AB: Wie wird die Bankenkrise den Finanzanleihenmarkt verändern?
Die Krise, welche die US-Regionalbanken Silicon Valley Bank (SVB) und Signature Bank (SB) sowie die Credit Suisse (CS) erfasste, hat die Aktien- und Anleihenkurse der Banken schwer getroffen. Wir sind der Meinung, dass die Ursachen für diese Zusammenbrüche eher spezifisch als systemisch waren21.04.2023 | 06:31 Uhr
Die Fed und die Europäische Zentralbank scheinen ebenfalls dieser
Meinung zu sein, denn sie haben ihr Vertrauen in das Bankensystem durch
weitere Zinserhöhungen unter Beweis gestellt. Auch die erneute
Konzentration der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden auf ein rigoroses
Liquiditätsmanagement wird sich unserer Meinung nach letztlich positiv
für den Sektor und seine Anleihengläubiger auswirken.
Im Moment ist die Stimmung der Inhaber von Bankanleihen noch sehr
negativ – insbesondere bei „Additional Tier 1“-Anleihen (AT1). Sobald
die Anleihenmärkte jedoch zuversichtlicher werden, dass die Krise vorbei
ist, können relativ solide Fundamentaldaten und attraktive Bewertungen
später im Jahr 2023 ein besseres Umfeld für selektive Anleger von
Finanzanleihen schaffen.
US-Regionalbanken kontrastieren mit internationalen Großbanken
Die Silicon Valley Bank hat ihr Zins- und Liquiditätsrisiko
katastrophal falsch gemanagt und wurde am Freitag, den 10. März, von den
Aufsichtsbehörden geschlossen, was einen weltweiten Abverkauf bei
Bankaktien und -anleihen auslöste. Wir sind jedoch der Ansicht, dass die
Situation relativ eingegrenzt ist und nur ein geringes
Ansteckungsrisiko besteht, vor allem nachdem die US-Behörden alle
Einleger der Silicon Valley Bank geschützt haben.
In der Folge haben regionale Banken in den USA unter Einlagenflucht
gelitten, und andere könnten in den kommenden Monaten in Schwierigkeiten
geraten. Dennoch ist klar, dass die Silicon Valley Bank und die
Signature Bank gegenüber Großanlegern viel stärker exponiert waren als
ihre Konkurrenten (Abbildung).
Wir sind der Meinung, dass die größeren US-amerikanischen und
europäischen Banken im Allgemeinen in einem anderen Licht betrachtet
werden sollten. Diese Banken sind in der Regel größer und besser
diversifiziert, verfügen über stabilere Finanzierungsquellen und ein
disziplinierteres Risikomanagement. Außerdem unterliegen die
europäischen Banken einer strengeren Regulierung als jene US-Banken, die
weniger als 250 Milliarden US-Dollar an Vermögenswerten aufweisen, und
können sich auf eine stabilere Finanzierung verlassen. Als Gruppe haben
die europäischen Banken während der Krise besser abgeschnitten als die
großen US-Banken.
Die Credit Suisse war ein Ausnahmefall. Nach jahrelangen Verlusten im
Investmentbanking und erheblichen Einlagenabflüssen Ende 2022 führte das
Credit-Suisse-Managementteam einen umfangreichen Umstrukturierungsplan
durch, dem es allerdings an Dringlichkeit mangelte. Das machte die Bank
anfällig für einen Vertrauensverlust bei Kunden und Anlegern während der
von den US-Regionalbanken ausgelösten Panik. Die Rettungsfusion mit der
UBS führte dazu, dass die Credit-Suisse-Aktionäre nur noch einen
Bruchteil ihres früheren Aktienwerts besitzen und die Inhaber von
Credit-Suisse-AT1-Anleihen ganz leer ausgehen. Diese höchst umstrittene
Lösung wird wahrscheinlich zu Rechtsstreitigkeiten führen und hat bei
den Anleihengläubigern, insbesondere in der Schweiz, zu einer größeren
Vorsicht gegenüber AT1-Anleihen geführt.
Zentralbanken in Europa und Asien haben sich von dem Schweizer Ansatz
distanziert. Sie haben bekräftigt, dass AT1-Anleihen in der
Kapitalstruktur Vorrang vor Aktien haben und dass die Aktionäre als
Erste Kapitalverluste hinnehmen müssen, wenn die Lebensfähigkeit einer
Bank gefährdet ist.
Voraussichtliche Änderungen bedeuten einen besseren Schutz für Anleihengläubiger
So wie die Aufsichtsbehörden die Banken nach der globalen Finanzkrise
von 2008 gezwungen haben, ihre Kapitalpuffer deutlich zu erhöhen,
erwarten wir nach den Bankenpleiten von 2023 eine aufsichtsrechtliche
Überprüfung, die zu strengeren Mindestliquiditätsstandards führt,
insbesondere für kleinere US-Banken. Wir rechnen auch mit einer
anhaltenden Debatte über das potenzielle moralische Risiko einer
Ausweitung der Einlagensicherung und die Notwendigkeit einer besseren
und zeitnahen Berichterstattung der Banken.
Die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank haben die Zinsen weiter
angehoben und damit ihr Vertrauen in das Bankensystem und ihre
Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Krise zu einer Verschärfung
der finanziellen Bedingungen führen wird, die zur Verlangsamung der
Wirtschaft beitragen wird.
Die Fundamentaldaten größerer Banken sind stark
Die Krise hat auch das relativ hohe Engagement einiger regionaler
US-Banken in risikoreicheren Gewerbeimmobilien und fremdfinanzierten
Privatinvestitionskrediten deutlich gemacht, was ihre Kapitalposition
gefährden könnte.
Größere US-amerikanische und europäische Banken halten jedoch als
Reaktion auf die strengeren Vorschriften weiterhin sehr hohe
Kapitalreserven. Die CET1-Quoten (Common Equity Tier 1) bleiben hoch,
insbesondere in Europa (Abbildung), was einen Puffer für ihre AT1-Anleihengläubiger darstellt.
Diese Banken waren in der Lage, die CET1-Quoten auf einem
hohen Niveau zu halten, weil die interne Kapitalgenerierung durch
steigende Profitabilität verbessert wurde. Bislang haben die Banken die
Vorteile steigender Zinsen erst mit Verzögerung an die Sparer
weitergegeben – eine langjährige Praxis, die den aktuellen Zeitraum als
Höhepunkt der Profitabilität kennzeichnet.
Wir gehen davon aus, dass die ausgewiesenen CET1-Quoten allmählich in
Richtung der mittelfristigen Zielgrößen der Banken sinken werden, aber
die Banken sollten über die Mindestanforderungen hinaus erhebliche
Puffer beibehalten können, die AT1-Anlegern einen bedeutenden Schutz
gegen potenzielle Verluste bieten.
Ein kontinuierlicher Abbau notleidender Kredite („Non-Performing Loans“,
NPL) bietet ebenfalls eine starke Unterstützung für Anleihengläubiger.
Wir gehen davon aus, dass die NPLs mittel- bis langfristig steigen
werden, während sich die Konjunktur abkühlt, aber die Banken gehen davon
aus, dass die erwarteten Zinsen nur auf das Niveau von vor der
COVID-Pandemie zurückgehen werden.
Aus Bonitätssicht befinden sich die Banken also in der besten
Verfassung, die sie je hatten, und wir bleiben trotz kurzfristiger
Volatilität bei einer konstruktiven Einschätzung der Gesundheit des
Finanzsektors.
Die Bewertungen von Bankschuldtiteln sehen günstig aus
In Anbetracht der soliden Finanzlage der größeren Banken sind wir der Ansicht, dass ihre nachrangigen Schuldtitel relativ günstig sind (Abbildung).
Das Verhältnis zwischen AT1-Renditen und Aktiendividenden der Banken hat sich im Laufe der Zeit verändert, was zum Teil die unterschiedlichen Aussichten von Anleihen- und Aktien-Anlegern widerspiegelt. Seit Mitte 2022 waren AT1-Anleihen auch im Vergleich zu Bankaktien ungewöhnlich günstig, wenn man die Risikobilanz in Ländern betrachtet, die die traditionelle Gläubigerhierarchie aufrechterhalten (Abbildung).
Wie sollten Anleger auf die Krise reagieren?
Die Krise hat gezeigt, wie viel schneller sich Liquiditätsprobleme in
der Ära des Online-Bankings und der viralen sozialen Medien in Panik
und Einlagenflucht niederschlagen können. Wir glauben, dass diese
Veränderung ein dauerhaft höheres Risiko darstellt und erhöhte
Wachsamkeit erfordert.
Vorerst ist auf dem AT1-Markt weiterhin Vorsicht geboten. Ein
beträchtliches Volumen an AT1-Anleihen wird in diesem Jahr und im Jahr
2024 fällig. Wenn die Banken beschließen, ihre Laufzeiten zu verlängern,
könnten die Renditen steigen und die Kurse weiter fallen. Vor diesem
Hintergrund sehen wir kurzfristig bessere Aussichten für vorrangige
Finanzanleihen der größeren, gut kapitalisierten Banken.
Wir glauben jedoch, dass es nicht lange dauern wird, bis die
AT1-Anleihen stärkerer Banken in unterstützenden Ländern wieder in die
Erfolgsspur kommen. Letzten Endes wird die Kombination aus sehr hohen
Renditen und der hohen Qualität der emittierenden Banken auf den
Kreditmärkten kaum zu übertreffen sein.
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