AB: Europa-Anleihen - Strategien für ein Nullzins-Umfeld
Da die quantitative Lockerung (Quantitative Easing, QE) in der Eurozone wieder anlaufen soll, dürften extrem niedrige oder negative Zinsen auf absehbare Zeit anhalten.14.08.2019 | 13:16 Uhr
In diesem Umfeld glauben wir, dass ein selektiver Ansatz und ein flexibles Management der Schlüssel zu lohnenden Erträgen bei festverzinslichen Wertpapieren sind. Eine sorgfältige Auswahl der Wertpapiere kann dazu beitragen, Verluste durch Ausfälle zu vermeiden und die Gewinne durch die Identifizierung fehlgepreister Anleihen zu steigern.
Dynamisches Management kann einen Mehrwert schaffen, indem es schnell auf Preisdivergenzen an den Märkten reagiert. In der Eurozone, wo sowohl Renditen als auch Spreads auf niedrigem Niveau verharren dürften, scheint flexibles Management seinen Vorteil eingebüßt zu haben.
Wir sind jedoch der Meinung, dass der Nachrichtenfluss weiterhin die Kursentwicklung dominieren und Chancen für agile Anleger bieten wird. Tatsächlich könnten die Märkte des Euroraums mit ihren hohen Bewertungen anfälliger für kurzfristige Übertreibungen in beide Richtungen sein.
Geldpolitik: Weitere Lockerung wahrscheinlich
Am 1. November soll Christine Lagarde die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank (EZB) übernehmen. Ihre Mission: Die Politik von Mario Draghi zur Erhaltung des Euro „mit allen nötigen Mitteln“ fortzusetzen. Das ist keine einfache Aufgabe, denn die Wiederbelebung der QE steht vor konkreten Schwierigkeiten und ist wachsender Kritik ausgesetzt. Dennoch scheint es, dass der politische Wille sich durchsetzen wird. Wir gehen daher davon aus, dass sich die Zinsen im Euroraum auf absehbare Zeit auf einem extrem niedrigen oder gar negativen Niveau bewegen werden. Auch die Volatilität dürfte angesichts der Kaufunterstützung durch die EZB auf einem relativ niedrigen Niveau bleiben.
Es ist wahrscheinlich, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen bis zum Wiederanlauf des QE durch die EZB bereits gesenkt haben wird. Der Druck auf andere Länder hinsichtlich Währung und Wettbewerbsfähigkeit wird also zunehmen.
Der Nutzen längerer Duration
In diesem Umfeld gehen wir davon aus, dass länger laufende Anleihen aus dem Euroraum ein solides Ertragspotenzial bieten werden. In diesem Teil der Zinskurve erwarten wir, dass das Potenzial durch höhere Renditen und potenziell höhere Erträge das Risiko von Kapitalverlusten durch steigende Zinserwartungen mehr als kompensieren wird. Länger laufende Staatsanleihen mit relativ hohen Basisrisiken, die von der EZB gestützt werden, weisen die höchsten potenziellen Renditen auf – insbesondere italienische Staatsanleihen (BTP).
Ausgewählte europäische Unternehmensanleihen erscheinen uns ebenfalls attraktiv, da die EZB-Kaufprogramme sowohl die Renditen niedrig halten als auch die Spreads eng halten dürften. Obwohl das Verhältnis von Angebot und Nachfrage im Sektor nach wie vor relativ günstig ist, sind die Fundamentaldaten der europäischen Unternehmensemittenten für langfristige Anleger unserer Meinung nach entscheidend. Wir halten daher einen wählerischen Ansatz bei der Auswahl von Wertpapieren für sinnvoll, wobei wir uns auf Emittenten mit höherer Qualität konzentrieren, die in der aktuellen wachstumsarmen Umgebung zurechtkommen.
Strategisch gesehen können Anleihen aus der Eurozone einen nützlichen Ausgleich für Aktien darstellen, die empfindlicher auf die nachlassende Konjunktur in Europa und auf potenzielle anhaltende Handelsspannungen reagieren. Europäische Hochzinsanleihen bieten derzeit höhere Ausschüttungen als die Dividendenrendite von DAX und EURO STOXX 50, mit potenziell deutlich geringerer Volatilität in einem Umfeld, in dem die Unternehmensgewinne ihren Höhepunkt haben könnten.
Inflationsindexierte Anleihen aus dem Euroraum hingegen erscheinen derzeit wenig attraktiv. Da die europäische Kerninflation seit 2003 nicht über 2 % gestiegen ist und derzeit bei 1 % liegt, ist es eher unwahrscheinlich, dass die EZB in den kommenden Jahren ihr Inflationsziel erreicht.
Flexibles Management ist unverzichtbar
Angesichts extrem niedriger oder negativer Zinsen werden die Titelauswahl und die Flexibilität, die Positionierung schnell zu ändern, unserer Ansicht nach entscheidende Alphaquellen sein.
„Wir sehen weiterhin Chancen bei Euro-Anleihen"
Obwohl wir der Meinung sind, dass ein globaler Ansatz in einem so herausfordernden Markt nach wie vor entscheidend ist, sehen wir weiterhin Chancen für auf Euro lautende Anleihen. Für europäische Anleger könnte es ratsam sein, weitgehend heimatnah zu investieren, anstatt nach optisch höheren Renditen auf anderen Kontinenten zu greifen. Insbesondere bleiben die Kosten für die Währungsabsicherung von US-Investitionen in Euro hoch (derzeit 2,8 %). Der oberflächliche Renditevorteil von US-Anleihen kann sich daher schnell in Nichts auflösen.
Auch die Renditen von Emerging-Markets-(EM-)Anleihen bieten trotz schwierigerer konjunktureller Rahmenbedingungen nach wie vor selektive Chancen. Wir bevorzugen derzeit EM-Länder mit hohen realen Renditen und/oder mit Spielraum für Zinssenkungen. Wir erwarten zudem kurzfristige Chancen, die sich zum Beispiel aus dem Nachrichtenfluss über Wahlen und Handelsabkommen ergeben.
Obwohl ein extrem niedriges oder negatives Zinsumfeld eine Herausforderung darstellt, glauben wir, dass festverzinsliche Anleger immer noch erfolgreich sein können. Flexibles Management, kombiniert mit gekonnter Titelauswahl, kann dazu beitragen, auch bei niedrigen Renditen lukrative Erträge zu erzielen.
John Taylor ist Co-Head of European Fixed Income und Director of Global Multi-Sector bei AllianceBernstein.
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