Wie erwartet verursachte das Ergebnis der Bundestagswahl kaum eine Kursreaktion an den Börsen. Ohnehin hätte wohl nur eine höhere Wahrscheinlichkeit eines rot-grün-roten Bündnisses auf Bundesebene für etwas mehr Aufsehen gesorgt.
28.09.2021 | 09:43 Uhr
Beide
jetzt wahrscheinlichen Kombinationen – „Ampel“ oder „Jamaica“ – stehen
jedoch für einen gemäßigten Kurs nahe der politischen Mitte. Allerdings
darf diese Erwartung nicht mit der Strategie eines „weiter so“
verwechselt werden, die angesichts der enormen Herausforderungen für die
neue Bundesregierung die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts, den
gesellschaftlichen Zusammenhalt und vor allem die dringend notwendigen
Weichenstellungen zum erfolgreichen Management der anstehenden
Transformation der Volkswirtschaft in die klimaneutrale und digitale
Zukunft gefährden würden.
Hinzu kommen weitere dringend anzugehende
Themen wie der demografische Wandel oder die Positionierung Deutschlands
im Zusammenspiel mit Europa auf der sich neu ordnenden geopolitischen
Bühne.
Während sich die letzte Regierung – auch getrieben durch immer
neue Krisensituationen – vornehmlich aufs Reagieren fokussierte, wird
vom künftigen Kanzler und seiner Regierungsmannschaft mehr Weitblick
gefordert, sogar bis weit über die kommende Legislaturperiode hinaus.
Es
geht darum ein Zielbild Deutschlands in einer ferneren Zukunft zu
gestalten und die wesentlichen politischen Hebel zu dessen Erreichung in
Gang zu setzen. Am Ende dieser Entwicklung muss eine vollumfänglich
nachhaltige und auf einem breit gefächerten Wissen sowie Forschung und
Innovationen basierende Volkswirtschaft erreicht werden. Es braucht
einen breiten gesellschaftlichen Konsens, um diese Vorstellung
Wirklichkeit werden zu lassen.
Zudem ist ein in allen Belangen moderner
Staatsapparat mit einer zielorientierten anstatt einer prozess- und
regelorientierten Verwaltung und Entscheidungsebene gefordert. Hierfür
ist es besonders wichtig, die junge Generation inhaltlich abzuholen und
zur aktiven Mitgestaltung zu animieren. Da gerade die FDP und die Grünen
von Jüngeren gewählt wurden, wäre eine Koalition ohne diese beiden
Parteien ein fatales Fehlsignal. Im Zusammenspiel mit etablierten
Kräften aus Wirtschaft und Politik kann die notwendige Ruck gelingen.
Doch nicht erst nach Bildung der neuen Regierung muss dieser Anspruch
gelten.
Die Parteien haben es jetzt in der Hand, wenn sie die
Koalitionsverhandlungen inhaltlich gehaltvoll, sehr zielorientiert und
zügig gestalten. Sollten sich hingegen sehr langwierige, von
parteitaktischem Kalkül gelenkte Verhandlungen ohne erkennbare und
konzeptionell nach vorn gerichtete Stoßrichtung abzeichnen, wäre das ein
nicht wünschenswertes Zeichen mangelnder Regierungsfähigkeit.
Gerade auch im Ausland wäre dies die erste Enttäuschung der dann noch gar nicht zustande gekommenen neuen Regierung, denn viele Umfragen zeigen, dass von Deutschland als größte Volkswirtschaft der Eurozone eine aktivere und gestalterische Rolle im internationalen Kontext erwartet wird.
Ihr Carsten Mumm
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