Angst vor neuer Ölkrise
Der Angriff auf saudische Ölanlagen wird nicht spurlos an den Verbrauchern und der Weltkonjunktur vorbeigehen. Marktbeobachter fürchten den Beginn einer neuen Ölkrise.17.09.2019 | 15:02 Uhr von «Alexandra Jegers»
Mehrere Drohnen haben am Wochenende den größten Ölkomplex in Saudi-Arabien attackiert und in Brand gesetzt. Zu den Angriffen bekannten sich Huthi-Rebellen aus dem benachbarten Jemen. Die Attacke sei eine „legitime Antwort“ auf eine anhaltende Militärkampagne Saudi-Arabiens im Jemen, sagte ein Militärsprecher der Huthis. Das saudische Energieministerium spricht von Terrorismus. Die Ölproduktion ging nach dem Angriff um 5,7 Millionen Barrel auf die Hälfte des üblichen Volumens zurück. Die Folgen des Produktionseinbruchs sind bereits zu sehen: Bei Markteröffnung am Sonntag sprang der Preis für die Nordsee-Sorte Brent um mehr als 19 Prozent auf 71,95 US-Dollar je Barrel. Am Montag stiegen die Preise zeitweise noch einmal um bis zu 20 Prozent.
Verbraucher müssen sich auf weiter steigende Preise einstellen, sagt Robert Greil, Chefanlagestratege bei der Privatbank Merck Finck. Zwar dürften andere ölfördernde Staaten die Produktionsausfälle Saudi-Arabiens voraussichtlich durch eigene freie Ölreserven auffangen. „Die Mineralölindustrie wird die gestiegenen Preise aber zügig an die deutschen Autofahrer und Heizungsbetreiber weitergeben – auch wenn sie selbst das Phänomen wegen langfristig vereinbarter Abnahmepreise vielleicht erst einmal nur zum Teil zu spüren bekommt“, sagt Greil.
Droht ein offener Konflikt?
Für die globale Konjunktur kommt der Ölpreisschock zur Unzeit, vor allem für Deutschland, wo die Wirtschaft im zweiten Quartal erneut geschrumpft ist. Kurzfristig dürften sich die Auswirkungen auf Industrienationen zwar in Grenzen halten. Mit dem Ölpreisschock sei aber ein weiterer Risikofaktor dazu gekommen, der die ohnehin schwächelnde Konjunktur zusätzlich belastet. „Die Gefahr, dass der gestresste Ölmarkt die schwächelnde Wirtschaft in Mitleidenschaft zieht, ist klar gestiegen“, sagt Anlageprofi Greil. Ob sich die Sorge als berechtigt beweist, hängt vor allem davon ab, wie lange die Produktion gedrosselt bleibt. „Da mittlerweile von Wochen oder gar Monaten die Rede ist, gilt es, die Entwicklungen genau im Auge zu behalten“, sagt Greil.
Langfristig könnten die Folgen des Anschlags gravierend sein – nicht nur für die Wirtschaft, fürchtet Nitesh Shah, Leiter des Research-Bereichs beim Vermögensverwalter WisdomTree. Zwar haben sich Huthi-Rebellen zum Anschlag bekannt, zu ihren wichtigsten Unterstützern zählt aber der Iran. Der Anschlag könnte die Lage am Persischen Golf eskalieren lassen. „Der Konflikt könnte sich in einen offenen Krieg mit dem Iran verwandeln“, sagt Shah. Der Drohnenangriff reiht sich ein in eine Serie von Übergriffen beider Nationen. Iran hatte zuletzt Öltanker in der Straße von Hormus festgesetzt. Die Meerenge ist eine der wichtigsten Routen für den globalen Ölhandel: 90 Prozent der Exporte werden durch sie transportiert. „Das Risiko einer militärischen Intervention in der Region wächst von Tag zu Tag“, sagt Shah. Er spricht von einer „geopolitischen Prämie für Öl“. Diese dürfte weiter steigen.