Capital Group: Der Technologieboom ist keine Dotcom-Blase

Die Aktien vieler Technologiegiganten stehen auf Rekordhochs. Da überrascht es nicht, dass Vergleiche zur Dotcom-Blase gezogen werden. Aber der neue Boom ist anders: Vier Abbildungen, die zeigen, dass dieser Technologieboom keine Dotcom-Blase ist.

21.12.2017 | 12:26 Uhr

Die führenden Unternehmen erwirtschaften stabile Gewinne und enorme Cashflows, auch dank großer Marktanteile und hoher Markteintrittsschranken. Zwar besteht kein Zweifel, dass die Bewertungen zurzeit hoch sind, aber von den Übertreibungen der Dotcom-Ära sind sie meilenweit entfernt.

Lesen Sie, was die Portfoliomanager und Analysten der Capital Group dazu sagen: 

1.  Anders als bei der Dotcom-Blase laufen Gewinne und Kurse nicht auseinander

(Höhepunkt der Dotcom-Blase; IT-Anteil an der Gesamtmarktkapitalisierung; IT-Anteil an den Unternehmensgewinnen;
Quellen: FactSet, Standard & Poor’s. Stand 30. Juni 2017.)

Irfan Furniturewala, Investmentanalyst für amerikanische Hardware- und Halbleiterunternehmen:

Wir leben in einer neuen Zeit. Im Technologieboom der späten 1990-er Jahre, der Anfang 2000 seinen Höhepunkt erreichte, hatten sich die Aktienkurse von Internetfirmen weit von den möglichen Unternehmensgewinnen entfernt. Die Bewertungen stiegen dadurch auf Extremwerte. Heute ist das anders: Die Gewinne von Technologieunternehmen und ihre Aktienkurse sind wesentlich synchroner.

Ein großer Unterschied zur Dotcom-Ära ist, dass Technologieaktien insgesamt heute keineswegs übertrieben teuer sind. Kurz vor der Markteinführung des iPhone 8 notiert Apple zum vierzehnfachen der Konsens- Gewinnerwartungen für die nächsten zwölf Monate. Microsoft und Google notieren zu weniger als dem fünfundzwanzigfachen der erwarteten Gewinne. Natürlich liegen die Bewertungen über denen des Gesamtmarkts. Es gibt aber auch gute Argumente für Gewinnzuwächse, durch die sich die Bewertungen am Ende als gerechtfertigt erweisen.

Die fünf großen Technologieunternehmen (Alphabet, Amazon, Apple, Facebook und Microsoft) haben aus den Fehlern der Großunternehmen in der Dotcom-Ära gelernt. Sie achten wesentlich genauer darauf, dass ihre Technologien – und Geschäftsmodelle – zukunftsfähig sind. Solchen Unternehmen scheint nicht die Luft auszugehen. Wenn überhaupt, setzen sie noch mehr auf neue Technologien wie künstliche Intelligenz und autonomes Fahren, sodass die Markteintrittsschranken für Start-ups, aber auch für etablierte Unternehmen immer höher werden. Beispielsweise drängt Google mit seiner Suchmaschine Unternehmen wie Yelp und TripAdvisor an den Rand, und Apple, Microsoft, Alphabet sowie Amazon geben jährlich über 10 Milliarden US- Dollar für Forschung und Entwicklung aus. Die Markteintrittsschranken für Newcomer werden dadurch immer höher. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich der Technologiesektor in den nächsten 20 Jahren massiv ändert und diese Unternehmen an der Spitze des Wandels stehen.

2.  Technologieunternehmen haben gut gefüllte Kassen

(Barmittel in % der Marktkapitalisierung; Nur 2,7% unmittelbar vor der Technologieblase; Stets über 10% in den letzten zehn Jahren;
Quellen: FactSet, Standard & Poor’s. Stand 30. Juni 2017.)

Jody Jonsson, Aktienportfoliomanagerin:

Anders als während der Technologieblase sind die Kassen der Technologieunternehmen heute gut gefüllt.

Die besseren Unternehmensfinanzen zeigen, wie gut die Geschäftsmodelle sind. In den USA haben nur wenige Unternehmen außerhalb des Finanzsektors so gut gefüllte Kassen wie Apple, Microsoft und Alphabet. Apple und Microsoft zahlen sogar  vierteljährliche  Dividenden.  Wie  anders  war  es  noch  vor  zehn  Jahren, als allein  der  Gedanke an dividendenzahlende  Technologieunternehmen  als  Hinweis  auf rückläufiges Wachstum galt.

Die Umsätze der größten Technologieunternehmen wachsen stark, ihre Cashflows sind hoch und ihre Gewinne sind es auch. Die Unternehmen haben starke Marktpositionen und Preismacht. Als Investor kann man sich solche fast monopolistischen Unternehmen kaum entgehen lassen. Andererseits drohen aber auch Gefahren, da die Aufsichtsbehörden sie genauer unter die Lupe nehmen und die Politik sensibler für die gesellschaftlichen Folgen möglicher Probleme bei diesen Unternehmen wird.

Im Technologiebereich haben sich die Geschäftsmodelle geändert, ebenso wie die Konsummuster. Der Sektor scheint daher heute weniger konjunktursensitiv als früher. Hinzu kommt, dass Technologieaktien längst nicht mehr so volatil sind wie in der Vergangenheit. Wer heute in Technologie investiert, möchte verlässliches Wachstum. Traditionelle Konsumwerte bieten das immer seltener, nicht zuletzt aufgrund des „Amazon-Effekts.“ All dies hat Investoren veranlasst, mehr in Technologiewerte zu investieren. Dennoch: Bei den derzeitigen Bewertungen und der derzeitigen Marktstimmung könnte es durchaus zu einem Rückschlag kommen, der dann nicht nur den Technologiesektor, sondern auch andere Wachstumswerte betrifft, die traditionell hoch mit ihm korreliert sind. Für die Fundamentaldaten von Technologieaktien sind wir sehr optimistisch, doch andererseits sind all diese Positivfaktoren auch anderen Marktteilnehmern bekannt.

3. Die Bewertungen liegen meilenweit unter denen von 1999

(KGV des S&P-500-Sektors Informationstechnologie; Quellen: FactSet, Standard & Poor’s. Stand 30. Juni 2017.)

Larry Solomon, Aktienportfoliomanager:

1999/2000 wurde viel mehr spekuliert als heute.

Die führenden Technologieaktien sind heute keineswegs billig. Meiner Ansicht nach sind sie aber bei weitem nicht so überbewertet wie die beliebtesten Aktien im Jahr 1999. Man kann sich gut vorstellen, dass die derzeitigen Marktführer (Apple, Alphabet, Amazon, Microsoft und Facebook) so stark wachsen, dass die Bewertungen am Ende gerechtfertigt sind. Die Unternehmen sind gut positioniert, um von der wachsenden VerbreitungvonMobiltelefonen, E-Commerce, Cloud Computing und mobilem Zahlungsverkehr zu profitieren. All dies sind langfristige Entwicklungen; die Frage ist nur, wieviel man heute für sie zu zahlen bereit ist.

Traditionell hängen die Aktienkurse von den Gesamtumsätzen und Gesamtgewinnen der Unternehmen ab. Doch heute scheinen die Bewertungen mancher Unternehmen lediglich kleine Teile des Gesamtgeschäfts zu berücksichtigen. Die Gewinne sind dann mäßig, aber man hofft, dass sie irgendwann steigen. Dieser sorglose Umgang mit Gewinnen und Bewertungen ist ein Grund für meine Vorsicht.

4. Im Internet gilt „Winner takes most”

(Kumulierter Gesamtertrag in den letzten fünf Jahren; Quelle: Thomson Reuters, Stand 18. Juli 2017.)

Will Craig, Investmentanalyst für internationale Internetfirmen

Die Dynamik des Internets hat dazu geführt, dass die Gewinner einen enormen Vorsprung haben: „Winner takes most.“ Die größten Unternehmen – wie Facebook, Amazon und Alphabet – profitieren überdurchschnittlich vom Marktwachstum. In den letzten Jahren sind sie mit zunehmender Größe sogar noch schneller gewachsen. Die Unternehmen werden mehr und mehr allgegenwärtig, da ihre Dienste zu einem festen Bestandteil des Lebens vieler Menschen werden, ähnlich klassischen Haushaltsprodukten. Ihre Plattformen werden Teil des Alltags, die Umsätze wachsen und die Cashflows sind hoch.

Für kleinere und mittelgroße Internetfirmen wird das Leben damit schwieriger. Ihnen fällt es immer schwerer, mit Google, Facebook und Amazon schrittzuhalten. Kleinere Internetfirmen haben Probleme mit der Kundenloyalität und der Markenbekanntheit, was die direkten Zugriffe auf ihre Webseiten begrenzt. Es fällt ihnen auch schwerer, ähnlich gute Ingenieure für sich zu gewinnen und aufgrund ihrer schwächeren Finanzausstattung haben sie Probleme, ihre Position zu verteidigen. Für die Langfristaussichten dieser Firmen ist das nicht gut. Man könnte meinen, dass für kleine und mittelgroße Internetfirmen ein langfristiger Abwärtstrend begonnen hat.

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