Bellevue: US Healthcare - Angst vor Veränderung schafft (erneut) Anlagechancen

Der auf allen Kanälen tobende Präsidentschaftswahlkampf in den USA lässt die laufenden konstruktiven Veränderungen im amerikanischen Gesundheitswesen in den Hintergrund treten. Die Healthcare-Experten von Bellevue Asset Management analysieren die anhaltenden Branchenumwälzungen und sehen daraus resultierende Anlagechancen im Healthcare-Sektor.

29.08.2016 | 10:47 Uhr

Sorgen bezüglich der wirtschaftlichen Auswirkungen des Affordable Care Act (ACA) auf die Gesundheitsbranche läuteten vor rund fünf Jahren eine längere Phase attraktiver Einstiegschancen im US-amerikanischen Gesundheitssektor ein. Dieser Trend hielt bis vergangenen Herbst an, als im Zuge der Präsidentschaftsvorwahlen Debatten über Preiskontrollen, die mögliche Einführung eines Single-Payer-Systems oder auch die vollständige Aufhebung des Affordable Care Act angestossen wurden. Die Börse reagierte negativ auf die vielstimmige und häufig widersprüchliche politische Diskussion; konfrontiert mit einer drohenden Zinswende und einer US-Wirtschaft, die Fahrt aufzunehmen schien, entschieden sich die Anleger für Gewinnmitnahmen und deutlich risikoärmere Investments. Janet Yellen beliess dann die Zinsen doch auf niedrigem Niveau, während als Folge des Brexit auch die ökonomischen Unsicherheiten weiter virulent bleiben. Für Healthcare-Anleger sind dies gute Neuigkeiten, da die Ertragslage der Branche 2017 besser auszufallen scheint, als dies prognostiziert worden war. Die Einschätzung der Healthcare-Experten für die kommenden Jahre, sowohl was die relative Bewertung gegenüber dem S&P 500 als auch das im historischen Vergleich niedrige KVG- und KVG-Wachstums-Verhältnis (PE/G-Ratio) angeht, ist daher ausgesprochen positiv. Dies gilt insbesondere für den Biotech-, Generika- und medizinischen Dienstleistungssektor. Günstige relative Wachstumsaussichten und eine hohe Cashflow-Generierung lassen auch den Medizintechniksektor weiter attraktiv erscheinen, obwohl er sich im Jahresverlauf bisher am besten entwickelte.

Die öffentliche Debatte über die Gesundheitspolitik in den USA wird bis zu den Wahlen im November an- und abschwellen, ebenso die Volatilität der Gesundheitsaktien. Für Investoren ergeben sich daraus interessante Investmentchancen. Die Portfolio Manager sind überzeugt davon, dass Anleger das tägliche „Hintergrundrauschen“ der politischen Diskussion ausblenden und realisieren sollten, dass die Gesundheitsbranche ein Teil der Lösung ist, nicht etwa das Problem. Folgende Gründe sprechen für einen attraktiven Einstiegszeitpunkt: (1) Der Ausgang der Präsidentschaftswahl ist derzeit völlig offen. Unabhängig davon, wer das Rennen macht, dürften die Republikaner zwar einige Sitze einbüssen, ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat jedoch behaupten. Mit schnellen Gesetzesänderungen ist daher nicht zu rechnen. (2) Der effektivste Weg zur Kappung der enormen Kosten im Gesundheitswesen dürfte vermutlich über die US-Bundesstaaten führen. Die in Massachusetts, New York und Kalifornien ergriffenen Massnahmen legen nahe, dass sich die Kostenexplosion auf diese Weise am ehesten in den Griff bekommen lässt. (3) Wenn sich diese Einschätzung als korrekt erweist, könnten Innovation und Konsolidierung die heissesten Investmentthemen im Jahr 2017 und darüber hinaus werden.

Die Reform des US-Gesundheitswesens ist unvermeidbar

Die USA geben über 17% des Bruttoinlandprodukts für die Gesundheit ihrer Bürger aus – mehr als jede andere Industrienation. Mit 11.5% steht die Schweiz zwar an zweiter Stelle, allerdings bei einem Pro-Kopf-BIP, das um 60% über demjenigen der Vereinigten Staaten liegt. Gesundheitsausgaben in dieser Höhe sind daher eindeutig zu hoch, sowohl für die US-Wirtschaft als auch für den Bundeshaushalt. Obamas Affordable Care Act sollte auch den weniger wohlhabenden Amerikanern den Zugang zu Gesundheitsleistungen eröffnen und gleichzeitig den Kostenanstieg deckeln. Leider leistete die Reform weder das eine noch das andere. Vielmehr bürdete sie der Mittelschicht eine enorme Steuerlast auf und dürfte somit einer der Gründe für die Konsumzurückhaltung gewesen sein, die die wirtschaftliche Erholung der USA in den vergangenen sechs Jahren verlangsamte. Natürlich sollte „Obamacare“ nicht grundsätzlich verdammt werden. So sind heute deutlich mehr US-Amerikaner krankenversichert, und einige Ungerechtigkeiten des früheren Systems wie z.B. die Verweigerung des Versicherungsschutzes bei Vorerkrankungen wurden abgeschafft. Damit ist die Reform aber noch nicht am Ziel. In der Bevölkerung ist sie nach wie vor äusserst unbeliebt, und es besteht immer noch die Möglichkeit, dass der Kongress durch die Streichung von Bundesmitteln den Geldhahn zudreht. Auch dies wäre selbstverständlich keine Lösung. Die Analyse der von Clinton und Trump vertretenen Positionen zur Gesundheitsreform offenbart allerdings wenig substanzielle Lösungsansätze für das eigentliche Problem: die Höhe und die dramatische Steigerung der Gesundheitskosten.

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