2014: Schwellenländer kommen zurück

Viele Anleger entzogen im zu Ende gehenden Jahr den Schwellenländern ihr Vertrauen. FundResearch lässt Experten zu Wort kommen, die den Blick ins neue Jahr wagen.

30.12.2013 | 06:45 Uhr von «Patrick Daum»

„Safe Haven“ – das waren die Märkte der Schwellenländer während der Finanzkrise für viele Anleger. Insbesondere die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) galten als Wachstumsmotor der Weltwirtschaft. In diesem Jahr zeigten sich die Anleger enttäuscht von der zuletzt anhaltend schwachen Entwicklung. Aktien, Anleihen und Währungen der Emerging Markets litten unter starken Verkaufswellen. Die Peergroup „Aktienfonds Emerging Markets“ des FINANZEN FundAnalyzer (FVBS) fiel 2013 per Ende November um 2,7 Prozent. Zum Vergleich: Deutsche Aktienfonds stiegen durchschnittlich um rund 23 Prozent. Rentenfonds der Schwellenländer verloren im Schnitt 8,8 Prozent und die indische Rupie wertete um 14,5 Prozent gegenüber dem Euro ab. Kein gutes Jahr für die Schwellenländer.

Natixis: Hochzinsanleihen bieten Puffer

„Jetzt sollten Anleger langsam einen Blick auf die aufstrebenden Märkte werfen“, rät Jörg Knaf, Managing Director Nordeuropa bei Natixis Global Asset Management: „Denn nicht nur Aktien, sondern auch Unternehmensanleihen – insbesondere mit guter Bonität – sind in Bezug auf die Industrieländer günstig bewertet.“ Seine Kollegin Brigitte Le Bris, Leiterin globale Anleihen- und Devisenmärkte bei Natixis, wundert sich, dass Anleger den wirtschaftlichen Aufschwung der Schwellenländer ignorieren: „Das Wirtschaftswachstum ist momentan doppelt so hoch wie in den Industriestaaten. Die Verschuldung ist jedoch, bezogen auf das BIP, um die Hälfte niedriger als in den etablierten Volkswirtschaften.“ Zudem verfügten die meisten Schwellenländer über umfangreiche Devisenreserven und hätten deshalb mehr Spielraum, um auf Mittelabflüsse umgehend reagieren zu können. Aus diesen Gründen sieht Le Bris aussichtsreiche Anlagechancen in den Emerging Markets: „Wir halten derzeit Hochzinsanleihen der Schwellenländer für attraktiv, weil diese Papiere bei steigenden US-Zinsen für Anleger einen gewissen Puffer bieten dürften.“

BNP: China wird seine Probleme angehen

Auch die französische Fondsgesellschaft Financière de l’Echiquier schaut optimistisch auf die Schwellenmärkte: „Im nächsten Jahr dürften wir ein Wiedererstarken der Emerging Markets als Investmentthema beobachten können“, erwartet Pierre Puybasset, Sprecher des Fondsmanagements. Besonders für China seien die Aussichten positiv. „Neben vernünftig bewerteten Märkten wird die asiatische Lokomotive von beschleunigten politischen Reformen und steigendem Konsum profitieren.“ Dem schließt sich Reinhold Knaus, Senior Economist und Portfoliomanager bei BNP Paribas Investment Partners an: „China scheint den Willen zu haben, endlich seine Probleme anzugehen: Demografie, Umverteilung, Eigentumsrecht.“ Eine starke Beschleunigung des dortigen Wirtschaftswachstums erwartet er zwar nicht. „Dennoch wird es positiv sein, da der Wachstumsprozess nachhaltig ist.“ Insgesamt ist Knaus konstruktiv für die Schwellenländer. „Sie normalisieren sich vermehrt“, sagt er im Gespräch mit FundResearch. Trotzdem geht der Volkswirt davon aus, dass sie im kommenden Jahr weniger stark zur Wachstumsbeschleunigung der Weltwirtschaft beitragen werden als die Industriestaaten.

State Street: Länder mit wenig Reformkraft meiden

Auch bei der HypoSwiss Private Bank, einer Tochter der St. Galler Kantonalbank, sieht man erste Zeichen einer konjunkturellen Wiederbelebung: „Die Überraschungseffekte werden eher auf der positiven Seite liegen und die Aktien sind im langjährigen Vergleich günstig bewertet“, sagt Chief Investment Officer Thomas Stucki. „Die Anleger werden wieder vermehrt Anlagen in den Schwellenländern vornehmen.“ Polly Kwan, Fondsmanagerin bei Fidelity Worldwide Investment, setzt ebenfalls auf Schwellenländer-Aktien: „Ich erwarte, dass 2014 exportorientierte Unternehmen aus ganz Asien von der anziehenden Konjunktur in den Industrieländern profitieren werden.“ Sie erwartet ein Wirtschaftswachstum von rund sechs Prozent in der asiatisch-pazifischen Region. Rick Lacaille, Global Chief Investment Officer bei State Street Global Investors empfiehlt, bei Investitionen auf die Länderallokation zu achten: „Anleger sollten Länder mit wenig Reformkraft meiden.“ Denn Schwellenländer seien in besonderer Weise von politischen Entscheidungen im In- und Ausland getrieben. Insgesamt ist er aber positiv: „Sowohl Renten als auch Aktien haben im kommenden Jahr Raum nach oben.“ Auf den Rentenmarkt setzen auch die Experten die Berenberg Bank: „Anleihen aus den Emerging Markets in Hartwährungen bleiben hinsichtlich des Renditevorteils attraktiv. Insgesamt dürfte der Finanzierungbedarf von Staaten und Unternehmen der Schwellenländer stabil bleiben oder sogar leicht abnehmen. Die Kreditwürdigkeit sollte intakt bleiben.“

Mobius: Globale Unternehmenspräsenz verlagert sich

Einen traditionell optimistischen Blick auf die Emerging Markets hat Mark Mobius, Schwellenländer-Koryphäe bei Franklin Templeton Investment. Auch ein schlechtes Jahr wie 2013 ficht ihn nicht an.  „Die meisten Anleger sind sich möglicherweise gar nicht im Klaren, welchen Einfluss die Schwellenmärkte auf die Weltwirtschaft haben“, erläutert er. „Es siedeln sich immer mehr Großkonzerne dort an und dieser Trend wird sich meiner Meinung nach fortsetzen.“ Einige der größten Börsengänge seien in den Schwellenländern vonstattengegangen. „Heute sind drei Viertel der 8.000 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von einer Milliarde US-Dollar oder mehr in Industriestaaten ansässig“, weiß der Experte. Laut einer Studie könnten in weniger als einem Jahrzehnt 7.000 neue Unternehmen in der ganzen Welt diese Größe erreichen. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden dann 70 Prozent davon in den Schwellenländern angesiedelt sein.“ Dies führe zu einer enormen Verlagerung der globalen Unternehmenspräsenz und zu interessanten Verästelungen, die Anleger nicht vernachlässigen sollten. Bereits heute hätten Schwellenmarktaktien einen Anteil von 35 Prozent am Gesamtmarkt. „Meiner Meinung nach verpassen Anleger attraktive Anlagechancen, wenn sie es versäumen, diese Trends zu erkennen und ihren Anlagehorizont entsprechend zu erweitern.“ Mobius‘ Kollege Tom Wu, Portfoliomanager bei Franklin Templeton, stimmt ihm zu: „Es gibt viele unterbewertete, gut geführte, starke und wachsende Schwellenländerunternehmen. Sie haben unseres Erachtens das Potenzial, langfristig hohe Erträge zu erzielen.“ Insbesondere konsumabhängige Firmen, etwa aus den Sektoren Dienstleistungen, langlebige Konsumgüter sowie Lebensmittel und Getränke seien attraktiv. „Das Pro-Kopf-Einkommen in den Schwellenländern nimmt allgemein zu und diese Unternehmen sind gut aufgestellt, um von diesem Trend potenziell zu profitieren.“

Schwellenländer-Währungen: Deutliche Abwertungen zum Euro

Quelle: FINANZEN FundAnalyzer (FVBS)

 

Entwicklung von Aktien- und Rentenfonds der Schwellenländer seit der Finanzkrise

Quelle: FINANZEN FundAnalyzer (FVBS)

(PD)

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