Wie schon in den Vormonaten enttäuschte auch die jüngste Veröffentlichung wichtiger volkswirtschaftlicher Kennzahlen in China. Sowohl die Anlageinvestitionen als auch die Industrieproduktion verloren erneut an Wachstumsdynamik.
21.09.2021 | 08:03 Uhr
Sie lagen
mit einem Wachstum in Höhe von 8,9 bzw. 5,3 Prozent (jeweils im
Vergleich zum Vorjahr) unter den Erwartungen. Regelrecht eingebrochen
aber ist der – für die chinesische Volkswirtschaft – immer wichtiger
werdende private Konsum mit einem Plus der Einzelhandelsumsätze von
lediglich 2,5 Prozent. Abgesehen vom heftigen Einbruch des Einzelhandels
im Zuge der Coronakrise Anfang 2020 ist dies der schwächste Wert seit
Jahrzehnten. Dabei war eine gewisse Abkühlung der teilweise heiß
gelaufenen Wirtschaft nach der rasanten Erholung von der
Corona-Rezession gewünscht und wurde sogar durch eine Reduktion
staatlicher Stimuli forciert.
Allerdings ist die Entwicklung der
Einzelhandelsumsätze auch Ausdruck ungewollter Bremseffekte. Einerseits
dürften zuletzt vermehrt verordnete rigorose Lockdown-Maßnahmen zur
Bekämpfung einzelner Corona-Neuinfektionsherde die Konsumlust gedämpft
haben. Zudem zeichnete sich der aktuelle Showdown rund um den drohenden
Kollaps des Immobilienentwicklers Evergrande schon seit einigen Monaten
ab, wovon viele Chinesen direkt betroffen wären. Etwa 1,4 Millionen
Menschen haben ihre bei Evergrande in Auftrag gegebene Wohnung bereits
größtenteils im Vorwege bezahlt ohne bisher die Gegenleistung erhalten
zu haben.
Da es sich bei Evergrande um ein weit verzweigtes Konglomerat
mit einem schwer überschaubaren Geflecht an Beteiligungen handelt,
stünden im Falle einer Pleite wohl diverse weitere Unternehmen vor einem
Zusammenbruch. Insgesamt ist von bis zu 3,8 Millionen potenziell direkt
betroffenen Arbeitsplätzen die Rede. Etwa 90 Prozent der rund 300 Mrd.
US-Dollar an Schulden Evergrandes wurden über Kredite bei chinesischen
Banken finanziert, wodurch Turbulenzen im Finanzsektor Chinas entstehen
könnten.
Hinzu kommen Investitionen chinesischer Privatleute an Aktien
und Anleihen sowie die Gefahr der Ansteckung weiterer
Immobilienentwickler des Landes und eine mögliche unkontrollierte
Korrektur der in den letzten Jahren deutlich gestiegenen
Immobilienpreise. Es hat sich ein ordentlicher Gegenwind
zusammengebraut, der den Einzelhandel nachvollziehbarer Weise belastet
und sogar zu einem perfekten Sturm mit erheblichen Auswirkungen auf die
internationalen Kapitalmärkte werden könnte.
Auch wenn man
offensichtlich keine Ambitionen hegt, den Konzern im Ganzen zu retten
wäre die Gefahr einer gravierenden Negativspirale im Falle eines
unkontrollierten Kollaps zu groß. Es ist davon auszugehen, dass ein
neuer „Lehman-Moment“ verhindert werden kann und die Regierung zumindest
versucht Ansteckungseffekte einzudämmen. Die Verunsicherung dürfte
allerdings noch mindestens einige Tage anhalten, zumindest bis klar ist,
ob die am Donnerstag fälligen Zinszahlungen auf Evergrande-Anleihen
bedient werden können. Das Wachstum dürfte sich in China im Vergleich zu
den letzten Quartalen deutlich abkühlen.
Ihr Carsten Mumm
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