abrdn: Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts auf die Assetklassen
Es gibt Hinweise darauf, dass der russische Vormarsch in der Ukraine langsamer verläuft als erwartet. Vor diesem Hintergrund scheint sich Russlands militärisches Vorgehen zu intensivieren. Angesichts der sich rasant ändernden Lage sollten Sie auf weitere Aktualisierungen achten.17.03.2022 | 07:10 Uhr
Es gibt Hinweise, dass der Vormarsch der russischen Truppen in der Ukraine langsamer vonstatten geht als angenommen. Vor diesem Hintergrund verschärft Russland offenbar sein militärisches Vorgehen.
Die Auswirkungen der letzten Sanktionsrunde sind in Russland bereits spürbar. Es gibt Berichte über lange Schlangen vor russischen Geldautomaten, Schwierigkeiten beim Einsatz von Debit- und Kreditkarten und Schlangen vor Lebensmittelgeschäften, da die russischen Bürger mit Engpässen rechnen.
Die globalen Lieferkettenstörungen stellen nach wie vor eine Gefahr dar. Möglicherweise erfolgt eine Sanktionierung der Energielieferungen, wenn die Kampfhandlungen weiter eskalieren. Die Sanktionen von letztem Wochenende haben verdeutlicht, dass die EU schärfer gegen Russland vorgeht, als die meisten Beobachter zunächst erwartet hatten.
Hinzu kommt, dass Russland knapp die Hälfte des globalen Palladiums produziert, das ein entscheidender Rohstoff für die Automobilbranche ist. Überdies stammt etwa ein Viertel des globalen Angebots an Titan, das in Sektoren wie der Luftfahrt eine wichtige Rolle spielt, aus Russland.
Im Auge behalten werden sollten auch die Auswirkungen auf die Agrarproduktion. Die russischen Exporte landwirtschaftlicher Produkte (vor allem Weizen und Mais) dürften ausbleiben. (Das gilt wahrscheinlich auch für die ukrainischen, wenn die Landwirte ihre Felder aufgrund des Konflikts nicht mehr bestellen können und die Ernten ausfallen.) Andere große Produzenten landwirtschaftlicher Produkte wie Brasilien und China beziehen etwa 20% ihrer gesamten Düngemittelimporte aus Russland. Wenn dieser Engpass nicht von anderer Seite ausgeglichen werden kann, wäre die landwirtschaftliche Produktion dieser Länder ebenfalls betroffen. Wir tragen diesen Preisentwicklungen bei unseren Basisannahmen für die Inflationsentwicklung Rechnung.
Aktien - Fokus auf Fundamentaldaten
Was die aktiven Aktienstrategien anbelangt, so weisen unsere Aktien-Desks größtenteils kein direktes Exposure gegenüber Papieren auf, die in Russland oder der Ukraine notiert sind. Auch die globalen, asiatischen, japanischen, europäischen, britischen, nordamerikanischen und Desks für kleinere Unternehmen weisen kein direktes Engagement auf. Unser Desk für globale Schwellenländer (GEM) ist in begrenztem Maße in der Region engagiert, und zwar mit einer Handvoll Fonds, die in russische Aktien investieren. Als Reaktion auf die Krise hat sich der GEM-Desk auf seine Verkaufsaktivitäten bei den russischen Titeln der betroffenen Strategien konzentriert, deren langfristiges Verlustpotenzial unseres Erachtens am höchsten ist. Für die meisten Strategien ist daher eine Reduzierung des Russland-Engagements auf null vorgesehen.
Des Weiteren haben wir eine Bewertung unserer Portfolios vorgenommen, um sicherzustellen, dass keine wesentlichen indirekten Exposures über Endmärkte oder kritische Lieferkettenstörungen bestehen, und können bestätigen, dass unsere Exponierung gegenüber der Ukraine und Russland begrenzt ist. Sofern wir Aktien mit indirektem Exposure halten, bewerten wir das Ausmaß der Exponierung und werden im besten Interesse unserer Kunden und Stakeholder handeln.
Mit Blick auf die Zukunft wird sich der Konflikt indirekt in den Volkswirtschaften über höhere Preise von Energie und anderen Rohstoffen sowie stärkerer Volatilität und höheren Risiken bemerkbar machen. Wir möchten wie immer davor warnen, kurzen Handelsphasen allzu viel Bedeutung beizumessen. Liquiditätsengpässe und Panik können starke Auswirkungen haben, die angesichts der Fundamentaldaten womöglich nicht gerechtfertigt sind. Als Bottom-up-Stockpicker konzentrieren wir uns auf die Gewinne unserer Unternehmen und darauf, wie sich die Ereignisse in Zukunft auf unsere Engagements auswirken könnten.
Anleihen – Steigender Inflationsdruck
Während die derzeitige Krise wahrscheinlich den angebotsbedingten
Inflationsdruck anheizen wird, wissen wir noch nicht, wie sie sich auf
die Geldpolitik der Zentralbanken auswirken wird.
Tatsache ist, dass die weltweit niedrigen Zinssätze in völligem
Widerspruch zu den angespannten Arbeitsmärkten und der rasant steigenden
Inflation stehen. Der Konflikt ist zwar schrecklich, reicht aber
derzeit nicht aus, um die Zentralbanken davon abzuhalten, die Zinsen
anzuheben, was für Anleihen die größte kurzfristige Gefahr darstellt.
Seit Beginn des Konflikts haben die Kreditmärkte ihre Preise deutlich
angehoben, da sie die bekannten Auswirkungen widerspiegeln. Die
Kreditspreads haben nun das Niveau der Korrekturen in der Mitte des
Zyklus von 2015 und 2018 erreicht. Nach diesen historischen Perioden
verzeichneten die Kreditmärkte in den folgenden 12 Monaten positive
Renditen. Wir werden also die Entwicklung der Kreditmärkte in den
kommenden Monaten im Auge behalten.
Schwellenländeranleihen - Sanktionen treffen russischen Anleihemarkt hart
Der eskalierende Konflikt hat russische und ukrainische festverzinsliche Anlagen und die Währungen beider Länder stark in Mitleidenschaft gezogen. Die massive Verkaufswelle wurde durch das meist übergewichtete Engagement der Anleger an diesen Märkten verstärkt.Es wurden etliche Beschränkungen verhängt, die Auswirkungen auf die EMD-Märkte und vor allem russische Anleihen haben. US- und EU-Anlegern ist es nunmehr beispielsweise untersagt, auf Fremd- oder Lokalwährung lautende russische Staatsanleihen am Primärmarkt zu kaufen. Betroffen sind auch bestimmte russische Unternehmens- bzw. Bankanleihen. So wurden die VEB Bank und VTB Bank auf die Liste sanktionierter Unternehmen und natürlicher Personen (SDN) gesetzt, und ihre US-Vermögenswerte wurden eingefroren.Außerhalb Russlands und der Ukraine fiel die Marktreaktion auf die steigenden Risiken verhalten aus. Die Vergangenheit legt jedoch nahe, dass die meisten geopolitischen Ereignisse (auch die Konflikte im Nahen Osten, welche eine Bedrohung der Ölproduktion darstellten) keine dauerhaften Spuren an den Märkten hinterlassen. Ähnlich dürfte es sich mit der Lage in der Ukraine verhalten. Der Konflikt wird die globalen makroökonomischen Treiber beeinträchtigen – auch die der Industrieländer, die vielfach stark auf russisches Öl angewiesen sind. Viel hängt jedoch von den Auswirkungen weiterer Sanktionen des Westens und davon ab, ob die globalen Rohstoffpreise dauerhaft steigen.Angesichts der instabilen Situation in der Ukraine und des äußerst volatilen Preisumfelds passen wir die Positionen unserer Fonds weiterhin sorgfältig an.
Multi-Asset-Anlagen – Gegenläufige Kräfte, die auf die Weltwirtschaft einwirken
Viele von uns haben uns an den Gedanken von Krieg als etwas gewöhnt, das woanders stattfindet. Die schrecklichen Ereignisse, die derzeit die Ukraine erschüttern, erinnern uns daran, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist. Als Anleger müssen wir Objektivität und Ruhe bewahren, auch wenn wir zutiefst besorgt und betroffen sind.
Trotz des ausufernden Konflikts dürfte sich die Reaktion der Zentralbanken angesichts des Inflationsdrucks und der Möglichkeit weiterer Angebotsstörungen im Rohstoffsektor in Grenzen halten. Gleichwohl könnten sich unseres Erachtens nun stärkere Unterschiede entlang der Zinskurve abzeichnen. Das vordere Kurvenende dürfte durch die Aussicht auf Zinserhöhungen seitens der Zentralbanken weiterhin unter Druck stehen, während die längeren Laufzeitenbereiche angesichts der zusätzlichen Wachstumsrisiken nachgeben könnten. Diese gegensätzlichen Kräfte, die auf die globale Wirtschaft einwirken, lassen auf eine Phase mit erhöhter Volatilität an den Märkten schließen, wobei auch die Nachrichtenmeldungen keine Entlastung bringen dürften, da weitere Sanktionen gegen Russland angekündigt werden.
Es ist sehr schwer, präzise Voraussagen zu treffen, wenn sich weltweit gleichzeitig verschiedene Ereignisse abspielen, von denen jedes für sich genommen die Erfahrung der meisten Anleger übersteigt. Gleichwohl ist ein breites Anlageuniversum von besonderer Bedeutung, wenn es darum geht, das Abwärtspotenzial zu begrenzen und sich das Aufwärtspotenzial (sofern vorhanden) zu einer Zeit zunutze zu machen, in der traditionelle Diversifizierungsquellen möglicherweise weniger wirksam sind.
Unsere Multi-Asset-Fonds weisen ein relativ geringes Exposure gegenüber Russland, der Ukraine und Belarus auf. Zum 23. Februar 2022 belief sich das Exposure unserer Global Absolute Return Strategies, des Klimafonds und der Diversified Growth Funds gegenüber russischen Anleihen auf ca. 0,8%, 0% bzw. unter 2%.
Was bei Investitionen zu beachten ist
Die Situation in der Ukraine ist, gelinde gesagt, in vielerlei Hinsicht beunruhigend. Aber wenn es darum geht, vor diesem sich schnell entwickelnden Hintergrund zu investieren, sind unserer Meinung nach die Fundamentalanalyse und die Bewertung sowie das Studium des bisherigen Marktverhaltens von größter Bedeutung.
1 SWIFT ist ein umfangreiches Nachrichtensystem, das
Banken und andere Finanzinstitute nutzen, um schnell, präzise und sicher
Informationen zu senden und zu empfangen, z. B. Überweisungsaufträge.
2 Bloomberg, “Russia Keeps Stock Trading Shut in Nation’s Longest Closure,” 4. März 2022.
Investitionen beinhalten Risiken. Der Wert von Anlagen und die daraus entstehenden Erträge können sowohl fallen als auch steigen, und es ist möglich, dass ein Investor weniger als den investierten Betrag zurückerhält. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit lässt keine Rückschlüsse auf zukünftige Ergebnisse zu.
Copyright © abrdn plc 2021. All rights reserved.
abrdn plc is registered in Scotland (SC286832) at 1 George Street, Edinburgh, EH2 2LL