Während es kaum einen direkten Zusammenhang zwischen höherem Wachstum und höheren Anlagerenditen auf Schuldtitel aus Schwellenländern gibt, ist ein schnelleres Wirtschaftswachstum (gemessen am Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP)) tendenziell mit stärkeren finanzpolitischen und externen Kreditindikatoren verbunden.
01.07.2021 | 09:38 Uhr
Es sorgt in der Regel auch für eine stabilere politische Situation, die wiederum notwendige wirtschaftliche Reformen möglich macht. Ein stärkeres Wirtschaftswachstum kann darüber hinaus zu höheren Zinssätzen führen und damit ausländisches Kapital anlocken.
Der jüngste World Economic Outlook des Internationalen
Währungsfonds (IWF) zeigt den Unterschied zwischen den vor Corona und
den aktuell für 2024 prognostizierten BIP-Niveaus. Mit anderen Worten,
er zeigt, wie viel Produktion während der Coronakrise verloren gegangen
ist, und hebt die signifikanten Abweichungen zwischen den verschiedenen
Regionen der Welt hervor. Beispielsweise fällt die BIP-Prognose der USA
für 2024 nach Corona höher aus als vor Corona.
Aber noch wichtiger ist, dass er den Unterschied beim Wachstum zwischen den entwickelten Märkten und den Schwellenländern zeigt. Mit Ausnahme der europäischen Schwellenländer erlebten die meisten anderen Schwellenländer während Corona erhebliche Produktionsverluste. Im Allgemeinen haben die aufstrebenden Volkswirtschaften durch die Pandemie etwa 12 bis 14 Monate an Wachstum verloren, die entwickelten Volkswirtschaften hingegen nur 6 bis 8 Monate.
Die OECD führte eine ähnliche Studie für das BIP pro
Kopf durch, die zeigt, dass die USA und Korea etwa 18 Monate nach
Ausbruch des Coronavirus wieder ein Niveau des Pro-Kopf-Einkommens wie
vor der Pandemie erreichen werden. Es wird allgemein erwartet, dass
Europa dieses Niveau in 2 bis 3 Jahren erreichen wird, während viele
Schwellenländer, darunter Mexiko und Südafrika, voraussichtlich 3 bis 5
Jahre brauchen werden.
Inländische geldpolitische und finanzpolitische Unterstützung: Die Unterschiede im Ausmaß der wirtschaftlichen Erholung werden anhand der Fähigkeit der einzelnen Regierungen bestimmt, die Arbeitskräfte und Unternehmen zu unterstützen, die stärker unter der Pandemie leiden. Entwickelte Volkswirtschaften waren im Großen und Ganzen in der Lage, Haushalten und Unternehmen starke finanzielle Unterstützung zu bieten, und die Zentralbanken unterstützten ihre Volkswirtschaften durch Anleihenkaufprogramme und andere Formen expansiver Geldpolitik. Auch einige Schwellenländer konnten finanzpolitische und geldpolitische Unterstützung bieten (zum Beispiel China), im Allgemeinen war das Unterstützungsniveau jedoch niedriger als in den Industrieländern.
Impfkampagnen und Eindämmungsmaßnahmen: Jene
Länder, die schnell Impfprogramme eingeführt haben, und jene, die die
Ausbreitung der Pandemie durch effektive Strategien für die öffentliche
Gesundheit kontrollieren, erleben allgemein eine schnellere
wirtschaftliche Erholung. In vielen Schwellenländern geht die Einführung
von Impfprogrammen nur langsam voran und viele erleben erneute
Ausbrüche.
Der IWF hebt die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von
Impfstoffen in den Schwellenländern sowie die Tatsache hervor, dass
Lockdown- und Eindämmungsmaßnahmen in diesem und im nächsten Jahr noch
häufiger erforderlich sein werden, was die Wahrscheinlichkeit
„mittelfristiger Narbeneffekte auf die potenzielle Produktion dieser
Länder“ erhöht.
Im Vergleich dazu erholten sich die Schwellenländer in der Zeit nach der globalen Finanzkrise relativ schnell, während die Industrieländer mit größeren Narben hinterherhinkten. Zwar stimmen wir bezüglich dieser Faktoren mit dem IWF überein, wir glauben aber, dass weniger strenge Mobilitätseinschränkungen in Schwellenländern auch helfen können, die dortigen Rezessionen abzumildern, insbesondere wenn bald Impfstoffe bereitgestellt werden können.
In Asien wurde das Virus durch frühzeitiges und rigoroses Vorgehen eingedämmt. Insbesondere China hat eine relativ schnelle Erholung seiner Wirtschaftsaktivität erlebt und dürfte von einem fundamentalen und technischen Rückenwind profitieren. Angesichts des intraregionalen Handels Chinas und als wichtiger Verbraucher von Rohstoffen wirkt sich seine schnelle Erholung auch positiv auf die Schwellenmärkte aus.
Dominante Branche: Ein weiterer wichtiger Faktor
besteht darin, wie abhängig Länder von Sektoren sind, die von der
Pandemie negativ betroffen sind. Auf Tourismus basierende
Volkswirtschaften haben angesichts der langsamen Normalisierung des
grenzüberschreitenden Reiseverkehrs allgemein zu kämpfen. Die weltweite
Nachfrage nach Öl zeigt nach dem Rekordeinbruch in der ersten Hälfte des
Jahres 2020 Anzeichen einer Erholung, es kann aber noch eine Weile
dauern, bis das Niveau von 2019 wieder erreicht ist. Zwar erwarten wir,
dass die Preise von Rohstoffen wie Eisenerz und Kupfer steigen werden,
gehen aber nicht davon aus, dass dieser Rohstoffzyklus so stark sein
wird wie jener nach der Finanzkrise im Jahr 2008.
Jener Zyklus wurde von einem enormen Bauboom in China befeuert, der sich dieses Mal wahrscheinlich jedoch nicht in diesem großen Umfang wiederholen wird. Verbraucher haben seit Beginn der Pandemie im Allgemeinen mehr für Waren und weniger für Dienstleistungen ausgegeben. Länder, die an Lieferketten für Pharmazeutika, medizinischen Bedarf und IT-Materialien beteiligt sind, haben profitiert. Trotz der politischen Rhetorik bezweifeln wir, dass es zu einer umfangreichen Verlagerung von Lieferketten aus den Entwicklungsländern kommen wird. Die jüngsten Daten zum verarbeitenden Gewerbe unterstützen diese Ansicht.
Nutznießer der weltweiten Konjunkturmaßnahmen: Die Schwellenländer scheinen durch steigende Exporte nun vom Rückenwind der Anreizmaßnahmen Chinas, der USA und der übrigen entwickelten Märkte zu profitieren. Wie das Diagramm unten zeigt, werden die Auswirkungen des US-Konjunkturpakets dem Schwellenmarktwachstum wahrscheinlich einen bedeutenden Schub verleihen, aber nicht alle Schwellenländer werden gleichermaßen profitieren. Mexiko, Brasilien und China dürften am meisten von einem Anstieg der US-Importnachfrage profitieren. Die BIP der großen, weniger offenen aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens (z. B. Indonesien) werden im Allgemeinen nicht so stark von größeren Handelsvolumina profitieren. Die Erholung dieser Länder hängt stark vom Impffortschritt und/oder vom Erreichen der Herdenimmunität ab, was beides nur langsam vorangeht.
Das Risiko für Schwellenländer besteht darin, dass die Erholung des
globalen Wachstums so stark ist, dass die Geldpolitik gestrafft wird,
bevor die Erholung auch in den aufstrebenden Volkswirtschaften Fuß
fassen konnte. Die antizyklische Fiskalpolitik könnte in vielen
asiatischen Schwellenländern zudem erst gegen Ende des Jahres greifen
und vermutlich intensiviert werden, wenn der Corona-Schock abklingt.
Dies könnte zwar den Rückenwind durch das starke globale Wachstum
verringern, wir erwarten aber keine Wiederholung des „Taper Tantrums“,
wie wir es 2013 erlebt haben. Damals überhitzten die aufstrebenden
Volkswirtschaften und wiesen erhebliche externe Schwachstellen auf.
Obwohl die Staatsausgaben und -schulden seitdem gestiegen sind, hat die Verlagerung hin zu Schuldtiteln in Landeswährung und Schuldtiteln mit längeren Laufzeiten dazu beigetragen, die Abhängigkeit von kürzerfristigen ausländischen Kapitalströmen in die Schwellenländer zu reduzieren. Mit einer höheren Schuldenlast sind Risiken verbunden, jedoch waren internationale Kapitalmärkte generell offen für Schwellenländer, unterstützt durch die Nachfrage der Anleger nach höher rentierlichen Vermögenswerten, da sie auch für Unternehmen aus Schwellenmärkten offen waren.
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