Die zuletzt stark gestiegenen Rohstoffpreise werden kurzfristig nicht so hoch bleiben wie zuletzt, langfristig aber ein hohes Niveau erreichen. Zu diesem Schluss kommt Lisa Thompson, Portfoliomanagerin bei Capital Group:
20.04.2022 | 10:18 Uhr
„Die Märkte haben aktuell überreagiert,“ erläutert die Expertin. Jetzt seien die Preise bereits wieder etwas gefallen, lägen allerdings immer noch deutlich höher als vor einem Jahr. Langfristig sehe die Preislage ohnehin angespannt aus. „Auf lange Sicht dürften die Notierungen auf einem hohen Niveau bleiben. Hier kommen gleich mehrere Gründe zusammen: Die steigende Nachfrage, Lieferengpässe und Trends zur Deglobalisierung,“ sagt Thompson.
„Aus Investmentsicht spricht dies ganz klar für den Sektor Bergbau und Metalle,“ so Thompson. „Dieser wurde über zehn Jahre wenig beachtet und ist daher seit Jahren unterbewertet, trotz der jüngsten Rallye.“ Demnach würden die Preise vieler Rohstoffe in den nächsten Jahren hoch bleiben, weil die Branche seit 2015 zu wenig investiert habe. Verstärkt würde dieses Problem dadurch, dass Bergbauprojekte heutzutage nicht mehr so schnell begonnen werden könnten wie früher.
„Aus meiner Sicht sind alle großen Bergbaugesellschaften unterbewertet,“ analysiert Thompson. „Der Markt denkt nicht gut genug über die Folgen des Investitionsstaus nach.“ Bewertungen und Konsensschätzungen würden einen Rückgang der Rohstoffpreise in den nächsten Jahren und eine Annäherung an ihren langfristigen Durchschnitt widerspiegeln. Thompson hält dies für falsch. Neben dem Investitionsstau könne noch ein weiterer Faktor die Rohstoffpreise langfristig in die Höhe treiben: Die weltweiten Anstrengungen, nachhaltige Energiequellen zu nutzen.
Doch es gibt auch Faktoren, die sich belastend auswirken könnten. „Die nachlassende Wirtschaft Chinas könnte ein Gegengewicht zu den steigenden Preisen bilden,“ erläutert Thompson. Das Land sei der weltweit größte Rohstoffimporteur und nehme über die Hälfte des globalen Angebots an Eisenerz, Kohle und Kupfer ab. Die erneut steigenden Coronazahlen in China könnten demnach die Wirtschaft weiter belasten, wenn die Regierung Reisen und Freizeitaktivitäten einschränken sollte. „Weil China enge Handelsbeziehungen zur EU hat, könnte es in China sogar zu einer Rezession kommen.“
Die chinesische Wirtschaft sei bereits vor dem jüngsten Covid-Ausbruch rückläufig gewesen. „Der Wendepunkt ist vermutlich noch nicht erreicht,“ meint Thompson. Sollte es zu einer recht tiefen Rezession kommen, könnten die Rohstoffpreise fallen.
Der aktuelle Preisanstieg zeige erneut, dass Rohstoffe ein guter Schutz gegen Inflation seien. Unabhängig davon, wie sich die Märkte entwickeln. Das sei keine Überraschung, da Basisgüter wie Öl und Gas in vielen Sektoren der Weltwirtschaft unabdingbar sind und die Inflation in die Höhe treiben könnten. „In der Vergangenheit hat sich Energie, besonders Öl, quasi immer parallel zur Inflation entwickelt,“ analysiert Thompson. „Da Öl große Anteile an den Rohstoffindizes hat, ist die langfristige Korrelation zwischen Preisen und Inflation hoch.“
Wichtig sei aber auch, dass es große Unterschiede zwischen den Rohstoffarten gäbe. Öl und Gas, Metalle, Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Produkte hätten oft unterschiedliche Zyklen. „Das dürfen Investoren, die sich gegen Inflation schützen wollen, nicht vergessen,“ resümiert Thompson. „Alles hängt davon ab, was die Inflation treibt.“
Der Energiesektor entwickele sich in der Regel gut, wenn die
Inflation steigt. Dies liege daran, dass steigende Energiepreise leicht
an den Verbraucher weitergegeben werden können. Für andere Rohstoffe
gelte dies nicht unbedingt, hier würden Preissteigerungen oft in der
Wertschöpfungskette abgefangen.
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