AB Anleihenausblick: Die Aussicht aus höheren Lagen
Gute Nachrichten für Anleihenanleger: Die Renditen werden wahrscheinlich noch länger höher bleiben. Wie man das Beste aus diesem Umfeld machen kann.13.10.2023 | 07:35 Uhr
Zaghafte Erhöhungen? Oder eine Pause der „Falken“? Anleihenanleger haben Schwierigkeiten, sich in der heutigen Wirtschaftslage zurechtzufinden, und viele zögern noch immer, weniger als ein Jahr nach den schlechtesten Erträgen aller Zeiten, auf den Anleihenmarkt zurückzukehren. Die jüngste Volatilität hat die Anleger nur noch mehr verunsichert. Warum also sind diese Bedingungen unserer Meinung nach ein guter Einstiegspunkt?
Zinsen bleiben länger höher, nicht für immer
Die Zentralbanken standen im September im Rampenlicht: Die
Europäische Zentralbank hob die Zinsen zum wahrscheinlich letzten Mal in
diesem Zyklus an, die Bank of England blieb nach 14 Erhöhungen in Folge
erstmals wieder untätig, und die Federal Reserve pausierte, während sie
gleichzeitig zwei für 2024 geplante Zinssenkungen aus ihrem viel
beachteten „Dot Plot“ strich.
Trotz eindeutiger Anzeichen dafür, dass die Zentralbanken ihre
Zinserhöhungszyklen wahrscheinlich abgeschlossen oder fast abgeschlossen
haben, sind die Renditen weltweit weiter gestiegen und befinden sich
nun auf zyklischen Höchstständen. Wir sind der Meinung, dass diese
Entwicklung zum Teil auf markttechnische Faktoren, wie zum Beispiel das
zunehmende Angebot an Staatsanleihen, und zum Teil auf die
geldpolitischen Leitlinien zurückzuführen ist. Daher könnte es noch
einige Zeit dauern, bis die Zentralbanken ihre Maßnahmen umkehren und
mit der Lockerung beginnen. Folglich werden die Leitzinsen – und die
Anleihenrenditen – wahrscheinlich noch länger höher bleiben.
Länger höher bedeutet aber nicht für immer höher. Unserer Ansicht nach
werden die Renditen im Zuge der Verlangsamung der Konjunktur nach unten
tendieren. Jede Kombination von Faktoren wie die anhaltende
Verlangsamung der Inflation, die Verlangsamung des Arbeitsmarktes oder
ein anhaltender US-Autostreik könnte die Konjunktur zum Erliegen
bringen, die Renditen senken und die Anleihenkurse in die Höhe treiben.
Bis dahin sind hohe Renditen gut für die Anleger, denn auf lange Sicht
wird der größte Teil des Ertrages einer Anleihe durch ihre Rendite
erzielt.
Kreditbedingungen lassen vorsichtigen Optimismus zu
Natürlich dürften auch anhaltend höhere Zinsen letztlich zu einer
Wende im Kreditzyklus führen. Die Zinserhöhungen belasten bereits die
Aktivität in vielen Sektoren. Die privaten Haushalte haben ihre während
der Pandemie angesammelten Ersparnisse fast aufgebraucht. Die
Verschuldung nimmt schleichend zu. Und die Zinsabdeckung – das
Verhältnis zwischen dem EBITDA eines Unternehmens und seinen gesamten
Zinszahlungen – beginnt zu sinken.
Da die Fundamentaldaten der Unternehmen jedoch von einer historisch starken Position aus starteten (Abbildung),
rechnen wir nicht mit einem Tsunami von Zahlungsausfällen und
Herabstufungen von Unternehmen. Wir sind sogar der Meinung, dass sowohl
Staatsanleihen als auch bonitätssensible Sektoren heute in den
Portfolios eine Rolle spielen sollten.
Strategien für das aktuelle Umfeld
Unserer Ansicht nach können Anleihenanleger im heutigen Umfeld
erfolgreich sein, wenn sie eine ausgewogene Vorgehensweise wählen und
diese Strategien anwenden:
1. Investieren Sie. Wir haben in letzter Zeit
beobachtet, dass viele Anleger, obwohl sie davon ausgehen, dass die
Renditen im nächsten Jahr unverändert bleiben oder sinken werden,
Anleihen untergewichten und sich nur unzureichend in Durationen und
Bonität engagieren, dafür aber stark der Volatilität des Aktienmarktes
ausgesetzt sind. Wir halten das für ein gefährliches Spiel. Die Chancen,
Ihre Anlageziele über einen vernünftigen Zeitraum zu erreichen, sind
viel schlechter, wenn Sie nicht voll investiert sind.
Wenn Sie statt in Anleihen immer noch in Bargeld oder
Bargeldäquivalenten geparkt sind, entgehen Ihnen die täglichen Erträge,
die höher verzinsliche Anleihen einbringen. In der Tat sind die
Gesamteinkommen so hoch wie seit 16 Jahren nicht mehr. Am 27. September
bot der globale Markt für hochverzinsliche Anleihen beispielsweise eine
durchschnittliche Rendite von 9,4 %, verglichen mit 5,6 % für
dreimonatige US-Schatzbriefe. Denken Sie daran, dass die Erträge von
Anleihen langfristig hauptsächlich aus den Ausschüttungen resultieren.
Hinzu kommt, dass sich die Märkte schnell bewegen, was ein Markt-Timing
nahezu unmöglich macht. Sobald sich das Blatt wendet, strömen die auf
der Strecke gebliebenen Barmittel zurück auf den Markt und treiben die
Renditen rasch nach unten und die Kurse nach oben.
Unserer Meinung nach ist es sinnvoller, in diesem Umfeld frühzeitig
einzusteigen – sich hohe Anfangsrenditen zu sichern und eine gewisse
kurzfristige Volatilität in Kauf zu nehmen, während die Märkte auf
Wirtschaftsmeldungen reagieren –, als das Risiko einzugehen, zu spät
einzusteigen.
2. Verlängern Sie die Duration. Wenn die Duration Ihres
Portfolios, also die Zinsempfindlichkeit, in Richtung des ultrakurzen
Endes tendiert, sollten Sie eine Verlängerung der Duration Ihres
Portfolios in Betracht ziehen. Wenn die Inflation zurückgeht, die
Konjunktur sich verlangsamt und die Zinsen sinken, wirkt sich die
Duration tendenziell positiv auf die Portfolios aus. Dann sollten Sie
taktisch vorgehen und das durchschnittliche Zinsengagement des
Portfolios leicht reduzieren, wenn die Zinsen sinken, und es leicht
erhöhen, wenn die Renditen steigen. Staatsanleihen, die einfachste
Quelle für Duration, bieten zudem reichlich Liquidität und helfen, die
Volatilität der Aktienmärkte auszugleichen.
3. Auch Bonitätsrisiken eingehen. Die Renditen von
Risikoanlagen sind heute so hoch wie seit Jahren nicht mehr, was
einkommensorientierten Anlegern eine lang erwartete Chance bietet, ihre
Speicher aufzufüllen. „Spread-Sektoren“ wie
Investment-Grade-Unternehmensanleihen, hochverzinsliche
Unternehmensanleihen und verbriefte Vermögenswerte – einschließlich
Credit-Risk-Transfer-Securities – können auch als Puffer gegen Inflation
dienen, indem sie einen größeren aktuellen Einkommensstrom bieten.
Anleger sollten jedoch wählerisch sein und auf die Liquidität achten.
Unternehmensanleihen mit CCC-Rating (insbesondere in zyklischen
Branchen), Staatsanleihen von Schwellenländern mit niedrigerem Rating
und verbriefte Schuldtitel mit niedrigerem Rating sind bei einem
Konjunkturrückgang am anfälligsten. Umgekehrt bieten hochverzinsliche
Anleihen mit kurzer Laufzeit dank einer inversen Zinskurve höhere
Renditen und ein geringeres Ausfallrisiko als längere Anleihen. Die
sorgfältige Auswahl von Wertpapieren bleibt entscheidend.
4. Achten Sie auf Balance. In der Spätphase eines
Kreditzyklus kann es sinnvoll sein, das richtige Gleichgewicht zwischen
Zins- und Bonitätsrisiken zu finden. Zu den effektivsten Strategien
gehören solche, die Staatsanleihen und andere zinsempfindliche Anlagen
mit wachstumsorientierten Anleihen in einem einzigen, dynamisch
verwalteten Portfolio kombinieren. Dieser Ansatz kann Managern helfen,
das Zusammenspiel der Risiken in den Griff zu bekommen und besser zu
entscheiden, in welche Richtung sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt
orientieren sollten.
Korrelierte Kursverluste bei Staatsanleihen und Unternehmensanleihen
waren in den letzten 30 Jahren außerordentlich selten. Doch selbst wenn
die beiden Arten von Vermögenswerten gleichzeitig fallen, kann eine
zweipolige Strategie helfen, den Schaden zu minimieren. Diejenigen, die
zins- und bonitätssensible Vermögenswerte in separaten Portfolios
halten, könnten in solchen Situationen versucht sein, beides zu
verkaufen und die Verluste somit festzuschreiben.
5. Erwägen Sie einen aktiven systematischen Ansatz. Das
heutige Umfeld höherer Zinsen und schwieriger Konjunkturbedingungen
bietet auch mehr Chancen in Form höherer potenzieller realer Erträge und
einer aktiven Auswahl von Anleihen. Wir sind davon überzeugt, dass
systematische Ansätze für festverzinsliche Anlagen, die in hohem Maße
anpassungsfähig sind, Anlegern helfen können, diese Chancen zu nutzen.
Da systematische Ansätze von verschiedenen Wertentwicklungsfaktoren
abhängen, werden sich ihre Erträge wahrscheinlich von denen
traditioneller aktiver Strategien unterscheiden – und diese ergänzen.
Genießen Sie die Aussicht von höheren (Rendite-)Lagen
Aktive Anleger sollten wendig bleiben und sich darauf vorbereiten, schnell wechselnde Bewertungen und flüchtige Zeitfenster für Chancen im weiteren Jahresverlauf zu nutzen. Vor allem aber sollten sich Anleger von der Auswechselbank bewegen und voll in die Anleihenmärkte einsteigen, um von den heutigen hohen Renditen und potenziellen Erträgen zu profitieren. Schließlich ist die Aussicht hier oben kaum zu überbieten.
In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.
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