Ab Januar 2021 soll die BaFin die Aufsicht über Finanzanlagenvermittler übernehmen. Rechtsanwalt Dr. Christian Waigel kann den Gesetzesvorstoß nicht nachvollziehen und hält die Umsetzung für schwierig.
19.02.2020 | 07:30 Uhr
Herr Dr. Waigel, heute trifft sich das Bundeskabinett, um über einen Referentenentwurf zu beraten, der vorsieht, dass sich Vermittler und Berater mit einer Erlaubnis nach § 34f Gewerbeordnung (GewO) ab Januar 2021 bei der BaFin registrieren lassen müssen. Die BaFin übernimmt ab diesem Zeitpunkt die Aufsicht. Bisher war das die Aufgabe der örtlichen IHKs. Die Bundesregierung verspricht sich von diesem Schritt eine Verbesserung des Verbraucherschutzes. Kann das geplante Gesetz das leisten?
Christian Waigel: Eine Vereinheitlichung der Aufsicht könnte eine Verbesserung sein. Theoretisch. Aber der Gesetzesentwurf ist nicht zu Ende gedacht. Denn was bedeutet denn eine Übertragung der Aufsicht auf die BaFin in der Praxis? Die BaFin ist eine hoch spezialisierte Finanzaufsichtsbehörde, die derzeit rund 3.000 Finanzinstitute beaufsichtigt. Künftig soll sie zusätzlich für rund 38.000 Vermittler zuständig sein. Es ist noch überhaupt nicht geklärt, wie sie das leisten soll.
Es heißt, die Behörde baue gerade die Kapazitäten auf. Zweifeln Sie an der Umsetzbarkeit?
Christian Waigel: Es geht nicht nur um Kapazitäten und Manpower. Das allein ist ja schon eine gewaltige Herausforderung für eine zentrale Behörde, die von Frankfurt aus jetzt Finanzvermittler in ganz Deutschland bis ins kleinste Dorf überwachen soll. Die BaFin wird regionale Partner brauchen, die ihr bei der Umsetzung helfen. Da Wirtschaftsprüfer laut Referentenentwurf explizit ausgeschlossen sind, ist noch völlig offen, wer diese Partner sein sollen. Daran anknüpfend ergibt sich die nächste Frage: Es geht auch darum, bei der BaFin in kürzester Zeit die entsprechende Kompetenz für die Beaufsichtigung der Finanzanlagenvermittler aufzubauen.
An Expertise mangelt es in der BaFin ja nicht. Wer, wenn nicht die deutsche Finanzaufsicht, soll das Know-how haben, das rechtmäßige Wirken von Finanzberatern zu beurteilen?
Christian Waigel: Natürlich arbeiten bei der BaFin hervorragende, gut ausgebildete Spezialisten. Sie benötigen für die Beaufsichtigung von Zehntausenden von selbständigen Vermittlern aber keine versierten Experten, die sich normalerweise mit der Aufsicht großer Finanzinstitute befassen. Die Durchsicht von Beratungsprotokollen und WpHG-Bögen ist kein Job für hochspezialisierte Finanz-Squad-Teams. Hier stimmt die Verhältnismäßigkeit nicht. Man lässt ja auch nicht jeden Gebrauchtwagenhändler von der UNO überwachen.
Aber die Vereinheitlichung der Aufsicht ist doch wünschenswert, oder?
Christian Waigel: Vereinheitlichung muss ja nicht Zentralismus bedeuten. Es ist doch so: Geschätzte 99 Prozent der Finanzberater arbeiten irgendwo auf dem Land. Da, wo es oft schon keine Sparkasse und Volksbank mehr gibt und die Menschen trotzdem Finanzberatung suchen. Deshalb macht es Sinn, bei der Aufsicht auf regionale Strukturen mit Ansprechpartnern vor Ort zu setzen. Es ist ganz eindeutig ein regionales Thema. Und die IHKs und Gewerbeämter vor Ort machen hier bereits einen guten Job. Eine Bundesbehörde nun damit zu beauftragen, macht überhaupt keinen Sinn. Zumal es auch gar keinen Anlass dafür gibt. Das bisherige System wurde ja erst 2013 eingeführt und hat sich bewährt. Es gibt keine Beschwerden aus der Praxis, weder von Verbrauchern noch von Vermittlern noch von Gewerbeämtern. Die Struktur, die jetzt gut funktioniert, wird zerstört, um etwas komplexes Neues aufzubauen, von dem niemand weiß, wie es funktionieren soll.
Es heißt, es sollen neue IT-Lösungen geschaffen werden. Die Regierung will auf mehr Automatisierung setzen. Ist das nicht eine sinnvolle Verschlankung der Strukturen?
Christian Waigel: Reden wir jetzt von Verschlankung oder von Verbraucherschutz? Mal abgesehen davon, dass mir bis jetzt keine Softwarelösung bekannt ist, die die Aufgaben der BaFin in diesem Bereich sinnvoll unterstützt, bedeutet mehr Automatisierung doch keinen Fortschritt beim Verbraucherschutz. Wenn man das ernsthaft wollte, wäre es doch sinnvoller, die regionalen Strukturen zu stärken, um vor Ort mehr Zugriff zu haben, anstatt die Aufsicht zentral in Frankfurt anzusiedeln.
Nun ja, eine Vereinheitlichung der Aufsicht ist ja das Ziel der Regierung. So steht es im Koalitionsvertag. Was ist daran verkehrt?
Christian Waigel: Das Paradoxe daran ist, dass es gar keine Vereinheitlichung ist. Es gibt viele Finanzberater, die nicht nur Fonds, sondern auch Versicherungen vermitteln. Diese Berater sollen künftig, wenn es um die Fondsvermittlung geht, zentral von der BaFin beaufsichtigt werden. Und wenn es um die Vermittlung von Versicherungen geht, ist nach wie vor die örtliche IHK oder das Gewerbeamt zuständig. Mit Vereinheitlichung hat das nichts zu tun. Zudem sollten die Tätigkeiten eines Finanzvermittlers doch besser von einer Instanz überwacht werden. Die Trennung von 34f und 34d macht hier wirklich keinen Sinn. Zumal die Aufsicht ja auch nicht effizienter oder kostengünstiger wird. Im Gegenteil. Die Stellen bei den IHKs und den Gewerbeämtern, die jetzt für § 34f- und § 34d-Vermittler zuständig sind, werden ja nicht aufgelöst, wenn die § 34f-Aufsicht an die BaFin geht. Die Aufsicht für die Versicherungsvermittler bleibt ja vor Ort. Das ist, mit Verlaub, auch kein Beitrag des Gesetzgebers zur Entbürokratisierung des Landes.
Herr Dr. Waigel, vielen Dank für dieses Gespräch.
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„Es gibt keinen Grund für einen Wechsel der 34f-Aufsicht“ - Interview mit Norman Wirth, Vorstand des Bundesverbandes Finanzdienstleistung AfW.
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