Capital Group: Trotz Volatilität - Märkte gesünder als angenommen

Anhaltende Inflation, Furcht vor einer strafferen Geldpolitik und geopolitische Spannungen, die von der Grenzkrise zwischen Russland und der Ukraine bis hin zu den Beziehungen zwischen den USA und China reichen. Diese Faktoren schüren die Unsicherheit an den Märkten und dürften Anleger in den kommenden Monaten weiter unter Druck setzen.

08.02.2022 | 12:10 Uhr

Christophe Braun, Investmentdirektor für Aktien bei Capital Group mahnt jedoch zur Besonnenheit: „Auch wenn die Volatilität wahrscheinlich hoch bleiben wird, stehen die Märkte besser da als viele Investoren glauben.“

Die Heftigkeit der Marktschwankungen spiegele eine zunehmend risikoscheue Anlegerstimmung wider, die teuer bewertete Wachstumstitel und spekulative Vermögenswerte wie Kryptowährungen besonders hart treffe. Wertorientiertere Aktien in den Bereichen Energie, Finanzen und Basiskonsumgüter hätten sich dagegen besser entwickelt, was darauf hindeute, dass sich eine längerfristige Marktrotation abzeichne. Der NASDAQ Composite sei zwischenzeitlich um 7,6 Prozent gefallen und habe damit den größten Rückgang seit Beginn der Pandemie verzeichnet. Am 26. Januar hätten insgesamt 44 Prozent der Aktien im NASDAQ Composite 50 Prozent oder mehr unter ihren 52-Wochen-Höchstständen gelegen.

Kurskorrekturen bei wachstumsstarken Unternehmen nicht unüblich

„Innerhalb des Technologiesektors deutet die jüngste Kursentwicklung darauf hin, dass die Anleger qualitativ hochwertige Unternehmen mit einem niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) gegenüber höher bewerteten Unternehmen bevorzugen,“ analysiert Braun. Letztere würden tendenziell empfindlicher auf steigende Zinsen reagieren. Die Volatilität der Aktienkurse von aufstrebenden Unternehmen sei jedoch zu erwarten; schließlich hätten in den letzten 15 Jahren einige wachstumsstarke Unternehmen mehrere Kurskorrekturen erlebt.

Trotzdem sollten Anleger keine Angst vor hoch bewerteten Unternehmen haben und sie vollständig meiden, denn die Geschichte habe gezeigt, dass viele Unternehmen mit hohen Multiples weiter an Wert gewinnen können, solange die Fundamentaldaten im Laufe der Zeit über den Erwartungen liegen. „Anleger, die die Marktturbulenzen überstanden haben und investiert blieben, konnten weiterhin attraktive Renditen erzielen,“ resümiert Braun.

Fundamentalanalyse langfristig entscheidend

Langfristig würden Einstiegspreise weniger wichtig sein. Es komme auf die Qualität der Werte an - „Wir konzentrieren uns auf eine gründliche Fundamentalanalyse, um langfristige Gewinner mit unterschätztem Potenzial zu finden,“ erläutert Braun. Dabei kommen auch Titel in Frage, die bereits aktuell als teuer gelten. „Die Bewertung muss auf lange Sicht hinweg beurteilt werden.“ Dies würde insbesondere für Wachstumsunternehmen gelten, die über große Märkte und niedrige Marktdurchdringungsraten verfügen. Das führe zu einem potenziell sehr langem Umsatz- und Gewinnwachstum. „Es geht darum, langfristige Gewinner zu identifizieren,“ sagt Braun. Kurzfristige Preis- und Volatilitätsbetrachtungen seien da nur begrenzt wichtig.

Auch wenn die erwartete geldpolitischen Straffung zu einer höheren Marktvolatilität führen könne, würden die US-Aktien durch das Gewinnwachstum gestützt bleiben. Und auch wenn die Bewertungen im historischen Vergleich hoch ausfielen, seien sie in Anbetracht des aktuellen und prognostizierten Zinsniveaus nicht exorbitant. Braun glaubt, „daß die Gewinne der Unternehmen des S&P 500 im Jahr 2022 um 8 bis 10 Prozent im Durchschnitt wachsen können, was angesichts der starken Erholung der Unternehmensgewinne im vergangenen Jahr immer noch eine respektable Rate ist.“

Die Inflation sei zwar ein Grund zur Sorge mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage, könne sich aber auch positiv auf das Gewinnwachstum auswirken. Entgegen der landläufigen Meinung tendiere der Markt nämlich dazu, in den Phasen nach der ersten Anhebung des Leitzinses zu steigen. „Unser Basisszenario geht davon aus, daß das US-BIP im Jahr 2022 um zwei bis drei Prozent wachsen wird, da die fiskalischen Anreize nachlassen und die Geldpolitik gestrafft wird, meint Braun. „Dieses langsamere - aber immer noch positive - Wirtschaftswachstum dürfte einen Anstieg der Unternehmensgewinne begünstigen.“ Auch wenn eine Korrektur in jedem Jahr und in jedem wirtschaftlichen Umfeld nie ausgeschlossen sei, erwartet der Experte angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen, der Ertragsstärke und des Zinsniveaus keinen systemischen Marktrückgang.

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