Wie funktionieren Staatsfonds, gibt es nachhaltige Staatsfonds und was sind Vor- und Nachteile? Mit genau diesen Fragen beschäftigt sich dieser Artikel.
20.08.2024 | 09:48 Uhr
Nachhaltigkeit ist für Investor:innen bei weitem kein neues Thema mehr. Im Finanzmarkt ist das Thema mittlerweile vollends angekommen und es entstehen täglich neue Produkte mit Fokus auf Nachhaltigkeit. Doch nicht nur für Privatanleger:innen wird Nachhaltigkeit immer attraktiver, auch die Politik hat verstanden, dass man über den Finanzmarkt den Weg für eine nachhaltigere Zukunft ebnen kann. Außerhalb der politischen Einflussnahme (z. B. mittels Regulatorik) kann dies auch über sogenannte Staatsfonds stattfinden, die es ermöglichen, Einfluss auf den Finanzmarkt zu nehmen.
Was kennzeichnet einen Staatsfonds überhaupt? Richardson schreibt dazu, dass ein solcher große Mengen staatlichen Vermögens in den Finanzmarkt investiert, um makro-ökonomische Ziele zu erreichen, wie bspw. die Absicherung gegen finanzielle Schwankungen auf den internationalen Märkten oder um Ersparnisse für zukünftige finanzielle Belastungen, wie Rentenzahlungen zu erwirtschaften. Daher ist der Fokus klar auf die langfristige Maximierung der Rendite ausgelegt. Staatsfonds können hierbei durch ihre Größe und die Absicherung durch die Regierung höhere Risiken als private Anleger:innen eingehen. Die interessante Frage dabei: Zählt Nachhaltigkeit als solch ein Risiko, das die finanzielle Rendite kompromittiert – oder trägt Nachhaltigkeit zu einer Wertsteigerung bei?
Für die Verantwortlichen von Staatsfonds entstehet mitunter ein Spannungsverhältnis, sobald der finanzielle Erfolg als Zielsetzung um die Komponente einer z. B. ethischen Verantwortung erweitert wird. Und lange Zeit galt die Annahme, dass sich Rendite und ein Fokus auf ethische Verantwortung oder auf Nachhaltigkeit gegenseitig ausschließen.
In den letzten Jahren kommt jedoch immer mehr zum Vorschein, dass dieser Mythos lediglich eins bleibt – ein Mythos. Das Investieren in nachhaltige Geschäftsmodelle führt zu einer Reduktion des Risikoprofils eines Portfolios und sichert die Rendite somit langfristig, anstatt diese zu verringern.
Im Gegenteil dazu riskieren beispielsweise Unternehmen und Finanzprodukte, welche nicht nachhaltig agieren, indem sie z. B. auf nicht-erneuerbare Ressourcen setzen, von diesen abhängig zu werden und in der Zukunft nicht mehr konkurrenzfähig zu sein. Mit diesem Thema haben wir uns bereits in unserem Artikel „Corporate Sustainability: wesentlicher Bestandteil des Risikomanagements“ beschäftigt.
Soweit, so gut! Lassen Sie uns nun einige konkrete Beispiele von Staatsfonds betrachten, die unsere besondere Aufmerksamkeit erregt haben.
Der NGPF-G (Norway Government Pension Fund Global) ist ein Pensionsfonds, der vom norwegischen Staat im Jahr 1990 aufgelegt wurde und historisch durch die Einnahmen der Öl- und Gasindustrie finanziert wird. Der Fonds ist der größte europäische Staatsfonds mit einem Anlagevermögen von 15,8 Billionen Kronen (1220 Milliarden US-Dollar) in 2023.
Der NGPF-G ist sehr stark an die Regierung angebunden und verfolgt einerseits das Ziel langfristige Gewinne zu erzielen und andererseits die Investitionen darauf zu überprüfen, dass dadurch keine ethischen, ökonomischen oder sozialen Schäden verursacht werden. Die Anlagestrategie ist dabei komplett transparent und ein Gremium, welches den Fonds überwacht, kann sogar per Direktwahl vom Volk gewählt werden. Zusätzlich wird seit 2004 ein Ethikrat eingesetzt, der sich dafür engagiert, mögliche Investitionen vor der Anlage intensiver zu überprüfen. Dabei ist man sogar bereit, finanzielle Einbußen hinzunehmen, sollten die ethischen Folgen nicht verantwortbar sein.
Konträr hierzu mutet es allerdings an, dass der norwegische Pensionsfonds nach wie vor durch die Gas- und Ölindustrie finanziert wird und diesen Bereich auch nicht plant aus seiner Anlagestrategie zu streichen – soll das Geld doch immerhin für die Zeiten vorsorgen, in denen die Erdölreserven der Nordsee zur Neige gehen. Immerhin finanziert sich der NGPF-G inzwischen aber auch über Investitionen in Aktien und Immobilien, außerdem werden Divestments auch dann vorgenommen, wenn diese (kurzfristig) zu Renditeeinbußen führen oder große Unternehmen, beispielsweise Boing oder Walmart, betreffen.
Auch interessant: „Erst Anfang 2023 verwies der chinesische Staatsfonds China Investment Corporation Norwegen auf den zweiten Platz“, schreibt Business Insider. Und weiter: „Denn der norwegische Fonds machte einen Vermögensverlust von rund 14 Prozent. Die Analysten sehen als Gründe den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die hohe Inflation und die steigenden Zinssätze“.
Der KENFO (Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung) ist ein Fonds einer Stiftung, die von der deutschen Regierung im Jahr 2017 gegründet wurde, um für die Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung von radioaktivem Abfall aufzukommen. Das Stiftungsvermögen wurde von den Betreibern der rund 25 Atomkraftwerke in Deutschland eingezahlt und beträgt rund 24 Milliarden Euro. Der Fonds ist gesetzlich dazu verpflichtet, bei der Investitionsentscheidung ESG-Kriterien (Economical, Social und Governance) miteinzubeziehen. Aus der Pflicht ist jedoch schon längst eine Kür geworden. So stellt der KENFO fest: „Nachhaltige Geschäftsmodelle können die Erzielung langfristig überdurchschnittlicher, risikoadjustierter Erträge unterstützen.“
Dafür gibt es jedoch keine einheitliche Strategie, sondern für jede Anlageklasse ein unterschiedliches Konzept, welches Bezug auf ESG-Normen nehmen soll. Weiterhin orientiert sich das Fondsmanagement an übergeordneten Grundsätzen, wie den UN Global Compact, das Pariser Klimaabkommen oder die UN Principles for Responsible Investment. Außerdem verpflichtete sich der KENFO als erster Staatsfonds weltweit, sein Anlageportfolio bis spätestens 2050 klimaneutral zu gestalten. Durch die Stiftung hinter dem KENFO wird sichergestellt, dass die Anlagestrategie auch umgesetzt wird.
Kritiker:innen des Staatsfonds bemängeln, dass dieser auch Investments im Portfolio vereint, die keineswegs als klima- und umweltfreundlich gelten, wie etwa Beteiligungen an Ölkonzernen wie BP oder Shell.
Bis 2100 soll der Fonds auf 169 Mrd. Euro anwachsen. Dafür wurde bislang vor allem in Aktien und Anleihen investiert – künftig soll stärker auf Private Equity gesetzt werden. Im internationalen Vergleich ist der KENFO in seiner Größe allerdings relativ bescheiden.
Dennoch machte er im vergangenen Jahr wieder stärker von sich reden, da die Bundesregierung ihn damit betraute auch die sogenannte Aktienrente für das deutsche Volk zu managen. Das Kapital wird jedoch getrennt von den 24 Mrd. Euro Stiftungsvermögen veranlagt.
Eigentlich sollen Staatsfonds als finanzielle Rücklagen dienen und den Staat oder die staatlichen Zentralbanken in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, gegen Inflation oder Währungsschwankungen, absichern. Doch in der Unternehmenswelt und an den Aktienmärkten haben einige dieser milliardenschweren Fonds bereits als bedeutende Investoren Bekanntheit erlangt. Insbesondere beim Trend der Investitionen in nachhaltige Firmen und Projekte spielen Staatsfonds aufgrund ihres enormen Kapitals eine entscheidende Rolle.
Dennoch wird auch immer wieder Kritik an den Nachhaltigkeitsansätzen verschiedener Staatsfonds geäußert, wie weiter oben dargestellt. Und obwohl es mittlerweile schon mehrere Staatsfonds gibt, die sich intensiv mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen und diese in ihre Anlagestrategie aufnehmen, reichen ihre bisherigen Maßnahmen allein nicht aus für die Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft.
Trotzdem ist es ein Schritt in die richtige Richtung, denn Nachhaltigkeit bedeutet, Fortschritte zu erzielen, ohne Perfektion zu erwarten. Besonders bei nachhaltigen Geldanlagen gibt es keine perfekten Lösungen, da diese letztlich die Realwirtschaft widerspiegeln. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir untätig bleiben oder unsere Ansprüche und Ambitionen herunterschrauben sollten. Vielmehr gilt: Jede kleine positive Handlung ist auf jeden Fall besser als keine.
Quellen
Artikel überarbeitet: Juli 2024; Artikel erstmals veröffentlicht: Juli 2021
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