Im laufenden Jahr werden China und die USA die Wachstumslokomotiven der Weltwirtschaft bleiben. Besonders die US-Volkswirtschaft wird von enormen geld- und fiskalpolitischen Stimuli angeschoben. Bisher beläuft sich das Volumen der staatlichen Unterstützungsprogramme seit Anfang 2020 auf 5,3 Billionen USD.
07.05.2021 | 11:00 Uhr
Zusammen mit der durch Wertpapierkäufe um etwa 3,5 Billionen USD ausgeweiteten Bilanzsumme der US-Notenbank Fed und dem derzeit in den Verhandlungen befindlichen Konjunkturpaketen der US-Regierung zum Ausbau der Infrastruktur, übersteigt der gemeinsame Stimulus die Marke von 10 Billionen USD und entspricht damit etwa der Hälfte des gesamten im Jahr 2020 erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukts der USA.
Bemerkenswert
ist, dass die Fed trotz der gestiegenen Inflation (2,6 Prozent im März)
und eines aufgrund stark steigender Produktionskosten durch
Lieferengpässe für Vorprodukte, hohe Auslastungsgrade in der Industrie
sowie Energiepreisbasiseffekte weiter zunehmenden Inflationsdrucks
betont, noch nicht konkret über einen weniger expansiven geldpolitischen
Kurs nachzudenken.
Erst solle das Ziel eines hohen Beschäftigungsgrads am Arbeitsmarkt erreicht werden, um möglichst breite Bevölkerungsschichten am wirtschaftlichen Aufschwung partizipieren zu lassen. Ein zwischenzeitliches Überschießen der Inflationsraten wird bewusst in Kauf genommen, wie seit dem Strategieschwenk der US-Notenbank schön länger angekündigt.
Am US-Arbeitsmarkt zeichnet sich tatsächlich eine wieder stärkere Erholungstendenz ab. Sollten wie zuletzt monatlich knapp 800.000 Stellen neu geschaffen werden können, könnten die USA in Q1 2022 das Vorkrisen-Beschäftigungsniveau – mit einer Arbeitslosenquote von etwa 3,5 Prozent – wieder erreichen. Damit dürfte ab Herbst 2020 die Diskussion über die weitere Ausrichtung der US-Geldpolitik entflammen und die Kapitalmärkte zumindest zeitweise verunsichern.
Auch
dann ist davon auszugehen, dass die Fed nicht auf einen restriktiven
Kurs umschwenken würde, da die notwendigen staatlichen Investitionen in
Infrastruktur, das Gesundheitswesen, die Digitalisierung und die Bildung
noch jahrelang großer Investitionen bedürfen, die wohl auch mithilfe
der Notenbank über niedrige Zinsen und/oder Wertpapierkäufe refinanziert
werden müssen. Die Wahrscheinlichkeit für ein anhaltendes
Umfeld höherer Inflationsraten und gleichzeitig relativ niedriger
Zinsen, also strukturell negativer Realzinsen nimmt kontinuierlich zu.
Ein weiterer Beitrag zur Finanzierung der Investitionen erfolgt voraussichtlich über die geplanten Steuerhöhungen für Unternehmen und Menschen mit höheren Einkommen. Damit nimmt in den USA der Schwenk zu einer eher nachfrageorientierten wirtschaftspolitischen Ausrichtung immer stärkere Konturen an.
Global
wird die boomende Industrie durch teilweise zunehmende Lieferengpässe
ausgebremst. So berichten 45 Prozent der jüngst vom ifo-Institut
befragten Industrieunternehmen in Deutschland von Engpässen bei
Vorprodukten. Trotzdem ist aufgrund des anstehenden globalen Aufschwungs
weiterhin mit einer hohen Dynamik in der Industrie zu rechnen.
Unsere
Basisannahme bleibt, dass bis zum Ende des zweiten Quartals auch ein
Großteil der bestehenden Shutdown-Regelungen in Deutschland gelockert
werden können. Damit könnten betroffene
Dienstleistungsunternehmen im Zuge eines Abbaus des Konsumstaus einen
ähnlichen Aufschwung erleben wie in Q3 2020. Trotzdem wird gerade aus
den Bereichen des sozialen Konsums (Reisen, Veranstaltungen,
Beherbergung, Gaststätten u.a.) die Anzahl der Insolvenzen in den
kommenden Monaten zunehmen, nachdem die Aussetzung der
Insolvenzantragspflicht per 30. April endgültig ausgelaufen ist.
Allein
die Anzahl der Unternehmen, die im Vorjahr ohne Coronakrise
voraussichtlich Insolvenz angemeldet hätten (Insolvenzlücke), es aber
aufgrund der besonderen Schutzmaßnahmen nicht mussten, liegt bei
schätzungsweise 1.400 Unternehmen.
Da andere staatliche Unterstützungsmaßnahmen weiterbestehen (v.a. die Kurzarbeiterregelung) ist jedoch nicht von einem überbordenden Anstieg der Insolvenzen auszugehen. Zudem wird es strukturell bedingt eher kleinere Unternehmen treffen, wodurch sich die Auswirkungen auf den Kapitalmarkt in Grenzen halten sollten.
Weltweit liegt der Fokus weiter auf der Bekämpfung der Corona-Pandemie, aktuell vor allem in Schwellenländern. Die jüngst von den USA vorgeschlagene Freigabe der Patente für Corona-Impfstoffe ist aus ordnungspolitischer Sicht kritisch zu betrachten, da sich negative Anreize für kommenden Forschungsbemühungen ergeben könnten. Andererseits ist es auch aus volkswirtschaftlicher Sicht dringend erforderlich, die Impfstoffproduktion kurzfristig zu erhöhen, um auch Schwellenländern möglichst umfassende Impfkampagnen zu ermöglichen. Die Weltgemeinschaft und die mit den Impfkampagnen weit fortgeschrittenen Staaten sollten alles daran setzen, die derzeit produzierenden Unternehmen bei der Erweiterung von Produktionskapazitäten und dem Einkauf notwendiger Rohstoffe zu unterstützen.
Ihr Carsten Mumm
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