In ihrem Urteil vom 8. Februar 2023 legten die Richter des
Oberlandgericht Naumburg (Az.: 5 MK 1/20
OLG Naumburg) erstmals in einem Massenverfahren konkret fest, wie eine Bank die
Zinsen in einem Prämiensparvertrag zu berechnen hat. Geklagt hatten in einer im
Juli 2020 von dem Bundesverband Verbraucherzentrale (vzbv) eingereichten
Musterfeststellungsklage über 800 Sparerinnen und Sparer gegen die Saalesparkasse
in Halle. In den 1990-er und 2000er-Jahre bot die Sparkasse Prämiensparverträge
an, in denen viele Kunden zehntausende Euros einzahlten. Nach Auffassung der
vzbv hatte die Saalesparkasse den Sparern zu wenig Zinsen bezahlt. Das Urteil
gab nun den Klägern weitgehend Recht.
„Verbraucherinnen und Verbraucher können teilweise Nachzahlungen von
mehreren tausend Euro erwarten,“ sagt Henning Fischer, Referent im Team
Musterfeststellungsklagen des vzbv. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig,
da sowohl die Saalesparkasse als auch der vzbv noch in Revision gehen können. Die
Verbraucherorganisation sieht aber bereits schon jetzt eine Signalwirkung aus
dem Urteil, da zum ersten mal ein deutsches Gericht in einem Massenverfahren
festgelegt hat, wie eine Sparkasse die Zinsen richtigerweise hätte berechnen
müssen. Da es sich um eine Musterfeststellungsklage handelt, könnte ein Urteil
auch für andere Gerichtsverfahren herangezogen werden. Dies ist nach Ansicht
des vzbv durchaus möglich, aber nicht zwingend. Bei einer Revision wäre dann
der Bundesgerichtshof für den Fall zuständig. Dieser hatte bereits 2021 frühere
Urteile bestätigt, wonach viele alte Prämiensparverträge vor allem der
Sparkassen unzulässige Klauseln enthalten.
Wie die Zinsen laut
dem Urteil berechnet werden müssen
Prämiensparverträge setzen sich in der Regel aus zwei
Zinskomponenten zusammen: Einer flexiblen Grundverzinsung sowie einer Prämie
(Bonus) am Ende der Laufzeit. In ihrem Urteil haben die Richter des OLG
Naumburg der Saalesparkasse vorgegeben, wie sie die Zinsen für ihre Kunden
korrekt berechnen müssen. Grundlage müsste die Entwicklung der Monatswerte für
die Umlaufrendite von börsennotierten Bundeswertpapieren mit acht bis 15 Jahren
Restlaufzeit sein. Die Vornahme dieser Zinsanpassung hat unter Wahrung des
relativen Zinsabstandes monatlich und ohne Berücksichtigung einer Zinsschwelle
durchgeführt zu werden. Stattdessen hatten es sich viele Banken wie die
Saalesparkasse in den 1990er und 2000er Jahren vorbehalten, die Zinssatz
weitgehend frei anzupassen und entsprechende Klauseln in die
Prämiensparverträge geschrieben.
Bedeutung der
Prämiensparverträge bei Banken
Den größten Teil ihres Geldvermögens halten deutsche
Privathaushalte als Einlagen bei Banken. Nach der Statistik der Bundesbank
hielten sie Ende 2022 knapp 40 Prozent ihres Geldvermögens in Bargeld und
Einlagen und 34 Prozent in ihrer privaten Altersvorsorge wie
Lebensversicherungen. Nur jeweils zwölf Prozent wurden in Fonds sowie in Aktien
gehalten (siehe Grafik 1).
Grafik1 Quelle: © Deutsche Bundesbank
Vor allem Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken,
Marktführer bei den traditionellen Sparbuchanlagen, konnten aufgrund ihres
dichten Filialnetzes enorme Beträge in Prämiensparverträge mit variablen
Grundzins und einer vereinbarten Prämie (Bonus) ansammeln. Als langfristige Sparvariante
war Prämiensparen jahrelang ein beliebtes Anlagemodell. In
Deutschland gibt es das Bonussparen bereits seit 1950 – die
Volksbanken haben es erfunden, die Sparkassen haben es
übernommen.
Mit der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank
wurden im vergangenen Jahrzehnt allerdings gutverzinsliche Altverträge mit
steigenden Zinsen und Prämien den Banken zunehmend zur Last, weshalb einige von
ihnen die Zinslast mit oft nicht nachvollziehbaren Berechnungsmethoden auf
Grundlage von zum Teil rechtswidrigen Vertragsklauseln zu begrenzen. Betroffen
sind tausende verschiedener Prämiensparverträgen von mehreren hunderten
Kreditinstitute, die auf den Internetseite der Verbrauchzentrale (Unter:
„Zinsklauseln in Sparverträgen rechtswidrig: So kommen Sie zu ihrem Geld)
namentlich aufgeführt sind. Der Streit ist daher ein Dauerbrenner vor deutschen
Gerichten. Auch in anderen Bundesländern gab es bereits Gerichtsverfahren zu ähnlichen
Fällen - immer wieder ging es um den flexiblen Zinsanteil. Wiederholt hatten
Richter entschieden: Diese Zinssätze müssen nach nachvollziehbaren Kriterien
festgelegt werden. Auch die vermehrten Kündigungen der für die Banken teuren
Alt-Prämiensparverträge beschäftigt die Gerichte. Am 14. Mai 2019 entschied der
Bundesgerichtshof (Urteil, Az. XI ZR 345/18), dass Sparkassen Prämienverträge
diese zwar kündigen dürfen, aber nur, wenn die höchste Prämienstufe
erreicht ist. Daraufhin kündigten mehrere Sparkassen etwa
280.000 Verträge, die aus ihrer Sicht nicht länger wirtschaftlich waren. Sparerinnen
und Sparer, die sich bei Vertragsabschluss auf die vereinbarten
Konditionen verließen, sahen sich nun getäuscht. Am 21. Juni 2021 reagierte
auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf die
Rechtssprechung mit einer Allgemeinverfügung an die Kreditinstitute, ihre
Prämiensparkunden über unwirksame Zinsanpassungsklauseln zu informieren.
Steigende Bankgewinne
durch verzögerte Zinsanpassung
Mit dem Zinsanstieg steigen nun auch die Margen aus dem
Zinsdifferenzgeschäft für die Banken wieder an. Obwohl sich die Leitzinsen bis
Ende 2022 schon deutlich erhöht hatten, reagierten die meisten Banken bei den
Einlagen für ihre Kunden nur zögerlich mit Zinserhöhungen. Wie eine Auswertung
von Tagesgeldvergleich zeigt, werden vor allem Sparbücher und andere Einlagen
gering verzinst (siehe Grafik 2).
Grafik2 Quelle: © Tagesgeldvergleich.net
Weil auch die Verzinsung neuer Sparanlagen von den Banken
langsamer als die Zinsen für Kredite an das Zinsniveau angepasst werden,
prognostiziert beispielsweise der „Global Banking Annual Review 2022“ der Unternehmensberatungsgesellschaft
McKinsey dass die Erträge aus Einlagen bei europäischen Banken von 2021 bis
2025 um 23 Milliarden Dollar ansteigen, während diese im Zeitraum von 2017 bis
2021 noch um elf Milliarden Dollar zurückgingen. „Auch wenn die europäischen
Banken in Sachen Profitabilität weiter deutlich hinter Instituten in den USA
und Asien zurückbleiben, verzeichnet die Branche 2022 in der Breite einen
deutlichen Anstieg der Eigenkapitalrenditen“, sagt Max Flötotto, Leiter der
Banken-Beratung bei McKinsey in Deutschland und Österreich.
Die von ihren Kreditinstituten enttäuschten Sparer werden
sich allerdings verstärkt nach Anbietern mit deutlich besseren Zinsangeboten
umschauen. Dabei werden sich auf Zinsplattformen sowie auf Broker, Autobanken
und einigen Direktbanken stoßen, die in der Regel auch für Festgelder und
Sparverträge deutlich bessere Konditionen als die meisten Filialbanken bieten.
Auch für bankunabhängige Finanzberater und Finanzanlagenvermittler bietet der
Frust vieler Bankkunden die Möglichkeit neue Kunden über lukrative Zinsangebote
von Portalen mit Kooperationen zu gewinnen.
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