Capital Group: Small Caps – Sieben Anlagechancen in 2024
In den letzten Jahren konnten sich Small Caps nicht so kräftig entwickeln wie Large Caps. Sollte die US-Notenbank jedoch wie erwartet 2024 die Zinsen senken, könnten sich ihre Aussichten verbessern.19.03.2024 | 12:05 Uhr
Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group, sieht sieben Bereiche, in denen sich noch in diesem Jahr für Small Caps erhebliche Chancen ergeben dürften.
Nr. 1: Ausbau der globalen Infrastruktur
Die Bereitschaft der US-Regierung, die zum Teil marode Infrastruktur in den USA
zu modernisieren, sowie der Wunsch vieler Unternehmen, ihre Lieferketten
stärker abzusichern, hätten dem Industriesektor neues Leben eingehaucht.
Erhebliche Investitionen von Regierungsseite sowie von multinationalen
Unternehmen dürften in den kommenden Jahren für eine anhaltende Nachfrage
sorgen. Interessant seien beispielsweise Unternehmen, die Installationsdienste
für Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen (HVAC) anbieten. „Dies ist ein
Wachstumsbereich, in dem sich kleinere Unternehmen Marktanteile und schwer zu
reproduzierende Vertriebsnetze gesichert haben, was ihnen eine starke
Preissetzungsmacht verleiht“, erklärt Braun.
Nr. 2: Europäische Industriekonzerne
„Akquisitionsstarke Industriekonzerne, die mehrere Unternehmen unter einem Dach
vereinen, können echte Wertschöpfer sein. Wir sehen das vor allem in
Nordeuropa“, sagt Braun. Diese Unternehmen könnten profitabel skalieren und
durch eine Kombination aus Dividenden, organischem Wachstum und erworbenen
Gewinnen aus Fusionen und Übernahmen (M&A) über längere Zeiträume
überzeugende Gesamtrenditen erzielen. „Die Philosophie dieser Konzerne ist
recht einfach: Sie erwerben in der Regel Unternehmen mit einem Jahresumsatz von
weniger als 10 Millionen US-Dollar für einen Betrag, der geringer ist als das
Zehnfache des Gewinns vor Steuern und Zinsen. Nach der Übernahme halten sie
diese Unternehmen in einem dezentralen Betriebsmodell unabhängig voneinander“,
so Braun. Da sie nur kleine Übernahmen tätigen würden, stünden diese
Industriekonzerne weniger in Konkurrenz mit Private-Equity-Käufern und könnten
niedrigere Bewertungsmultiplikatoren zahlen.
Nr. 3: KI eröffnet Chancen
Chancen böten sich auch in Branchen, die von künstlicher Intelligenz (KI)
profitierten. So treibe KI nicht nur das Wachstum in der globalen
Halbleiterindustrie voran, weil Hochleistungs-Computerchips benötigt würden, um
KI-Anwendungen zu betreiben. Auch die Hersteller von Spezialchemikalien, Gasen
und Klebstoffen, die in der Halbleiterproduktion und -verpackung verwendet
werden, würden profitieren. „Dieser Bereich wird von einigen wenigen
japanischen Unternehmen beherrscht“, sagt Braun. „Hier sehen wir monopolähnliche
Strukturen, weshalb diese Unternehmen kaum zu verdrängen sind.“ Auch
IT-Dienstleistungsunternehmen würden einen Anstieg der Aufträge verzeichnen,
weil große Unternehmen ihre bestehende Technologie mit KI aufrüsten
wollten.
Nr. 4: Indien ist ein fruchtbarer Boden für Small Caps
Indiens boomende Wirtschaft, der wachsende Wohnungsmarkt und die digitale
Infrastruktur machen das Land aus Sicht des Experten zu einem attraktiven
Jagdrevier auf der Suche nach schnell wachsenden Unternehmen. Die Bandbreite
sei groß: von Getränkeherstellern über Chemielieferanten bis hin zu privaten
Krankenhausbetreibern. Auch im Finanzsektor gebe es mehr Anlagemöglichkeiten.
Diese sind auf eine neue Generation von Vermögensverwaltungsfirmen, Anbieter
von Hypothekenkrediten und mobilfunkbasierte Finanzplattformen zurückzuführen.
Zudem habe die Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen, die ihre Aktien an
den öffentlichen Aktienmärkten anböten, zugenommen.
Allerdings notiere der indische Aktienmarkt derzeit auf einem Rekordhoch; die Bewertungen seien in einigen Fällen teuer geworden. „Wir gehen deshalb selektiv vor“, so Braun. „Wir erkennen aber auch an, dass es sich um einen Markt mit starkem Wachstum handelt. Wenn ein Unternehmen das Potenzial hat, seinen Gewinn in absehbarer Zukunft deutlich zu steigern, ist die Aktie möglicherweise auf lange Sicht doch nicht so teuer. Um dies beurteilen zu können, ist umfangreiches Bottom-up-Research unerlässlich.“
Nr. 5: Griechische Banken
Chancen sieht Braun auch auf dem griechischen Geschäftsbankenmarkt. Dieser habe
sich in den letzten Jahren stark verändert: Von etwa 25 Banken habe nur eine
Handvoll überlebt. Die verbleibenden Banken seien überkapitalisiert, und es
gebe weniger Wettbewerb um Kredite, was im Vergleich zu anderen europäischen
Ländern zu einer kostengünstigen Einlagenbasis geführt habe. „Insgesamt werden
die griechischen Banken auf relativer Basis zu attraktiven Bewertungen
gehandelt“, urteilt Braun. „Zudem besteht Potenzial für Dividenden, was die
Gesamtrendite der Aktien erhöhen könnte.“
Nr. 6: Biotechnologie könnte sich 2024 erholen
Im Biotechnologiesektor könnten die Bewertungen aus Sicht Brauns ihren
Tiefpunkt erreicht haben, was wiederum Chancen mit sich bringen würde. „Die
Aktienkurse im Biotech-Bereich neigen dazu, sich mit den Finanzzyklen zu
bewegen. Sobald die Zinssätze sinken, könnte sich dies entsprechend positiv
auswirken“, so Braun. Die Zunahme der Fusions- und Übernahmetätigkeit in den
letzten Monaten wertet er als erstes positives Signal. „Wir sind auf der Suche
nach Unternehmen, deren Bewertungen durch den Zinsanstieg in den Keller
gegangen sind“, sagt Braun. „Wir glauben, dass der Innovations- und
Produktzyklus für Medikamente zur Behandlung einer Reihe von Krankheiten,
darunter Alzheimer, sehr dynamisch ist.“ Ein weiterer potenzieller
Wachstumsbereich seien Unternehmen, die spezialisierte Werkzeuge und
Materialien liefern, welche von globalen Pharmariesen benötigt werden.
Nr. 7: Chancen durch wiederbelebten IPO-Markt
Börsengänge könnten Anlegern 2024 ebenfalls Gelegenheiten bieten, zu
vernünftigen Bewertungen in vielversprechende Unternehmen zu investieren.
„Angesichts der Erwartung, dass sich die großen globalen Zentralbanken dem Ende
des Zinserhöhungszyklus nähern, besteht die Hoffnung, dass sich die
IPO-Aktivität nach ein paar ruhigen Jahren wieder erholen wird“, sagt der
Aktienexperte. Dies eröffne Chancen. Denn die Erfahrungen der Vergangenheit
hätten gezeigt, dass nach Zeiten mit weniger Börsengängen oft qualitativ
hochwertigere Unternehmen als erste auf den Markt gebracht würden. Diese
Unternehmen würden zudem in der Regel zu günstigeren Bewertungen angeboten
werden als in Zeiten, in denen der Markt für Börsengänge heiß gelaufen sein und
weniger reife Unternehmen auf den Markt drängten.
Fazit
„Wir konzentrieren uns im Small-Cap-Bereich auf Unternehmen mit einzigartigen
Geschäftsmodellen, die von langfristigen Wachstumstrends profitieren dürften“,
resümiert Braun. „In diesem Jahr sollten sich zahlreiche Gelegenheiten ergeben,
um vielversprechende Unternehmen zu kaufen, und dies zu Bewertungen, die im
historischen Vergleich insgesamt sehr angemessen sind.“