AB: Handelskriege und Zölle - Herausforderung für Aktienanalysen
Wie können Aktienanleger die Auswirkungen von Handelszöllen in die Unternehmensanalyse einbeziehen?31.05.2024 | 12:20 Uhr
Handelskriege sind wieder in den Schlagzeilen, nachdem die USA neue
Zölle auf eine Reihe von chinesischen Produkten verhängt haben.
Politische Maßnahmen wie diese bereiten Anlegern, die Ertragsprognosen
auf der Grundlage der langfristigen Aussichten eines Unternehmens
erstellen wollen, Kopfzerbrechen und müssen bei der Analyse besonders
berücksichtigt werden.
US-Präsident Joe Biden kündigte am 14. Mai an, dass die USA die Zölle
auf importierte chinesische Waren im Wert von rund 18 Milliarden
US-Dollar erhöhen werden, darunter Elektroautos und Solarzellen. Dieser
Schritt war ein Zeichen für die eskalierenden Handelsspannungen zwischen
den beiden größten Volkswirtschaften der Welt und ein konkretes
Beispiel für die geopolitischen Risiken, die durch die Deglobalisierung
entstehen.
Zölle verändern die relativen Kosten von Produkten, was sich auf Angebot
und Nachfrage auswirkt und große Auswirkungen auf ein Unternehmen haben
kann. Da politische Entscheidungen oft schwer vorhersehbar sind, fällt
es Analysten schwer, sie in Finanzprognosen zu berücksichtigen. Wir
können jedoch einige Grundsätze und Parameter aufstellen, um das sich
entwickelnde Umfeld konstruktiv zu bewerten.
Das politische Umfeld verstehen
Der erste Schritt besteht darin, die zugrunde liegenden politischen
Umstände zu untersuchen. So sind beispielsweise die US-Beschränkungen
für den Verkauf von Halbleitern Teil einer umfassenderen Umkehrung der
Globalisierung im Zusammenhang mit dem Schutz von Technologien und der
Sicherung von Lieferketten. In den USA findet diese Position seit Jahren
breite parteiübergreifende Unterstützung, sodass der Trend zu
Schutzzöllen wahrscheinlich anhalten wird.
Anschließend sollten Anleger die gefährdeten Unternehmen und die
potenziellen Nutznießer identifizieren. Analysten können dann die
geografische und produktspezifische Exposition eines Unternehmens
gegenüber Zöllen bewerten, um eine angemessene Reaktion zu finden. Das
bedeutet nicht nur, dass gefährdete Positionen verkauft werden müssen.
In einigen Fällen kann man auch von vorübergehenden Verwerfungen
profitieren, die durch die Schlagzeilen über Unternehmen ausgelöst
werden, die von der veränderten Preisdynamik profitieren könnten.
Die akutesten Risiken meiden
Manchmal rechtfertigen die Risiken eine größere Vorsicht. Zölle auf
Elektroauto-Hersteller sind ein Beispiel dafür, denn sie erhöhen die
Unsicherheit in einer bereits instabilen Branche. China verkauft relativ
preiswerte Elektroautos auf den US-amerikanischen und europäischen
Märkten, während die US-amerikanischen und europäischen Autohersteller
ihre Zukunft auf eine Verlagerung hin zu hochwertigen, relativ teuren
Elektroautos setzen. Die undurchsichtige Markt- und Politikdynamik macht
es Aktienanlegern unserer Meinung nach sehr schwer, von
Elektroauto-Herstellern überzeugt zu sein.
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der weltweite Strukturwandel von
traditionellen Verbrennungsmotoren zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen
durch politische Maßnahmen gestoppt wird. Anleger, die das
Wachstumspotenzial von Elektroautos nutzen und gleichzeitig die
Auswirkungen des Handelskriegs vermeiden wollen, können sich daher auf
Unternehmen konzentrieren, die wesentliche Komponenten für die
Hersteller von Elektroautos liefern, zum Beispiel Halbleiter oder
Batterien. Wir sind der Meinung, dass Elektroauto-Hersteller auch in
einem schwierigeren industriellen und politischen Umfeld weiterhin
gefragt sein werden.
Unterscheiden Sie zwischen strukturellem Wandel und politischen Herausforderungen
Elektroautos sind nicht das einzige Beispiel für einen
Strukturwandel, der sich in einem unsicheren politischen Umfeld
vollzieht. Denken Sie an die Energiewende und das Streben nach
Energiesicherheit. In den USA ist der „Inflation Reduction Act“ eine
wichtige Triebfeder für die Ausgaben für die Energiewende. Niemand kann
jedoch vorhersagen, wie die US-Wahlen im November ausgehen werden und
wie sie sich auf die aktuellen Anreize für Unternehmen auswirken werden,
die an der Energiewende teilnehmen.
Ob mit oder ohne politische Unterstützung, wir glauben, dass die
Energiewende weitergehen wird, da sie durch die Verbesserung der
Wirtschaftlichkeit in Bereichen wie der industriellen Elektrifizierung
vorangetrieben wird, die sich derzeit in einem langfristigen Wandel
befindet. Anleger können also nach Unternehmen Ausschau halten, die von
der Energiewende profitieren und sie ermöglichen, mit qualitativ
hochwertigen Geschäftsbereichen, die unabhängig von Subventionen ein
Gewinnwachstum erzielen können. Wenn die Anreize bestehen bleiben,
würden solche Unternehmen einen kostenlosen Schub erhalten.
Unternehmen finden, die trotz Zöllen florieren können
In einigen Fällen kann auch die Produktnachfrage den Druck durch
Zölle im Laufe der Zeit überwinden. Die chinesischen Zölle auf
europäischen Cognac und Brandy sind ein gutes Beispiel dafür. Anfang Mai
deuteten die Gespräche zwischen Frankreich und China darauf hin, dass
die erwarteten chinesischen Zölle auf alkoholische Getränke
möglicherweise nicht erhoben werden. In diesem Fall können die Anleger
weder den Zeitpunkt möglicher Zölle noch die Auswirkungen auf das
Gleichgewicht zwischen Importen und Exporten wirklich vorhersagen.
Allerdings haben sich die Zölle auf Cognac im Laufe der Jahre immer
wieder verschoben. Unserer Ansicht nach können Anleger mit einem
langfristigen Zeithorizont von mindestens drei bis fünf Jahren eine
Unternehmensanalyse ausgewählter Luxusgüterunternehmen erstellen, die in
der Lage sind, ein attraktives Gewinnwachstum zu erzielen, und zwar
unabhängig von einem unbeständigen Zollumfeld.
Entwickeln Sie eine Bandbreite von Ergebnissen
Handelskriege und Zölle erweitern natürlich das Spektrum möglicher Folgen für Unternehmen und Anleger.
Wenn die Risiken zu groß sind, sollten Anleger ausweichen und eine
Branche oder ein Unternehmen meiden, das sich in der direkten
Schusslinie unvorhersehbarer Handelsbewegungen befindet.
In anderen Fällen können die Anleger die Risiken in die
Wertpapieranalyse einbeziehen. Wenn ein Unternehmen durch Zölle
gefährdet ist, aber ansonsten ein solides Geschäft betreibt, können wir
geeignete Abzinsungssätze anwenden, die eine risikobewusste Bewertung
widerspiegeln. Dann können wir abschätzen, ob das langfristige
Ertragspotenzial diese Risiken kompensiert. Die Positionsgrößen in einem
Portfolio können ebenfalls angepasst werden, um die Anfälligkeit eines
Unternehmens für Zolländerungen zu berücksichtigen.
Handelskriege sind nur ein Aspekt des geopolitischen Risikos, das an
vielen Fronten eindeutig zunimmt. Aktienanleger mit einem durchdachten
Ansatz zur Bewältigung dieser Risiken werden gut gerüstet sein, um mit
einem erratischen politischen Umfeld zurechtzukommen und von den
strukturellen Wachstumstrends zu profitieren, die politische Hürden im
Laufe der Zeit wahrscheinlich überwinden werden.
Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Recherchen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider. Die Einschätzungen können sich im Laufe der Zeit ändern.
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