigen: Die Unterschiede zwischen den Fonds sind groß. Bei Private Equity liegt zwischen den besten und schlechtesten Vehikeln laut dem McKinsey-Bericht eine Renditedifferenz im zweistelligen Prozentbereich. Zumindest aber bessert sich der Zugang zu dieser Anlageklasse, der früher vor allem vermögenden Investoren vorbehalten war. So gibt es mit Moonfare für Private Equity oder Linus Digital Finance für Real Estate Private Debt Anbieter, über die Investoren mit geringeren Summen investieren können. Eine andere Alternative sind die European Long Term Investment Funds, kurz ELTIF, die stärker reguliert und transparenter als Geschlossene Fonds sind und die Welt der Private Markets ebenfalls für niedrigere Einstiegssummen eröffnen.
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