Capital Group: Europa, Japan, Dividenden, Gesundheit – vier spannende Trends für 2023
Wir stehen vor einer neuen Epoche am Aktienmarkt, zu dieser Erkenntnis kommt Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group. Durch die Veränderungen ergeben sich neue Chancen für Anleger. Braun fasst vier davon zusammen.17.01.2023 | 09:32 Uhr
1. Mildere Rezession könnte gut für europäische
Aktien sein
Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine sei Energiesicherheit in Europa
schnell zum wichtigsten Thema geworden. „Europa steht am Rande einer Rezession,
aber wir rechnen mit einem weniger scharfen Abschwung als befürchtet",
sagt Braun. Grund dafür sei die veränderte Energienachfrage. Europa sei es
gelungen, russisches Öl und Gas in großem Umfang durch andere Energieträger zu
ersetzen. Dadurch werde es unwahrscheinlich, dass Industrieproduktion und
Energieverbrauch stark gesenkt werden müssen. Gerade die Schwerindustrie habe
erfolgreich neue Energiequellen erschlossen, was die Folgen für das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) mindern dürfte.
„Eine mildere Rezession könnte gut für europäische Titel sein, da diese noch immer deutlich niedriger bewertet sind als US-Titel", erläutert Braun. „Wenn die Inflation nicht weiter ansteigt, könnten die EZB und die Bank of England die Straffung der Geldpolitik beenden.“
2. Die Lieferketten ändern sich – Japan als Profiteur?
Die Stabilisierung der Lieferketten sei im Jahr 2022 eine der Hauptprioritäten
gewesen, damit die Wirtschaft trotz der immer unsichereren Weltlage keinen
Schaden nehme. „Investoren müssen Unternehmen finden, die beim Absatz wie beim
Einkauf nicht hauptsächlich von einem einzelnen Markt abhängen“, so Braun. „Um
Schwächen der Lieferketten zu beheben, sind Innovationen nötig.“
Besonders der japanische Markt sei schon lange für moderne Automatisierungstechnik bekannt. Wenn Unternehmen zur Kostensenkung jetzt verstärkt Industrieroboter einsetzen würden, könnte die japanische Technologie noch wichtiger werden. Die japanischen Weltmarktführer in den Bereichen Halbleiter, Präzisionsinstrumente und Automatisierung könnten von der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft und der Energiewende profitieren. Japanische Aktien könnten zudem von ihren im Vergleich zu den USA und Europa günstigen Bewertungen profitieren.
3. Das Comeback der Dividende
Über die vergangene Dekade seien Dividenden für viele Investoren kaum ein Thema
gewesen. Angesichts der zweistelligen Kursgewinne amerikanischer Technologie-
und Konsumgüteraktien schienen die regelmäßigen Ausschüttungen uninteressant.
„Was früher langweilig war, ist heute attraktiv“, stellt Braun fest. „Das
Wachstum lässt nach, die Kapitalkosten steigen, und die Bewertungen wenig
rentabler Technologieunternehmen fallen. Ich glaube deshalb, dass Dividenden
demnächst einen größeren und stabilen Anteil an den Gesamterträgen haben
werden.“
In den 2010er-Jahren seien gerade einmal 16 Prozent des Gesamtertrages des S&P 500 auf Dividenden entfallen. Zum Vergleich: In den 1970er-Jahren mit hoher Inflation seien es über 70 Prozent gewesen. „Wenn nur mit einstelligem Wachstum zu rechnen ist, könnten Dividenden wieder wichtig werden“, sagt Braun. „In volatilen Zeiten können die Ausschüttungen darüber hinaus die Erträge stabilisieren.“ Unternehmen mit bislang stabilen, überdurchschnittlichen Dividenden seien in unterschiedlichen Sektoren wie Finanzen, Energie, Grundstoffe und Gesundheit zu finden.
4. Gesundheitswerte könnten die nächste Hausse anführen
Wenn die Märkte sich nach einer Baisse erholen, seien oft andere Aktien
federführend als zuvor. „Aufgrund der hohen Kapitalkosten könnten diesmal
Aktien von Unternehmen mit hohen verlässlichen Cashflows von der Erholung
profitieren“, erläutert Braun. Ein Beispiel sei der Gesundheitssektor mit
seinen innovativen und finanzstarken Pharmaunternehmen, die noch dazu viel
Preismacht hätten. Bei sehr gut geführten Pharmaunternehmen könne Braun sich
vorstellen, dass diese die nächste Hausse anführen.
So hätten goldene Zeiten für die Medikamentenentwicklung begonnen und die Lebensqualität der Menschen könne sich deutlich verbessern. „Wir rechnen mit vielversprechenden Chancen für Investitionen in den Gesundheitssektor“, so Braun. „Da aber nicht alle Medikamente kommerziell erfolgreich sein werden, muss man wählerisch sein.“