Die Angst vor einer anhaltenden Inflation und einer Straffung der Geldpolitik hat die Märkte seit Jahresbeginn erschüttert. Höher bewertete Sektoren wie die Technologiebranche litten zunächst unter einer Abverkaufswelle, da ihre Bewertungen angesichts der zu erwartenden höheren Zinsen auf den Prüfstand kamen.
07.02.2022 | 07:39 Uhr
Die Volatilität griff auf die Bluechip-Aktien über und der Standard & Poor's 500 Composite Index geriet am Montag kurzzeitig in den Korrekturbereich, bevor er sich wieder erholte. Am Mittwoch drehten die Märkte erneut, bevor sie fast unverändert schlossen, nachdem die Federal Reserve angedeutet hatte, dass sie die Zinsen schneller als erwartet anheben und ihre Bilanz verkleinern könnte.
Die erneuten geopolitischen Spannungen, die von der Grenzkrise zwischen Russland und der Ukraine bis hin zu den Beziehungen zwischen den USA und China reichen, schüren ebenfalls die Unsicherheit an den Märkten und dürften die Preise für Anlagen in den kommenden Monaten weiter unter Druck setzen. Obwohl die Volatilität wahrscheinlich anhalten wird, sind einige unserer Anlageexperten der Auffassung, dass die Märkte gesünder sind, als viele denken.
Nachstehend finden Sie einige Ansichten unserer Experten darüber, wie die Marktkorrektur und die Änderungen in der Politik der US-Notenbank die Gelegenheit bieten, Portfolios anzupassen und selektiv dort zu handeln, wo sie langfristige Überzeugungen haben, um Portfolios für die nächsten drei bis fünf Jahre zu positionieren.
Das Ausmaß der Marktkorrektur spiegelt die zunehmend risikoaverse Stimmung der Anleger wider und trifft teuer bewertete Wachstumsaktien und spekulative Anlagen wie Kryptowährungen besonders hart. Derweil haben sich eher wertorientierte Aktien aus den Bereichen Energie, Finanzwerte und Basiskonsumgüter besser entwickelt, was darauf hindeutet, dass sich eine längerfristige Marktrotation abzeichnet.
Der NASDAQ Composite fiel in der vergangenen Woche um 7,6 % und verzeichnete damit den stärksten Rückgang seit Beginn der Pandemie. Am 26. Januar waren 44 % der Aktien im NASDAQ Composite um 50 % oder mehr von ihren 52-Wochen-Hochs gefallen.
Netflix gehörte zu den am stärksten betroffenen Unternehmen in der letzten Woche, als der Aktienkurs am 21. Januar um 22 % fiel, nachdem das Unternehmen ein geringeres Abonnentenwachstum als erwartet gemeldet hatte. Dies löste die Befürchtung aus, dass auch die Branchenriesen nicht von der erodierenden Nachfrage, dem härteren Wettbewerb und potenziell sinkenden Gewinnen verschont bleiben würden. Innerhalb des Technologiesektors deutet die jüngste Kursentwicklung darauf hin, dass die Anleger qualitativ hochwertige Unternehmen mit einem niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) gegenüber höher bewerteten Unternehmen, die tendenziell empfindlicher auf steigende Zinsen reagieren, präferieren.
Allerdings ist bei den Aktienkursen von aufstrebenden Unternehmen mit Volatilität zu rechnen. In den letzten 15 Jahren haben einige schnell wachsende Unternehmen mehrfache Korrekturen beim Aktienkurs erlebt. Anleger, die sich von den Marktturbulenzen nicht beirren ließen und investiert blieben, hätten jedoch attraktive Renditen erzielt.
Kurz gesagt, die Erträge sind wichtig. Die Geschichte hat gezeigt, dass bestimmte Unternehmen mit hohen Multiples weiter an Wert gewinnen können, wenn die Fundamentaldaten im Laufe der Zeit die Erwartungen übertreffen. Dies gilt vor allem für ausgewählte Wachstumsunternehmen mit großen und expandierenden Märkten, die potenziell über einen langen Zeitraum hinweg Umsatz- und Gewinnwachstum erzielen können.
Die gestrige Ankündigung der US-Notenbank war etwas aggressiver als vom Markt erwartet, aber das ändert nichts an unserem Ausblick für das Jahr. Wir rechnen weiterhin mit mindestens vier Zinserhöhungen (25 Basispunkte) und halten es für wahrscheinlich, dass die Inflation in diesem Jahr weiterhin deutlich über dem Ziel der Fed liegen wird. Wir sind der Meinung, dass ein schnelleres Tempo der Zinserhöhungen nicht ausgeschlossen werden kann, und die Kommentare von Notenbankchef Powell auf der Pressekonferenz haben dies bestätigt.
Die Fed könnte die Straffung trotz Volatilitätsspitzen beschleunigen
- Tom Hollenberg, Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere, und Margaret Steinbach, Investment Director für festverzinsliche Wertpapiere
Das letzte Mal, als die Fed eine Zinserhöhung vornahm, tat sie dies in Schritten von 25 Basispunkten pro Quartal. Das ist immer noch die wahrscheinlichste Vorgehensweise. Aber angesichts der Tatsache, dass die Inflation weit über dem Zielwert liegt, gibt es keinen Grund, warum die Fed ihre Möglichkeiten einschränken sollte, die Zinssätze schneller zu erhöhen, wenn es nötig ist. In seinen Kommentaren vor der Presse schloss Notenbankchef Powell nicht aus, dass die Fed die Straffung der Geldpolitik beschleunigen könnte. Er schloss auch die Möglichkeit einer Zinserhöhung in Schritten von 50 Basispunkten nicht aus.
Den Anlegern könnte in den nächsten Quartalen eine turbulente Zeit bevorstehen. Es bedarf möglicherweise nicht allzu vieler Zinserhöhungen oder einer starken quantitativen Straffung, um die Volatilität an den Aktienmärkten anzuheizen. Das Zinsteam von Capital Group ist jedoch der Ansicht, dass die US-Notenbank sich nicht wie beim letzten Zinserhöhungszyklus vom Aktienmarkt von ihrem straffen Kurs abbringen lassen wird. Wenn man auf die Jahre 2017 und 2018 zurückblickt, als die Fed die Zinsen um 175 Basispunkte anhob, hatte sie genug Spielraum für eine Kurskorrektur, nachdem die Kurse der Anlagen eingebrochen waren, weil die Inflation unter dem Zielwert lag. Das ist heute nicht der Fall.
Dies würde die Notenbank vor ein heikles Dilemma stellen. Die Fed kann kaum behaupten, dass sie ihr doppeltes Mandat (Förderung von Preisstabilität und Vollbeschäftigung) glaubwürdig erfüllt, wenn sie von ihrem restriktiven Kurs abrückt, bevor die Inflation zurückgeht.
Jede Phase der geldpolitischen Straffung kann zwar zu einer höheren Marktvolatilität führen, aber die US-Aktien könnten weiterhin durch das Gewinnwachstum unterstützt werden. Und obwohl die Bewertungen im historischen Vergleich hoch sind, sind sie in Anbetracht des aktuellen und des prognostizierten Zinsniveaus nicht exorbitant.
Ich gehe davon aus, dass die Gewinne des S&P 500 im Jahr 2022 um 8 % bis 10 % wachsen können, was angesichts der starken Erholung der Unternehmensgewinne im vergangenen Jahr immer noch eine respektable Rate ist. Darüber hinaus stellt die Inflation zwar ein Problem für die allgemeine Wirtschaftslage dar. Sie kann aber auch für das Ertragswachstum von Vorteil sein.
Jüngste Daten scheinen darauf hinzudeuten, dass die Inflation länger als erwartet anhält und die Fed in einen aggressiveren Straffungszyklus gezwungen werden könnte, als bisher erwartet. Die Geschichte zeigt zwar, dass eine straffere Geldpolitik und höhere Zinsen fast immer einen Abwärtsdruck auf die Aktienbewertungen ausüben. Was dies letztendlich für das Marktniveau bedeutet, hängt jedoch vom Gewinnwachstum ab und davon, inwieweit es einen Rückgang der Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) ausgleichen kann.
Eine Marktkorrektur ist möglicherweise nicht von Dauer
- Darrell Spence, Wirtschaftswissenschaftler
Entgegen der landläufigen Meinung hat der Markt in den Zeiträumen, die auf die ersten Erhöhungen des Leitzinses folgten, eher zugelegt. Ausnahmen bildeten die Inflationsperioden der 1970er und frühen 1980er Jahre sowie Zeiten, in denen das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 zum Zeitpunkt der ersten Straffung mehr als das 20-fache der Gewinne betrug – Zeiten, die natürlich eine gewisse Ähnlichkeit mit der heutigen Situation aufweisen.
Allerdings war die Inflation damals deutlich dramatischer und ging mit einer tiefen Rezession einher. Darüber hinaus lagen die Zinssätze in früheren Perioden mit hoher Bewertung deutlich höher. Dies ist zwar keine Garantie dafür, dass der Aktienmarkt nicht fällt, wenn die Fed die Geldpolitik strafft, aber es bietet ein wenig mehr Unterstützung als bei einigen dieser historischen Erscheinungen.
Mein Basisszenario geht davon aus, dass das US-BIP im Jahr 2022 um 2 % bis 3 % wachsen wird, da die fiskalischen Anreize zurückgefahren werden und die Geldpolitik gestrafft wird. Dieses langsamere – aber immer noch positive – Wirtschaftswachstum sollte einen Anstieg der Unternehmensgewinne unterstützen.
Auch wenn wir wahrscheinlich nicht die überdurchschnittlichen Gewinne von 2021 sehen werden, scheinen Aktienrenditen im einstelligen Bereich immer noch erreichbar zu sein, da der Markt in diesem Jahr im Einklang mit dem Gewinnwachstum oder etwas weniger als dieses steigt. Sie werden wahrscheinlich mit einer höheren Volatilität einhergehen, und wir beginnen, dies an den Märkten zu beobachten. Und obwohl eine Korrektur in keinem Jahr und in keinem wirtschaftlichen Umfeld ausgeschlossen ist, erwarten wir angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen, der Ertragsstärke und des Zinsniveaus keinen systemischen Marktrückgang.
Darrell Spence ist Volkswirt bei der Capital Group. Er hat 28 Jahre Investmenterfahrung, alle in unserem Unternehmen. Er hat einen Bachelor in Volkswirtschaft vom Occidental College. Außerdem ist er Chartered Financial Analyst® (CFA) und Mitglied der National Association for Business Economics. Spence arbeitet in Los Angeles.
Thomas Hollenberg ist ein Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere mit 15 Jahren Branchenerfahrung. Er hat einen MBA in Finanzen von der MIT Sloan School of Management und einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften vom Boston College.
Margaret Steinbach ist Investmentdirektorin Anleihen bei Capital Group. Sie verfügt über 13 Jahre Erfahrung in der Investmentbranche, davon vier Jahre bei Capital. Zuvor war Margaret Steinbach als Portfoliospezialistin bei Oaktree Capital Management beschäftigt. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Handelswissenschaften von der University of Virginia.
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