Capital Group: Elektroautos auf der Überholspur

Wann werden sich alternative Antriebe im großen Stil durchsetzen? Und welche Branchen und Unternehmen werden davon profitieren? Diese Fragen werden von Marktteilnehmern viel diskutiert.

11.03.2021 | 10:21 Uhr

Chris Buchbinder, Aktien-Portfoliomanager bei Capital Group, ist überzeugt, dass das Zeitalter der Elektroautos längst eingeläutet wurde – und zwar früher als von vielen erwartet. Außerdem analysiert er, wie Investoren von dem Trend profitieren können. Seine drei Kernthesen:

  • Neue Entwicklungen werden Elektrofahrzeuge wettbewerbsfähig gegenüber der gesamten vorhandenen Fahrzeugflotte auf der Straße machen – inklusive der Gebrauchtwagen. Wir sprechen da von etwa 270 oder 280 Millionen Fahrzeugen allein in den USA. Langfristig betrachtet ergibt das gegebenenfalls ein viel stärkeres Wachstum, als der Markt annimmt.“
  • „Ich denke 2030 wird es weit verbreitete Flotten autonomer Elektrofahrzeuge in den meisten größeren und vielen kleineren Städten weltweit geben. Viele Leute werden nach wie vor Autos besitzen. Doch ein eigenes Auto wird keine Notwendigkeit mehr sein, sondern Luxus.“
  • „Sowohl etablierte Unternehmen als auch Start-ups können ein leistungsfähiges, auf Software und geistigem Eigentum basierendes Geschäftsmodell aufbauen.“

Unterschätztes Potenzial

General Motors gab im Januar bekannt, dass es bis 2035 die Produktion von Benzin- und Diesel-Fahrzeugen einstellen wird. Volkswagen verkündete, in den kommenden fünf Jahren rund 86 Milliarden US-Dollar in die Entwicklung von Elektrofahrzeugen, digitalen Fabriken und selbstfahrenden Autos zu investieren. Tesla prognostiziert ein Absatzwachstum von 50 Prozent pro Jahr – und die Internationale Energieagentur schätzt, dass innerhalb des nächsten Jahrzehnts jährlich circa 28 Prozent mehr Elektrofahrzeuge verkauft werden. All dies sind laut Buchbinder Gründe dafür, dass die Ära der alternativen Antriebe bereits begonnen hat. Tatsächlich hält er die Prognosen sogar eher für konservativ – insbesondere aufgrund der sich weltweit verschärfenden Abgasnormen und der zunehmend attraktiveren Kostenbasis für Verbraucher. „Neue Entwicklungen werden Elektrofahrzeuge möglicherweise nicht nur wettbewerbsfähig gegenüber neuen Autos mit Verbrennungsmotoren, sondern auch gegenüber der gesamten vorhandenen Fahrzeugflotte auf der Straße machen – inklusive der Gebrauchtwagen“, so Buchbinder. „Wir sprechen da von etwa 270 oder 280 Millionen Fahrzeugen allein in den USA. Langfristig betrachtet, ergibt das gegebenenfalls ein viel stärkeres Wachstum, als der Markt annimmt.“

Abo-Pakete als zusätzliche Einnahmequelle

Der Siegeszug der batteriebetriebenen Fahrzeuge verändere das wirtschaftliche Umfeld der weltweiten Automobilindustrie nachhaltig. Indem die Unternehmen ihre Flotten von Elektrofahrzeugen ausbauten, schüfen sie sich auch eine Basis für potenzielle Serviceerträge. „Egal, ob es sich um klassische Autohersteller oder um Start-ups handelt – Unternehmen, die sich den strukturellen Wandel zu eigen machen und diese Fortschritte schnell auf den Markt bringen, haben langfristig die besseren Karten“, sagt Buchbinder. Eine Innovation, die das gesamte Kundenerlebnis transformiere, seien Software-definierte Elektrofahrzeuge. Die Software dieser Autos könne so genannte Over-The-Air-Updates erhalten, welche die Funktionalität und Sicherheit verbesserten oder Unterhaltungsmöglichkeiten böten. „Innovativere Hersteller könnten so Fahrzeuge konstruieren, die lern- und verbesserungsfähig sind, sicherer werden und im Laufe der Zeit zusätzliche Services bieten“, erläutert Buchbinder. „Mit diesem Ansatz kann ein Elektrofahrzeughersteller einen Teil des heftigen Wertverlusts ausgleichen, der mit älteren Autos verbunden ist.“ Dies macht den Kauf eines Elektrofahrzeugs attraktiv. Interessant seien Buchbinder zufolge insbesondere Unternehmen, die neben dem Erlös aus dem Autoverkauf auch Einnahmen über Abo-Pakete erwirtschaften. Diese Abo-Pakete könnten beispielsweise das Batteriemanagement, die Unterhaltung, Sicherheitsverbesserungen oder Selbstfahrtechnologie enthalten.

Disruptive Änderungen durch autonomes Fahren

Das autonome Fahren könne dabei das bedeutendste Softwareupdate werden. „In den nächsten paar Jahren werden selbstfahrende Autos in weitere Märkte vordringen“, betont Buchbinder. „Ich denke 2030 wird es weit verbreitete Flotten autonomer Elektrofahrzeuge in den meisten größeren und vielen kleineren Städten weltweit geben. Viele Leute werden nach wie vor Autos besitzen. Doch ein eigenes Auto wird keine Notwendigkeit mehr sein, sondern Luxus.“ Die Fortschritte in diesen Bereichen würden die Branche vermutlich in den kommenden Jahren neu definieren. „Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass aufgrund einer so disruptiven Änderung und der Start-ups, die bereits auf der Jagd nach Marktanteilen sind, die Platzhirsche um ihr Überleben kämpfen müssen“, so Buchbinder. Altgediente Autohersteller müssten sich mit der Abschreibung alter Fabriken, dem Management der Beziehungen zu ihren Lieferanten und schrumpfenden Gewinnen herumschlagen. Jedoch verfügten sie über riesige Ressourcen und weltweite Fertigungskapazitäten. Start-ups hingegen könnten sich schwertun, die Produktion hochzufahren. „Folglich können sowohl etablierte Unternehmen als auch Start-ups ein leistungsfähiges, auf Software und geistigem Eigentum basierendes Geschäftsmodell aufbauen“, sagt Buchbinder.

Der Wandel der weltweiten Autoindustrie werde sich aber auch drastisch auf andere Branchen auswirken – darunter Energie, Versorgung, Fertigung, Bergbau und Versicherung. Folglich ist es laut Buchbinder sinnvoll, auch diese Branchen und die in diesen stattfindenden Veränderungen genau im Auge zu behalten.

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