Mit dem
Zinsentscheid der US-Notenbank Fed ist sie nun endgültig Gewissheit. Damit
stellt sich die Frage nach dem weiteren Verlauf?
- Sicher ist, dass
die Zinsen weiter sinken werden. Null- und Negativniveaus sind hingegen in
den kommenden Jahren unwahrscheinlich, denn die
Inflationsraten dürften im Mittel der kommenden Jahre höher ausfallen als
vor der Coronakrise. Strukturelle Preistreiber sind u.a. die demografische
Entwicklung und der resultierende Arbeitskräftemangel, die nachlassende
internationale Arbeitsteilung im Zuge um sich greifenden Protektionismus,
die Diversifikation von Lieferketten zur Steigerung der Resilienz, die
Transformation der Wirtschaft zur Klimaneutralität, die Ausgaben zur
Bekämpfung der Folgen des Klimawandels und zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit.
- Kurzfristig
sprechen allerdings die ausgesprochen schwache globale
Investitionsgüternachfrage sowie sinkende Energiepreie für weiter
nachgebende Teuerungsraten und damit tiefere Leitzinsen. Dabei betont die
EZB die weiterhin bestehenden Inflationsrisiken, v.a. die lohninduziert
stark steigenden Preise im Dienstleistungssektor.
- Zudem achten die Notenbanker auf die
wahrgenommene Inflation der Menschen in der Eurozone, die noch deutlich
über dem tatsächlichen Niveau von derzeit knapp über 2 Prozent liegt. Bei einem neuen angebotsseitigen
Preisschock – bspw. durch stark steigende Rohölpreise im
Zuge geopolitischer Eskalationen – könnte
die Inflationserwartung noch stärker steigen als beim letzten
Inflationshoch und die gewünschte Verankerung nahe des 2-Prozentziels
gefährden.
- Die Fed scheint die Situation
allerdings entspannter zu sehen. Anders lässt sich der initiale große
Zinsschritt um 0,50 Prozentpunkte nach unten kaum erklären. Zwar ist die
Inflationsdynamik in den USA insgesamt höher, allerdings entfällt ein
wesentlicher Teil der derzeitigen Teuerung auf die Komponente Wohnen
(„Shelter“), die in den kommenden Monaten sukzessive sinken sollte. Wenn
Fed-Präsident Jerome Powell es schafft, die Zinsen nach unten zu
schleusen, ohne eine Rezession auszulösen, könnte ihm damit Einmaliges
gelingen. Derzeit sieht es nach einer nur moderaten US-Konjunkturabkühlung
(„soft landing“) aus, allerdings sind Projektionen von Wachstum und
Inflation weiterhin mit erhöhten Unsicherheiten behaftet. So scheinen
bspw. Reaktionen an den Arbeitsmärkten langsamer zu verlaufen. Unternehmen
halten an Ihrer Belegschaft auch in wirtschaftlich schwächeren Phasen
länger fest. Zudem könnten schwer berechenbare politische Entscheidungen
zu erratischen Preisbewegungen führen, etwa über höhere Zölle.
Daher sind sowohl die EZB als auch die Fed gut beraten, auch künftig
datenabhängig vorzugehen, sich also von jeweils aktuellen volkswirtschaftlichen
Daten in ihren Entscheidungen leiten zu lassen. Anzunehmen ist, dass auch im kommenden Jahr die Leitzinsen
weiter sinken. Der neue Zinstiefpunkt bleibt allerdings vorerst ungewiss.
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