Absatzmarkt China: Partner und Konkurrent

Titel der Publikation: Deutsche Industrie: Absatzmarkt China mit moderater Dynamik
Veröffentlichung: 03/13
Autor: Antje Stobbe
Auftraggeber: DB Research (Website)
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Exportmarkt China gewinnt 2013 für deutsche Unternehmen wieder an Fahrt. Chinesisches Bestreben, unabhängiger von ausländischer Technologie zu werden, birgt Risiken.

28.03.2013 | 09:49 Uhr

Für deutsche Exporteure sind im Zuge der europäischen Wirtschaftskrise die Märkte außerhalb der Europäischen Währungsunion (EWU) wichtiger geworden. Gingen im Jahr 2000 knapp 55 Prozent aller Ausfuhren in Nicht-EWU-Länder, waren es 2012 schon 62,5 Prozent. Insbesondere China habe in dieser Zeit rasant an Bedeutung gewonnen. „Das gilt zum Beispiel für den Maschinenbau oder die Produzenten elektrischer Ausrüstungen, die 2012 zehn bzw. neun Prozent ihrer Exporte nach China lieferten“, analysiert Antje Stobbe in ihrer aktuellen Studie „Deutsche Industrie: Absatzmarkt China mit moderater Dynamik“ für DB Research. Inzwischen sei China in der Liste der wichtigsten Exportländer der Bundesrepublik auf Platz fünf vorgerückt.

Zwar habe das langsamere Wachstum im Reich der Mitte auch den Absatz deutscher Unternehmen beeinträchtig. Der Maschinenbausektor exportierte beispielsweise zehn Prozent weniger als im Vorjahr. Andere Branchen hingegen konnten zulegen: Automobilhersteller steigerten ihren Absatz gegenüber dem Vorjahr um neun Prozent. „China bleibt mit seiner wachsenden Mittelschicht ein attraktiver Markt“, begründet Stobbe. „Die weiterhin wachsende Nachfrage unter anderem nach Oberklassefahrzeugen begünstigt deutsche Anbieter.“ Im laufenden Jahr gewinne der Exportmarkt China insgesamt wieder an Fahrt. Allerdings müssten sich die Handelspartner auf eine moderatere Dynamik einstellen, da die chinesische Regierung ein BIP-Wachstum von nur noch sieben Prozent plane. „Wichtige strukturelle Wachstumsfaktoren des Marktes bleiben aber intakt“, ist die Autorin überzeugt. „Der Ausbau des Konsums begünstigt deutsche Anbieter aus den relevanten Branchen.“ Das Verarbeitende Gewerbe habe seine Exportquote seit 2005 um drei Prozent auf zuletzt 47,5 Prozent steigern können. Die Automobilindustrie, der Maschinenbau und die Pharmaindustrie erzielten über 60 Prozent ihrer Umsätze im Ausland. In der Chemieindustrie sowie in der Elektrotechnik seien es jeweils deutlich über 50 Prozent gewesen.

Vier Branchen dominieren die deutsche Exportstruktur

„Unter dem Strich dominieren wenige Warengruppen die deutsche Exportstruktur“, sagt Stobbe. „Über die Hälfte der Exporte entfällt auf vier Branchen: die Automobilindustrie, den Maschinenbau, Güter und Ausrüstungen aus dem Bereich der Elektrotechnik sowie Metalle und Metallerzeugnisse.“ Der hohe Anteil von 44 Prozent bei den Investitionsgütern und weiteren 31 Prozent bei den Vorleistungsgütern unterstreiche die starke Spezialisierung und den Fokus auf die Investitionstätigkeit im Ausland. „Für die deutsche Automobilindustrie ist China inzwischen der zweitwichtigste Absatzmarkt“, führt Stobbe aus. Das Land habe im Jahr 2012 Großbritannien von dieser Position verdrängt. Für die deutschen Maschinenbauer sei China sogar Absatzmarkt Nummer eins. Zwar gingen die Ausfuhren im vergangenen Jahr um 1,2 Prozentpunkte auf 10,3 Prozent zurück. Dies hänge aber mit der schwächeren Konjunktur im Reich der Mitte zusammen. „Bemerkenswert ist, dass China für einzelne Zweige des Maschinenbaus eine noch deutlich größere Relevanz hat“, erläutert die Expertin. „So gingen 2012 27 Prozent aller im Ausland abgesetzten Werkzeugmaschinen nach China.“ Damit habe dieser Markt in der letzten Dekade enorm an Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2000 waren es nur vier Prozent. Der hohe Stellenwert Chinas für die Elektrotechnik zeige sich vor allem bei Produzenten elektrischer Ausrüstungen. Für sie ist das Land mit knapp neun Prozent der Ausfuhren der wichtigste Absatzmarkt vor den USA und Frankreich.

„Die Branchenanalyse der Exporte lässt zwei Schlussfolgerungen zu“, analysiert Stobbe. „Erstens: Für die Branchen Automobil, Maschinenbau und Elektrotechnik hat China als Exportmarkt einen besonders hohen Stellenwert.“ Vor allem sie hätten vom schnellen Wachstum dort profitieren können. „Zweitens: Die hohe Bedeutung des Marktes für die deutschen Unternehmen bringt aber bei einer Abkühlung des chinesischen BIP-Wachstums auch Absatzrisiken mit sich.“

Direktinvestitionen nehmen zu

China werde allerdings von deutschen Firmen nicht nur über Exporte, sondern auch zunehmend über den Ausbau von Produktkapazitäten vor Ort bedient. „Mit Direktinvestitionen verfolgen die Unternehmen das Ziel, eine größere Nähe zum Absatzmarkt herzustellen und so bei der Entwicklung neuer Produkte vor Ort den Wünschen der Kunden besser gerecht zu werden“, erläutert Stobbe die Gründe. Zudem könnten bei der Produktion vor Ort Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse umgangen werden. Von den Branchen des Verarbeitenden Gewerbes liege die Automobilindustrie ganz klar an der Spitze. Im Jahr 2011 waren es 1,8 Milliarden Euro. „Die hohe Nachfrage der chinesischen Verbraucher nach Autos legt den weiteren Aufbau von Kapazitäten deutscher Hersteller vor Ort nahe“, erwartet die Autorin. Aber auch Chemie- und Maschinenbauunternehmen hätten in den vergangenen Jahren ihre Kapazitäten in Fernost ausgebaut.

Für 2013 erwartet Stobbe durch eine expansive Wirtschaftspolitik eine leichte Beschleunigung des BIP-Wachstums in China auf 8,2 Prozent. Der chinesische Einkaufsmanagerindex – ein Indikator für die Industrieproduktion – habe sich in den letzten Monaten stabilisiert. „Im laufenden Jahr dürften die Investitionstätigkeit (+8,5 Prozent) und insbesondere die chinesischen Importe (+12,5 Prozent) wieder anziehen“, glaubt die Expertin. Dies verbessere die Aussichten deutscher Exporteure.

Die chinesische Regierung strebe die Stärkung des inländischen Konsums und des Binnenmarktes sowie den Aufbau eines Dienstleistungssektors an. Die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft soll zudem erhöht werden. „Dazu wurden sieben strategische Industrien definiert, deren Anteil am BIP bis 2015 von derzeit drei Prozent auf acht Prozent zunehmen soll“, so Stobbe. „Zu diesen Schwerpunkten zählen Energieeffizienz und Umweltschutz, Informationstechnologie, hochwertige Ausrüstungen, erneuerbare Energien, die Entwicklung neuer Werkstoffe und alternative Kfz-Antriebstechnologien.“ Um diese Branchen durch eine aktive Industriepolitik zu unterstützen, seien Fördermittel in Höhe von 1,2 Billionen Euro veranschlagt.

Chancen und Risiken durch politische Weichenstellungen Chinas

„Für deutsche Unternehmen bringen die politischen Weichenstellungen Chancen mit sich, aber auch Risiken“, resümiert Stobbe. Chancen biete der weitere Ausbau der chinesischen Infrastruktur, der z.B. die Nachfrage nach Maschinen und Anlagen sowie nach Fahrzeugen aller Art aus dem Ausland befördere. Auch die Modernisierung des Gesundheitswesens dürfte deutschen Herstellern von Medizintechnik nutzen. Durch den höheren Verbrauch der chinesischen Bevölkerung sollten Produzenten langlebiger Konsumgüter oder Autos profitieren.

„Das Bestreben Chinas, von ausländischen Technologien unabhängiger zu werden, birgt aber auch Risiken“, warnt Stobbe. Denn schon heute sei das Land der weltweit größte Maschinen- und Automobilproduzent. „Noch konzentriert sich das Angebot chinesischer Unternehmen aber z.B. vornehmlich auf einfachere Maschinen, während deutsche Unternehmen eine höherwertigere Produktpalette anbieten.“ Das Interesse einiger chinesischer Konkurrenten an bestimmten deutschen Unternehmen deute jedoch darauf hin, dass für sie technologisches Know-how und der Marktzugang von großem Interesse sind. „Die Bestrebungen der chinesischen Wirtschaftspolitik, die technologische Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Industrie zügig zu erhöhen und auch technisch höherwertige Maschinen anzubieten, dürften dazu führen, dass die chinesischen Anbieter in den nächsten Jahren die Wertschöpfungsleiter hinaufklettern“, prognostiziert Stobbe. „Die technologische Weiterentwicklung sowie der Aufbau von Kapazitäten dürfte von den chinesischen Unternehmen nicht nur dazu genutzt werden, den Heimatmarkt zu bedienen, sondern auch um die globalen Märkte zu beliefern.“ Dies bedeute für deutsche Unternehmen mehr Konkurrenz im Exportmarkt China und auf Drittmärkten.

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