DONNER & REUSCHEL: Mumm Briefing zum Wochenausklang

Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL
Volkswirtschaft

Die entscheidenden Faktoren für die deutsche und europäische Konjunktur und die internationalen Kapitalmärkte bleiben weiter die Zins-Entwicklung, die globale Wachstumsdynamik sowie (wirtschafts-) politische Entscheidungen.

15.12.2023 | 12:10 Uhr

An den Börsen spielt die Zinsseite eine übergeordnete Rolle, während für die Konjunktur alle drei Faktoren gleich gewichtet werden können.

Bei Zinsen mit längeren Laufzeiten hat die Inflation einen entscheidenden Einfluss. In Deutschland und der Eurozone werden die Teuerungsraten im Dezember und Januar kurzfristig ansteigen. Gründe hierfür sind Basis-Effekte, die Erhöhung der CO2-Abgabe sowie die Wiederanpassung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf 19 Prozent. Werte von gut 4 Prozent in Deutschland sind erwartbar. Danach dürfte sich die Tendenz einer sinkenden Inflation fortsetzen, wenn auch mit vergleichsweise verminderter Geschwindigkeit.

Insbesondere die Komponente Energie dürfte immer wieder dafür sorgen, dass die Ausschläge der Inflationsraten nach oben oder unten größer ausfallen. Denn die für die Inflationsberechnung relevanten Durchschnitte des jeweiligen Vormonats liegen im ersten Halbjahr 2024 zwischen 70 und 80 Euro pro Barrel und damit nah an den aktuellen Notierungen.

Zinsen im Geldmarktsegment und bei kurzen Laufzeiten werden hingegen maßgeblich von der Geldpolitik beeinflusst. Hier hat sich jüngst eine Diskrepanz zwischen der US-Notenbank Fed und der EZB aufgetan. Die Fed untermauerte auf Basis der eigenen Projektionen für den Leitzins überraschend die schon länger bestehende Erwartung eines weniger restriktiven Kurses ab 2024. Möglich wären demnach drei Leitzinssenkungen, obwohl sich die US-Konjunktur und der Arbeitsmarkt bisher noch in einer robusten Verfassung befinden. Hintergrund könnte der vorhandene Stress im US-Bankensystem aufgrund hoher Bestände an nicht realisierten Bewertungsabschlägen für Wertpapiere und Kredite sein. 

Möglich ist aber auch, dass die Fed einfach rechtzeitig mit Zinssenkungen beginnen möchte, um nicht zeitlich zu nah an den Präsidentschaftswahlen im November geldpolitisch agieren zu müssen. Die Strategie erhöht jedoch die Gefahr, dass noch erhöhte Inflationserwartungen auf höheren Niveaus verankert werden könnten und die Fed daher doch länger restriktiv bleiben muss.

Die EZB wurde offensichtlich von der Fed-Entscheidung unter Erklärungsdruck gesetzt. Umso mehr musste Präsidentin Christine Lagarde im Rahmen der Pressekonferenz darauf hinweisen, dass aus ihrer Sicht noch keine konkreten Zinssenkungen absehbar sind. Es bleibt vorerst dabei, dass datenabhängig von Sitzung zu Sitzung die geldpolitische Ausrichtung festgelegt wird, bis die Erreichung des mittelfristigen Inflationsziels von zwei Prozent gesichert erscheint

Immerhin wurde die Inflations-Projektion der EZB für 2024 gesenkt und der Wiederanlagebetrag im Rahmen des PEPP-Anleihekaufprogramms wird schon ab dem zweiten Halbjahr 2024 reduziert. An den Börsen dürften dennoch die Diskussionen um den Zeitpunkt einer ersten Leitzinssenkung in der Eurozone auch im kommenden Jahr maßgeblich und immer wieder kurstreibend bleiben. 

Angesichts der ab Februar voraussichtlich weiter nachgebenden Inflationsraten und der nur schwachen Konjunkturerholung im Laufe des ersten Halbjahrs bleibt eine Zinssenkung im zweiten Quartal wahrscheinlich, zumal dann die Fed schon vorgelegt haben könnte. Der Euro dürfte vor diesem Hintergrund weiter zulegen.

Die Konjunkturdynamik in Deutschland und Europa wird sich zwar in den kommenden Monaten erholen, allerdings bleiben die Wachstumsperspektiven insgesamt schwach. 

Leichte Hoffnungsschimmer sendeten zuletzt die gestiegenen Exporte Südkoreas, die einen hohen Anteil global relevanter Vorleistungsgüter enthalten, sowie höhere Frachtraten für Schüttgüter wie Eisenerze und Kohle. Beide Komponenten stehen am Anfang der Produktionsketten und signalisieren eine künftig zunehmende Industrieproduktion. 

Auch die mit 10,1 bzw. 6,6 Prozent höheren Wachstumsraten bei den Einzelhandelsumsätzen und der Industrieproduktion Chinas im November sowie Nachrichten über eine stärkere fiskalische Unterstützung, bspw. des Immobiliensektors, lassen hoffen. Dem stehen allerdings sehr schwache Schnellschätzungen der von S&P Global erhobenen Einkaufsmanagerindizes für Dezember in der Eurozone gegenüber.

Auch die erhoffte Dynamisierung des privaten Konsums im Zuge steigender Realeinkommen wird zumindest in Deutschland etwas schwächer ausfallen, denn die jüngsten Pläne der Bundesregierung zur Haushaltskonsolidierung über verringerte Subventionen und eine Erhöhung verschiedener Abgaben bremsen die Nachfrage teilweise aus. 

Die Regierung hat damit die Chance vertan, aus dem Haushaltsdebakel einen größeren Aufbruch zu kreieren, indem man einem Kassensturz ähnlich alle Ausgaben- und Einnahmenkomponenten einer gesamtheitlichen Überprüfung und Adjustierung unterzieht. Insgesamt dürfte sich die wirtschaftliche Stabilisierung daher erst ab dem zweiten Quartal 2024 verfestigen.

Die Perspektiven für die Kapitalmärkte bleiben auch für die kommenden Monate positiv, wenngleich durch die deutlich gesunkenen Zinsen und die steigenden Aktienkurse der letzten Monate schon Potenzial für 2024 vorweggenommen wurde. Kurzfristig ist eine Konsolidierung der erhöhten Kursniveaus bei Anleihen und Aktien wahrscheinlich, bevor die Notierungen dann im weiteren Jahresverlauf 2024 mit der Aussicht auf tatsächliche Leitzinssenkungen wieder zulegen sollten.

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