Obwohl die direkten außenwirtschaftlichen Beziehungen mit Russland und der Ukraine zusammen weniger als drei Prozent des gesamten deutschen Außenhandels ausmachen, steht Deutschlands und Europas Wirtschaft vor dem nächsten dramatischen exogenen Schock nach der Coronakrise.
01.03.2022 | 09:35 Uhr
Mit
der militärischen Eskalation des Ukraine-Konflikts und den massiven
Sanktionen vieler Staaten, könnte die gerade wieder an Fahrt
aufgenommene Erholung der Weltwirtschaft einen erneuten Rückschlag
erleiden. Schon jetzt erhöhen steigende Energiepreise die
Produktionskosten. Wichtige Vorleistungen aus der Ukraine können nicht
geliefert werden, wovon unter anderem die Automobilindustrie stark
betroffen ist. Lieferungen von zum Beispiel Erdgas, Rohöl, Kohle,
Palladium und und Seltenen Erden könnten gestoppt werden. Deutsche
Exporte nach Russland und in die Ukraine, bspw. Maschinen und Anlagen
liegen auf Eis.
Ausweichrouten für Warentransporte per Luft oder Land,
die angesichts stockender Schiffslogistik als Alternativen genutzt
wurden, wurden gekappt oder verlangsamt. Russische Schuldner werden
ausfallen, Tochtergesellschaften russischer Banken in Europa in die
Insolvenz gehen, mit ungewissen Auswirkungen für europäische Banken und
die Konsumentenstimmung dürfte leiden. Das volle Ausmaß des
wirtschaftlichen Rückschlags lässt sich derzeit noch nicht annähernd
bemessen, weil die Lage noch zu dynamisch ist. Dabei bezweifelt wohl
kaum jemand, dass diese – rein ökonomischen – Kosten in Kauf genommen
werden müssen, um der Aggression der russischen Regierung zu begegnen.
Nach wie vor besteht allerdings die Grundannahme, dass die Weltwirtschaft in den kommenden Monaten wieder an Dynamik gewinnt und der Ukraine-Konflikt diese Entwicklung nur verzögert und leicht dämpft, denn abgesehen von steigenden Energiepreisen ist die globale Wirtschaft kaum direkt betroffen.
Wichtige Wachstumstreiber wie staatliche Investitionsprogramme – in
Europa künftig wohl auch verstärkt für militärische Zwecke – ein
massiver Auftragsstau in der Industrie sowie jahrelang zurückgehaltener
privater Konsum bleiben intakt.
Entscheidend für den weiteren Verlauf des Konfliktes und vor allem für
die mittel- bis langfristig resultierenden Auswirkungen auf
gesellschaftlicher und politischer Ebene wird die Haltung der
chinesischen Regierung sein, die eigene Interessen in den Vordergrund
stellt. Offensichtlich möchte China sich derzeit weder eindeutig
auf die Seite Russlands schlagen, noch sich in die Reihe der weltweiten
Opposition gegen den russischen Feldzug eingliedern. So oder
so wird China aber die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland künftig
intensivieren und die Chance nutzen, nach einer weitgehenden
internationalen Isolation Russlands den Zugang zu russischen und
möglicherweise ukrainischen Rohstoffen und Vorleistungen zu sichern.
Auch wird die Reaktion des Westens in Peking sicher genau beobachtet, um Rückschlüsse auf das weitere Vorgehen bzgl. Taiwan abzuleiten. Putin und Xi Jinping einigt die Abneigung gegenüber dem Westen und der NATO, es dürfte sich aber um ein reines Zweckbündnis und keinen engen freundschaftlichen Kurs handeln. Trotzdem wirft diese Entwicklung ein noch kritischeres Licht auf die engen wirtschaftlichen Verflechtungen Deutschlands mit China.
Ihr Carsten Mumm
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