AB: Rekordhitze und Klimapolitik beflügeln CO2-arme Investitionen
Angesichts der Rekordtemperaturen verstärkt die öffentliche Hand ihre Dekarbonisierungsanstrengungen und motiviert die Unternehmen zur Mitarbeit.21.08.2023 | 06:11 Uhr
Die neue Politik spiegelt die wachsende Dringlichkeit wider, sich mit
dem Klimarisiko auseinanderzusetzen. Darauf sollten auch Aktienanleger
achten.
Vor dem globalen Temperaturanstieg, den Rekordhitzewellen und den
kostspieligen Waldbränden der letzten Monate haben Wissenschaftler schon
lange gewarnt. Doch der Klimawandel wird nicht nur in Grad gemessen.
Seine langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen sind gravierend, wobei
die Energiekrise derzeit das Epizentrum darstellt. So hat
beispielsweise die Verknappung von Gas und Öl infolge des russischen
Überfalls auf die Ukraine zu einem sprunghaften Anstieg der Kosten
geführt.
Die Herausforderungen des Klimarisikos erstrecken sich über alle
Branchen und lassen die Unternehmen nach wirksamen Lösungen suchen.
Durch bewährte Verfahren, Technologie, angemessene Finanzierung und
effektive staatliche Maßnahmen können Unternehmen und Länder
gleichermaßen den CO2-Ausstoß senken oder vermeiden. Die
politischen Entscheidungsträger sind sich einig, vor allem in Europa und
den USA, wo eine Welle historischer öffentlicher Programme und
Finanzierungen in Gang gekommen ist (Abbildung).
Regierungen werden aktiv, während CO2-bewusste Unternehmen auf den Plan treten
Wir glauben, dass das intensive Engagement der Regierungen die wichtigste Entwicklung des Jahres im langwierigen globalen Kampf gegen den Klimawandel ist, mit dauerhaften Auswirkungen. Sie steht auch im Zusammenhang mit dem ersten von drei Grundsätzen, die für Investitionen in CO2-arme Aktien sprechen: sich mit den Regierungen in ihrem Streben nach Klimaneutralität zu verbünden (Abbildung).
Das US-Gesetz zur Verringerung der Inflation („Inflation
Reduction Act“) sieht einen Rekordbetrag von 369 Milliarden US-Dollar
vor, um die CO2-Emissionen in den nächsten zehn Jahren um 40 %
zu senken. Zu den Unternehmensanreizen gehören großzügige
Steuergutschriften für die Einführung von erneuerbarer Energie aus Wind
und Sonne, sodass Solaranlagen heute wirtschaftlicher sind als
herkömmliche Energiequellen.
Ein potenzieller europäischer Green Deal könnte 375 Milliarden Euro
umfassen, um die Inflationsbekämpfung in der Region zu unterstützen. Zu
den Zielen gehört es, Europa bis Mitte des Jahrhunderts zum ersten
klimaneutralen Kontinent zu machen, den Treibhausgasausstoß um 50 % zu
senken und bis 2030 drei Milliarden neue Bäume zu pflanzen. Eine
Komponente für saubere Energien soll die Wind- und Solarenergie
ankurbeln, die in ganz Europa bereits Gas und Kohle überholt hat, wobei
sich die Solarproduktion allein im Jahr 2022 verdoppeln wird.
Alle 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sind mit an Bord,
aber nicht alle haben sich zur vollen Finanzierung verpflichtet. Dennoch
finden die Unternehmen ihren eigenen Weg durch die vielen Anreize, die
der Green Deal vorsieht. So will die EU beispielsweise die
Genehmigungszeiten für Projekte zur Nutzung erneuerbarer Energien in
vorrangigen Gebieten auf 12 Monate (statt drei bis zehn Jahre) und in
anderen Gebieten auf 24 Monate verkürzen. Das allein dürfte die Projekte
für startbereite Unternehmen beschleunigen und kostspielige
Verzögerungen vermeiden.
Die Förderung des verstärkten Einsatzes von sauberen Brennstoffen und
Energiespeichern beispielsweise dürfte auch für Unternehmen wie das
Enphase Energy aus den USA und das israelische Unternehmen SolarEdge
Technologies, für die diese Technologien das Herzstück ihrer
Geschäftstätigkeit darstellen, ein entscheidender Faktor sein.
Branchen im Zentrum des CO2-Übergangs
Eine aktive Aktienselektion ist der Schlüssel zur Identifizierung von
Unternehmen, die am besten positioniert sind, um die anhaltende
Klimakrise zu bewältigen, ohne dabei Erträge zu opfern.
Bei den europäischen Industriewerten haben sich zum Beispiel in den
Schlüsselkategorien an der Schnittstelle zwischen Klimawandel und
Aktienauswahl klare Dekarbonisierungsführer herauskristallisiert:
Smart-Grid-Technologie:
Unternehmen in diesem Bereich helfen anderen Unternehmen,
energieeffiziente Anlagen und Ressourcen zu bauen und zu verwalten, die
die Treibhausgasemissionen Dritter, die sogenannten Scope-4-Emissionen,
senken. Schneider Electric ist ein gutes Beispiel dafür. Das Unternehmen
hat sich nach eigenen Angaben verpflichtet, bis 2025 fast 800 Millionen
Tonnen CO2 für seine Kunden zu vermeiden oder einzusparen.
Stromkabel: Unsere Recherchen deuten auf ein
exponentielles Wachstum der Nachfrage nach Mittel- und
Hochspannungskabeln hin, da die starke Nachfrage nach Anlagen für
erneuerbare Energien in Verbindung mit überfälligen Modernisierungen ein
günstiges Preisumfeld schafft. Der Kabelhersteller Prysmian Group hat
seine Abfallverwertung auf 71 % erhöht und kürzlich den Auftrag für den
Anschluss von Unterseekabeln an neue Windparks weltweit erhalten.
Infrastrukturberatung: Diese Unternehmen beraten in den
Bereichen ESG-freundliche Infrastruktur, Logistik und Bau für
Transport, Anlagen und Wasseraufbereitungsanlagen. Wir glauben, dass
AECOM Technology einer der Top-Wettbewerber auf diesem
80-Milliarden-US-Dollar-Markt ist, der über Jahrzehnte hinweg jährlich
zweistellig wachsen dürfte. Der ESG-Aktionsplan des Unternehmens sieht
vor, den CO2-Ausstoß bei Großprojekten um mindestens 50 % zu reduzieren, was etwa 84 Millionen Tonnen vermiedenem CO2 entspricht.
Klimaresilient, aber wie sehr, und zu welchem Preis?
Wir glauben, dass die Bewertung der Klimaresilienz dazu beiträgt,
Unternehmen zu identifizieren, die langfristig ein höheres
Ertragspotenzial besitzen. Allerdings sollte das nicht das einzige
Kriterium sein, auch nicht bei einer Strategie für CO2-arme Aktien. Es kommt auch auf Qualität und Preis an.
Qualitätsunternehmen sind unserer Ansicht nach robuste Unternehmen mit
gut abgesicherten Wettbewerbsvorteilen und tragfähigen Cashflows.
Außerdem haben sie bei hoher oder steigender Inflation in der Regel
einen Vorteil – dank ihrer Preissetzungsmacht, ihrer
Branchenführerschaft oder beidem.
Neben der Konzentration auf hohe Qualität und Klimaresilienz ist auch
Preisbewusstsein wichtig. Es ist verlockend, der Herde zu folgen, aber
selbst die stärksten Unternehmen mit niedrigem CO2-Ausstoß können überbewertet sein, wenn die Märkte heiß laufen, insbesondere wenn sie an den Technologiesektor gebunden sind.
Unaufhörliche Überschwemmungen, Waldbrände, Dürre und Hitze haben das
Jahr 2023 in vielerlei Hinsicht bereits zu einem Rekordjahr gemacht.
Viele Staatenlenker sind sich noch nicht darüber im Klaren, dass die
Zukunft ohne energische Klimaschutzmaßnahmen düster aussehen wird. Wir
begrüßen jedoch die neuen umfassenden Dekarbonisierungsmaßnahmen in den
USA und Europa, während China, der weltweit größte
Treibhausgasproduzent, ebenfalls einige positive Schritte unternimmt.
Der Kampf gegen den Klimawandel ist noch lange nicht vorbei. Aber die
Frontlinien werden ständig mit innovativen, hochwertigen Unternehmen
verstärkt, die dazu entschlossen sind, durchzubrechen und einige
Schlachten zu gewinnen. Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass der
Klimawandel in aktive Anlageentscheidungen einbezogen werden muss, da er
einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Wertentwicklung von Aktien
leistet.
In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.
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