BNP Paribas AM: Factor Investing - Der Teufel steckt im Detail

Bei Aktienanlegern sind Investments in verschiedenen Risikofaktoren zunehmend gefragt, zumal es wissenschaftlich erwiesen ist, dass solche Factor Investing-Strategien gute Renditen abwerfen.

03.01.2018 | 09:24 Uhr

Eine Umsetzung erfolgt in der Regel über Aktienindexfonds oder ETFs, die auf die Faktoren Value (die niedrigsten Bewertungen), Quality (die beste Unternehmensführung), Low Risk (die niedrigsten Risiken) und Momentum (die besten Kurs- und Ertragstrends) ausgerichtet sind.

Dabei ist allerdings die jeweilige Allokation für den Erfolg entscheidend. Wie wir in unserer neuesten Studie aufzeigen, kann die risikobereinigte Mehrrendite einer faktorbasierten Anlagestrategie gesteigert werden, wenn man ungewollte Engagements in anderen, unrentablen Risikofaktoren sorgfältig beseitigt. Diesen Vorgang bezeichnen wir als „Bereinigung der Faktorprämien“.

Was sich ebenfalls auszahlt, ist die Diversifizierung der Informationen, auf deren Grundlage man feststellt, in welchem Maße eine Aktie die Value-, Quality-, Low-Risk- bzw. Momentum-Eigenschaften aufweist. Das nennen wir „Diversifizierung der Faktorprämien“. Wie wir in einer früheren Studie erläutert haben, lässt sich die risikobereinigte Rendite außerdem steigern, indem der aktiv verwaltete Teil eines faktorbasierten Portfolios dynamisch so angepasst wird, dass das aktive Gesamtrisiko eines Fonds gegenüber dem Referenzindex (Tracking Error) im Zeitverlauf konstant bleibt.

Die Ergebnisse unserer Analysen finden Sie im vierten Kapitel des im letzten Monat bei ISTE Press – Elsevier erschienenen Buches Factor Investing, From Traditional to Alternative Risk Premia von Emmanuel Jurczenko, Associate Dean und Professor of Finance an der Ecole Hôtelière de Lausanne.

Das Problem mit grob vereinfachten AnsätzenDie Wissenschaft wählt üblicherweise relativ vereinfachte Ansätze, um Faktorprämien zu belegen. Ein Beispiel dafür ist die auf der Website von Professor Ken French veröffentlichte Datensammlung, die die Performance einfacher Value- (bzw. HML-) und Momentum- (bzw. Mom-)Aktienstrategien aufzeigt. Diese Daten werden sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis häufig herangezogen, um das Engagement eines Fonds in den Faktoren Value und Momentum (bzw. den Renditebeitrag der entsprechenden Aktien) zu berechnen.

Der HML-Value-Faktor favorisiert einfach die preisgünstigsten Aktien (mit dem höchsten Buch-Marktwert-Verhältnis) gegenüber den teuersten Aktien (mit dem niedrigsten Buch-Marktwert-Verhältnis). Der Mom-Momentum-Faktor wiederum bevorzugt die Aktien mit den höchsten Renditen in den letzten zwölf Monaten (ohne den unmittelbar vorausgehenden Monat) gegenüber Aktien, die in dieser Hinsicht am schlechtesten abschneiden.

Eine Allokation nach diesen Gesichtspunkten würde dazu führen, dass Aktien in einem Long-only-Portfolio entweder über- oder untergewichtet werden. Die auf der Website von Ken French veröffentlichten Renditen können als die Überrenditen betrachtet werden, die durch eine solche Über- bzw. Untergewichtung der Aktien erzielt worden wären.

Dabei wird bei den HML-Value- und Mom-Momentum-Faktoren nur eine einzige Informationsquelle herangezogen. Es erfolgt also keinerlei Diversifizierung der Informationen, die genutzt werden, um Kurs oder Momentum einer Aktie zu beurteilen. Außerdem gewährleistet die Methodik von Ken French weder eine Branchenneutralität noch eine Neutralisierung der Risiken in Bezug auf das Marktportfolio (Beta).

Das führt dazu, dass die auf der Website von Ken French veröffentlichten Renditen aus dem HML-Value- und dem Mom-Momentum-Faktor möglicherweise ganz anderen Risikofaktoren zuzuschreiben sind (z. B. einem aktiv verwalteten Branchenrisiko) oder dass sie mit den Renditen des Marktportfolios korrelieren. Zudem sieht die Methodik von Ken French keine dynamische Anpassung des aktiv verwalteten Portfolioteils vor, um das aktive Risiko konstant zu halten. Die Volatilität der Renditen aus den HML-Value- und Mom-Momentum-Faktoren kann daher im Zeitverlauf sehr stark variieren.

Wie wir nachstehend aufzeigen, haben solche Vereinfachungen leider ihren Preis. Für Assetmanager, die in einem Aktienportfolio erfolgreiche Value- und Momentum-Strategien umsetzen möchten, greifen die HML- und Mom-Faktoren daher zu kurz.

Ungesteuerte Marktrisiken in den FaktorenGrafik 1 zeigt das Marktrisiko anhand des gleitenden Drei-Jahres-Betas der Portfoliostrategien in Bezug auf die mit US-Aktien erzielten Renditen aus den HML- Value- und Mom-Momentum-Faktoren auf der Grundlage der auf der Website von Ken French veröffentlichten Daten. Betrachten wir den Mom-Faktor, so hätte das Beta in den Jahren 1943 und 1966 ganze 1 und im Jahr 1940 gerade einmal -0,95 betragen, mit starken Schwankungen zwischen den einzelnen Jahren. Etwas weniger stark hat das Beta des HML-Faktors geschwankt, und zwar in einer Spanne zwischen 0,92 im Jahr 1944 und -0,65 im Jahr 2001. Dabei lag das Beta in den 1930er und 1940er Jahren meist über Null und ab den 1960er Jahren unter Null. Das bedeutet, dass die Renditen aus dem HML- und dem Mom-Faktor zumindest teilweise darauf zurückzuführen sind, dass sie häufig stark mit den Marktportfoliorenditen korrelieren.

Grafik 1: Beta der HML- und Mom-Faktoren



Quelle: BNP Paribas Asset Management und auf der Website von Ken French veröffentlichte Datensammlung.

Das hat beträchtliche Folgen. Nehmen wir den Mom-Faktor als Beispiel: Vom 22. September 2011 bis zum 21. September 2012 belief sich das durchschnittliche Beta auf -0,49. Der Beta-Beitrag aus dem Mom-Faktor beträgt demnach -14,50 %, wenn wir die positive (über dem Zinssatz liegende) Durchschnittsrendite von US-Aktien im selben Zeitraum berücksichtigen. Die durchschnittlichen Mehrrenditen aus den Mom-Portfolios beliefen sich im selben Zeitraum jedoch lediglich auf +0,08 %. Dies bedeutet, dass die Anleger bei einer Absicherung der Marktrisiken (d. h. bei einem Beta von Null) stattdessen eine Rendite von +14,58 % (das tatsächliche Alpha des Mom-Faktors) erwirtschaftet hätten.

Daraus lässt sich ableiten, dass der Mom-Faktor im entsprechenden Zeitraum eine positive Prämie erzielt hat, was allerdings durch die Tatsache verschleiert wird, dass das zugrundeliegende Portfolio nicht bereinigt wurde, um eine ungewollte negative Korrelation mit den Marktportfoliorenditen zu beseitigen. In anderen Worten wurde die unkorrelierte Prämienkomponente aus dem Mom-Faktor durch die negative Korrelation mit den Marktrenditen und die Tatsache, dass sich das Marktportfolio nachteilig entwickelt hat, vollständig aufgezehrt.

Dieses Beispiel macht deutlich, dass die längerfristige risikobereinigte Performance gesteigert werden kann, indem man Strategien, die auf Faktorprämien ausgerichtet sind, um ungewollte Risiken bereinigt. Zu den ungewollten Risikofaktoren gehören unter anderem auch Größen-, Branchen- und (bei globalen Portfolios) Länderrisiken.
Unkontrollierte FaktorvolatilitätGrafik 2 zeigt die gleitende historische Drei-Jahres-Volatilität der Renditen aus dem HML-Value- und dem Mom-Momentum-Faktor für US-Aktien unter Verwendung der auf der Website von Ken French veröffentlichten Daten. Daran zeigt sich, dass die Volatilität in diesen beiden Faktoren beträchtlich variieren kann. So lag sie im Jahr 1977 bei 3,3 % und im Jahr 2008 bei mehr als 27 %. Das bedeutet, dass die monatlichen Renditen aus den HML- und Mom-Faktoren in den 1970er Jahren im Monatsvergleich kaum, in den Jahren 2008-2009 jedoch wesentlich stärker schwankten. Folglich schlagen sich die 1970er Jahre weitaus weniger in den Durchschnittsrenditen aus dem HML-Value- und dem Mom-Momentum-Faktor nieder als beispielsweise die Jahre 2008 und 2009.

Grafik 2: Ex-post-Volatilität der HML- und Mom-Faktoren

Quelle: BNP Paribas Asset Management und auf der Website von Ken French veröffentlichte Datensammlung.

Wie wir in einer früheren Studie aufgezeigt haben, lässt sich die Volatilität der HML-Value und der Mom-Momentum-Faktoren äußerst treffsicher prognostizieren. Demzufolge kann durch die gesteuerte Anpassung des aktiv verwalteten Teils eines benchmarkgestützten Portfolios (d. h. durch die Veränderung der Gewichtung der Value- und Momentum-Aktien) längerfristig ein konstantes aktives Risiko (Tracking Error) erreicht werden.

In derselben Studie haben wir zudem dargelegt, dass die HML-Faktorprämien und vor allem die Mom-Faktorprämien negativ mit dem jeweils zugrundeliegenden aktiven Risiko korrelieren. Aus diesem Grund lassen sich die risikobereinigten Renditen steigern, indem der aktive Portfolioteil so gesteuert wird, dass das Engagement in den HML-Value- und Mom-Momentum-Faktoren reduziert wird, wenn das mit ihnen verbundene aktive Risiko steigt und die Durchschnittsrenditen sinken (und vice versa) – ein einfacher Timing-Effekt, den wir in einem früheren Blogbeitrag näher erläutert haben.

Daran wird deutlich, wie wichtig es ist, die aktive Gewichtung in einem benchmarkgestützten Portfolio bzw. die Leverage in einem Long-Short-Portfolio zu steuern, um das aktive Risiko im Zeitverlauf konstant zu halten.

Diversifizierung der für die Faktoren herangezogenen Informationsquellen

Über die Faktoren Value, Quality, Low Risk und Momentum wurde in der Fachliteratur viel geschrieben. Letztlich sind sich die Experten jedoch nicht einig, welche Indikatoren sich am besten eignen, um zu beurteilen, ob ein Unternehmen niedrig bewertet, rentabel, gut geführt oder weniger riskant ist oder wie robust sein Kurs- und Ertragstrend ist. Aus diesem Grund haben wir unseren Analysen möglichst viele der wissenschaftlich vorgeschlagenen Indikatoren (Tabelle 1) zugrunde gelegt.

Aufgrund von Diversifizierungseffekten lassen sich die risikobereinigten Renditen steigern, indem eine möglichst große Menge an Informationen für die einzelnen Faktoren herangezogen wird. In der genannten Studie haben wir auch erörtert, in welchem Maße die risikobereinigten Renditen hierdurch gesteigert werden können.

Tabelle 1: Auflistung aller Faktoren, die wir in unseren Analysen verwendet haben

In welchem Maße lassen sich die risikobereinigten Faktorprämien steigern?

Durch die Beseitigung ungewollter Risiken aus Factor-Investing-Strategien mit dem Ziel einer konstanten Volatilität und einer Diversifizierung der Informationsquellen lassen sich enorme Renditevorteile erzielen. Tabelle 2 zeigt die erwartete durchschnittliche Information Ratio für ein Investment in den Faktoren Value, Quality, Momentum und Low Risk, wenn man nur einen Indikator heranzieht, die aktive Gewichtung im Zeitverlauf unverändert lässt und auf eine Absicherung von Markt-, Branchen-, Länder- und Größenrisiken verzichtet.

Diesen Ansatz nennen wir „grob vereinfacht“. Dem wird die Information Ratio aus robusten Factor Investing-strategien gegenübergestellt, die alle in Tabelle 1 genannten Informationsquellen gleich gewichten und die aktive Allokation dynamisch so anpassen, dass eine konstante Volatilität erreicht wird. Außerdem werden dabei sämtliche Markt-, Branchen- und Länderrisiken neutralisiert und eine möglichst neutrale Ausrichtung in Bezug auf die Marktkapitalisierung sichergestellt. Diesen Ansatz nennen wir „bereinigt und diversifiziert“.

Es wird deutlich, dass sich dadurch die Information Ratio in allen Faktoren wesentlich steigern lässt. Die letzte Zeile zeigt den Effekt auf das Multi-Faktor-Portfolio, wenn alle Informationsquellen für die Faktoren Value, Quality, Momentum und Low Risk (Tabelle 1) in einer einzigen Strategie berücksichtigt werden. Die Ergebnisse sind beachtlich.

Tabelle 2: Simulierte Information Ratios für grob vereinfachte und für robuste Faktorstrategien. Es zeigt sich, wie außerordentlich wichtig es ist, ungewollte Risiken zu beseitigen, die Gesamtvolatilität zu steuern und die Informationsquellen zu diversifizieren.

Erläuterung:Global: Aktienuniversum des MSCI; Weltindex von Januar 1997 bis November 2016; Ergebnisse in US-Dollar. USA: Aktienuniversum des S&P 500 von Januar 1990 bis November 2016; Ergebnisse in US-Dollar. Europa: Aktienuniversum des STOXX Europe 600 von Januar 1992 bis Dezember 1998; Ergebnisse von 1990 bis 1998 in D-Mark und von Januar 1999 bis November 2016 in Euro. Japan: Aktienuniversum des Topix 500 von August 1993 bis November 2016; Ergebnisse in japanischen Yen.

Quelle: BNP Paribas AM, FactSet, MSCI, S&P, Topix, Stoxx, Worldscope und Exshare.

Fazit – Factor Investing: Der Teufel steckt im Detail

Die Grundidee hinter dem Factor Investing ist nicht kompliziert: Man versucht, ein Portfolio mit den am niedrigsten bewerteten, rentabelsten und am besten geführten Unternehmen mit den geringsten Risiken und den besten Kurs- und Ertragstrends zusammenzustellen.

Nicht ganz so einfach ist es hingegen, die Allokation und Diversifizierung so zu wählen, dass das Portfolio auch entsprechend rentiert. Ein auf Factor Investing-Strategien beruhendes Portfolio kann die Anleger schnell enttäuschen, wenn es nicht sorgfältig diversifiziert und bereinigt wird.

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