Donner & Reuschel: Mumm Briefing zum Wochenausklang

Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL
Volkswirtschaft

EZB reagiert auf schwache Konjunkturaussichten, Chinas Wirtschaft hilft kaum.

18.10.2024 | 12:32 Uhr

Die EZB erwartet in den kommenden Monaten eine steigende Inflation, senkt aber trotzdem die Leitzinsen – nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Denn es ist zu offensichtlich, dass die allgegenwärtige konjunkturelle Schwäche in der Eurozone, vor allem in Deutschland, immer stärker auf das Preisniveau drückt. Die statistischen Effekte, die für eine kurzfristig höhere Inflationsrate bis zum Jahresende sprechen, dürften zumindest teilweise durch die gesamtwirtschaftliche Nachfrageschwäche kompensiert werden – zumal die Rohölnotierungen trotz der weiteren Eskalation rund um den Israel-Konflikt weiter sinken und der entsprechende Preis-Basis-Effekt vorerst neutral bis negativ bleiben wird.

Auch im Dezember sowie im kommenden Jahr sind Leitzinssenkungen wahrscheinlich, wenn auch nicht unbedingt bei jeder Sitzung. Sollte die Konjunktur nicht deutlich an Dynamik zulegen oder die Energiepreise geopolitisch bedingt anziehen, ist ein Zielniveau zwischen 2,0 und 2,5 Prozent beim Einlagensatz im Laufe des nächsten Jahres realistisch. Auch Renditen von Staatsanleihen sollten aus den genannten Gründen perspektivisch sinken und der Euro dürfte vorerst schwach tendieren.

Die heute veröffentlichten Makro-Daten aus China zeichnen das Bild einer nur schwachen konjunkturellen Belebung und dürften das Momentum der Eurozone damit nicht nennenswert erhöhen. Das Wachstum im 3. Quartal fiel mit 4,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr etwas schwächer aus als zuvor. Allerdings konnten im September sowohl die Industrieproduktion mit 5,4 Prozent, die Anlageinvestitionen mit 3,4 Prozent und die Einzelhandelsumsätze mit 3,2 Prozent stärker zulegen als im August. Die bessere Tendenz kann auf verschiedene geld- und fiskalpolitische Stimulierungsmaßnahmen der letzten Wochen zurückgeführt werden. Es bleibt jedoch dabei, dass die chinesische Volkswirtschaft unter schwerwiegenden strukturellen Problemen leidet – allen voran der anhaltenden Tendenz zu sinkenden Preisen im Immobiliensektor. Auch im September fielen die Wohnungspreise gemäß der nationalen Statistikbehörde um 5,8 Prozent verglichen mit dem Vorjahr und damit durchgehend seit mehr als zwei Jahren. Zwar kann man durch die jetzt beschlossenen Unterstützungen für unfertige und unverkaufte Häuser eine gewisse Marktbereinigung erreichen, doch fällt die Immobilienwirtschaft auf absehbare Zeit als Lokomotive der Wirtschaft aus. Da auch der Exportmotor angesichts der allgegenwärtigen Handelskonflikte stottert, müsste die chinesische Regierung den privaten Konsum stärker ankurbeln. Dieser leidet jedoch gerade unter den schwachen Immobilienpreisen sowie einer allgemein hohen Unsicherheit im Zuge der wirtschaftlichen Flaute und hoher Jugendarbeitslosigkeit. Um diese Komponente der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage weiter zu forcieren, bedarf es womöglich direkter Geldzuweisungen an Chinesinnen und Chinesen in größerem Ausmaß, wie es im Falle sehr armer Bevölkerungsschichten bereits beschlossen wurde. Zudem würde ein wieder stärkerer Fokus auf marktwirtschaftliche Prozesse zulasten staatlichen Interventionismus die Investitionsbereitschaft erhöhen. Denn es geht auch darum, eine deflationäre Spirale zu vermeiden, wie sie Japan bis vor kurzem erlebt hat. Die Kern-Inflation – ohne die Komponenten Energie und Nahrungsmittel – beträgt derzeit nur noch 0,1 Prozent, während die nominale Teuerung mit 0,4 Prozent nur leicht höher liegt. Die schwache Inflation in China wirkt indes auch in Europa inflationsdämpfend und dürfte der EZB somit weiteren Handlungsspielraum ermöglichen.

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Eva Fiedler
GFD Finanzkommunikation
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