Bellevue: Turbulenter Sommer für ägyptischen Aktienmarkt

Ägyptens Börse erlebte einen sehr unruhigen Sommer. Nach dem massiven Einbruch erschien uns eine Neubewertung des Investment Case für Ägypten erforderlich. Findet tatsächlich noch eine investitionsgetriebene Konjunkturerholung statt?

07.10.2015 | 15:46 Uhr

Ägyptens Börse erlebte einen sehr unruhigen Sommer. Heftige Korrekturen prägten den Juni, Juli und August. Der EGX30 durchbrach zahlreiche Unterstützungsniveaus und büsste insgesamt 17.5% ein. Unsere konservative Positionierung und raschen Portfolioanpassungen trugen dazu bei, die negativen Auswirkungen auf das Portfolio abzumildern. Nach diesem massiven Einbruch erschien uns allerdings eine Neubewertung des Investment Case für Ägypten erforderlich. Findet tatsächlich noch eine investitionsgetriebene Konjunkturerholung statt? Versprechen sich Unternehmen noch Vorteile von der Erholung? Der Markt ist voller negativer Top-Down-Ansichten und die Entwicklung in China hängt wie ein dunkler Schatten über den Schwellenländern, was im Kontrast zu dem optimistischeren Stimmungsbild steht, das sich uns im letzten Monat nach mehreren Treffen mit lokalen Unternehmen bot.

Boomende Handelsbanken: ROE-Guidance von über 35%

Handelsbanken gaben mit Blick auf ihre gesunden Bilanzen, ihre hohe Rentabilität und ihre Zuversicht wenig Anlass für den Ausverkauf im Sommer. Dieser Meinung war auch der IWF, dessen Vertreter dem Land im September einen Besuch abstatteten. Klassenprimus Commercial International Bank (CIB, 2016 P/B 2.2) ist auf dem besten Wege, im laufenden Jahr ein Kreditwachstum von 25% und einen ROE von rund 30% zu erwirtschaften. Für 2016 wird ein Wert von jeweils etwa 35% angestrebt. Die Bankenspitze sieht keine systematische Verschlechterung des Kreditumfeldes und ist der Ansicht, dass US-Devisen in angemessener Höhe vorhanden sind, um den derzeitigen Wachstumsanforderungen ihrer Kunden gerecht zu werden.

Credit Agricole Egypt (2016 P/B 1.6) erwartet einen ROE für 2015 von über 30% und für 2016 von über 35%. Die Bank hat ihre Cost-Income-Ratio erfolgreich von 48% im Jahr 2012 auf 34% im laufenden Jahr gesenkt. Das prognostizierte Kreditwachstum fällt mit 15% weniger aggressiv aus, wobei der Fokus dem Infrastruktursektor gilt, wo sich die Bank das Know-how ihrer französischen Muttergesellschaft zunutze machen kann. Letztgenannte betrachtet das Privatkundengeschäft in Ägypten als höchst interessanten Markt. Denn nur 10% der dortigen Bevölkerung haben ein Bankkonto und die Bankstellendichte liegt im Schnitt bei 23‘000 Einwohnern pro Bankfiliale, im Gegensatz zu Mexiko, wo sie sich auf 8‘200 Einwohner beläuft.

Noch günstiger bewertet ist etwa die zugegebenermassen qualitativ niedriger einzustufende Housing Development Bank (2016 P/B 1.1). Die halbstaatliche Bank scheint aus ihrem postrevolutionären Winterschlaf zu erwachen. Sie weist für das laufende Jahr ein ROE von 20% (bisher 10%) und ein Ergebniswachstum von über 100% auf. Die Dividendenrendite der Bank dürfte den Erwartungen zufolge 2015 von 7% auf über 10% steigen. Wachstumspläne in den unterversorgten Tier-2-Städten werden wieder vorangetrieben. Das gilt auch für ein von der ägyptischen Zentralbank unterstütztesPilotprojekt im Bereich der Hypothekenvergabe.

Immobilien: Wieder mit Bodenhaftung

Immobilientitel legten vom 4. Quartal 2013 bis März 2015 eine rasante Rally hin, wobei sich der Wert vieler Aktien mehr als verdoppelte.

Getrieben wurde der Sektor von der Annahme, dass Immobilien vor dem Hintergrund des derzeit inflationären Umfelds die Gunst der Ägypter gewinnen. Entsprechende Aktien erlebten jedoch im Sommer ein sehr böses Erwachen mit Kursverlusten von über 50%. Unternehmensvertreter, mit denen wir uns getroffen haben, gehen mittlerweile von realistischeren Annahmen aus. Sie erwarten bestenfalls Preiserhöhungen in Einklang mit der Inflation, was ausreichen würde, um steigende Baukosten auszugleichen und die Margen zu sichern. Gegenwärtig entsteht ein neues und interessantes Modell der Entwicklungszusammenarbeit zwischen Unternehmen mit einem bedeutenden Portfolio an Landreserven und Firmen mit starken Entwicklungs-, Vermarktungs- und Verkaufskompetenzen in diesem Bereich. Vor allem Palm Hills Development verfolgt diesen Ansatz und vermeidet damit ein zu hohes Grundstückswertrisiko in seinen Bilanzen. Seine Gegenpartei Madinet Nasr Housing and Development (MNHD) profitiert davon, einen hohen Wert aus ihren grossen Landreserven zu schöpfen, die zu ihren Anschaffungskosten aus den 1970ern in den Büchern geführt werden.

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