„Die Fundamentaldaten von Schwellenländeranleihen erscheinen aktuell insgesamt günstig“, sagt Jeremy Cunningham, Fixed Income Investment Director bei Capital Group.
13.11.2019 | 10:48 Uhr
„Das gilt für Fremd- und Lokalwährungstitel gleichermaßen.“ Die eher mäßige Weltkonjunktur sei zwar ungünstig für Schwellenländer, in den vergangenen fünfzehn Jahren hätten sie aber große strukturelle Fortschritte gemacht. Sie verfügten heute zumeist über hohe Währungsreserven und seltener über feste Wechselkursbindungen. Dadurch seien die Schuldenstandsquoten in den Ländern heute niedriger – zumal einige Länder Subventionen abgeschafft und viele ihren öffentlichen Sektor reformiert hätten. Wo die Verschuldung heute höher ist, sei dies oft auch die natürliche Folge reiferer Anleihenmärkte.
Einige Fremdwährungsanleihen ohne Investmentgradestatus seien aktuell
günstig bewertet. „Hier haben sich die Spreads aufgrund eines besseren
Fundamentalausblicks verengt“, sagt Cunningham. Anders sehe es
dahingegen bei hohen Ratings aus. „Langlaufende in US-dollar
denominierte Emerging-Market-Anleihen mit hohen Ratings erscheinen
weniger günstig, da die Zinsstrukturkurve hier eher steiler als flacher
werden dürfte und die Laufzeitprämien am US-Staatsanleihenmarkt niedrig
sind“, so Cunningham.
Ebenfalls günstig bewertet seien zurzeit in Euro denominierte Fremdwährungsanleihen. Abgesichert in US-Dollar sei die Rendite verglichen mit der von in US-Dollar denominierten Unternehmensanleihen attraktiv – der Aufschlag betrage in der Regel 100 Basispunkte.
Durch die weltweit niedrigen Zinsen stünden die
Emerging-Market-Notenbanken nicht mehr unter so großem Druck, ihre
Zinsen zu normalisieren – gar Senkungen seien denkbar. In der Folge
böten insbesondere Lokalwährungsanleihen attraktive Chancen.
Hauptsächlich dürften jedoch die höheren Coupons und weniger die
Kursgewinne für Ertrag sorgen. Hinzu komme, dass die Währungskomponente
auf mittlere Sicht interessante Möglichkeiten biete.
„Hauptgründe für
die US-Dollar-Rallye 2018 waren die gegenüber anderen Ländern höheren
Realzinsen und die dynamische Konjunktur“, sagt Cunningham. „Dieser
große Realzinsabstand ist 2019 jedoch zurückgegangen und die
US-Konjunktur hat in den vergangenen Monaten stark nachgelassen.“
Gegenwärtig sei der US-Dollar überbewertet und am Ende dürfe das
amerikanische Doppeldefizit zu einer Verschlechterung der
US-Leistungsbilanz und damit letztlich auch zu einer Abwertung führen.
Die Lokalwährungen vieler Schwellenländer seien dahingegen aktuell unterbewertet und böten zeitgleich einen Zinsvorsprung. „Die türkische Lira, der kolumbianische Peso und der brasilianische Real sind um mehr als 20 Prozent unterbewertet und bieten einen Zinsvorsprung“, sagt Cunningham. „Aufgrund des fundamentalen Umfelds und der günstigsten Bewertung seit der Auflegung des Index für Lokalwährungsanleihen ist eine Währungsaufwertung wahrscheinlich.“
Trotz der tendenziell positiven Bewertungen müsse man jedoch genau
darauf achten, welche Risiken in welchem Land bestehen. Die
Fundamentaldaten der verschiedenen Schwellenländer würden sich
grundlegend unterscheiden. Zwar sei die Kerninflation oft unter den
Vergangenheitsdurchschnitt gefallen, in Ländern wie Argentinien, der
Türkei oder Venezuela sei sie aber nach wie vor hoch. Während viele
asiatische Länder Leistungsbilanzüberschüsse verzeichnen würden,
kämpften manche lateinamerikanische Länder noch immer mit Defiziten.
Und
auch außerhalb der Frontiermärkte bestünden Risiken. Bei
Fremdwährungsanleihen seien Zahlungsausfälle denkbar, bei
Lokalwährungsanleihen könnten vor allem Währungsabwertungen die Gewinne
zunichtemachen. Beides sei zwar tendenziell eher unwahrscheinlich, die
Folgen wären aber erheblich und könnten sich über Dominoeffekte auf
weitere Schwellenländer ausdehnen.
„Beispiele, die solche Entwicklungen auslösen könnten, sind lokale Entwicklungen wie die Renminbi-Abwertung im Jahr 2015 oder externe Ursachen, wie die Sorge vor einem plötzlichen Zinsanstieg in den USA und ein anschließender Ölpreisverfall im Jahr 2013“, sagt Cunningham. Solche Entwicklungen könnten von kurzer Dauer sein und sich auf die Finanzmärkte beschränken, aber auch langfristige Folgen bedeuten, weil sie sich auf die Realwirtschaft auswirken.
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