Carmignac: Bedauernswertes Europa

„Nach fünf Jahren der Krise vermittelt die Realwirtschaft insgesamt einen katastrophalen Eindruck“, sagt Didier Saint-Georges, Mitglied des Investmentkomittees bei Carmignac Gestion.

17.06.2014 | 11:30 Uhr

Ohne den Anspruch zu haben, eine politische Analyse durchzuführen, sollte sich jeder europäische Anleger, der den Anstieg der Aktienmärkte um über 50% in den vergangenen zwei Jahren betrachtet, Gedanken über die Bedeutung der Wahlen vom 25. Mai machen. Indem die europäische Bevölkerung rund 140 europafeindliche Abgeordnete ins Europäische Parlament geschickt hat, was 25% der Sitze entspricht, hat sie ein Maß an Protest zum Ausdruck gebracht, das es seit der Gründung der Union vor zweiundzwanzig Jahren nicht gegeben hat. Denn nach fünf Jahren der Krise vermittelt die Realwirtschaft insgesamt einen katastrophalen Eindruck: ein durchschnittliches Wachstum von unter 1%, eine Arbeitslosenquote von fast 12%, was 26 Millionen betroffenen Bürgern entspricht. Diese Situation trägt logischerweise zum Erfolg der populistischen Rhetorik mit ihrer Flut von Pauschalkritik am Markt, an Brüssel, an Frankfurt, an den Banken, den Reichen, den Immigranten usw. bei. Die Regierungen dürfen diese Warnschüsse nicht einfach überhören. Und dem Anleger bleibt das Nachdenken über mangelnde Wachstumsdynamik in Europa nicht erspart.

Es ist offensichtlich, dass die Bekämpfung der Krise in den USA viel schneller einsetzte als in Europa. Dennoch waren die Lehren aus den Beispielen Schweden und Japan aus den 1990er Jahren allen zugänglich. Doch wurden sie in den USA offensichtlich deutlich besser berücksichtigt (insbesondere die Notwendigkeit, die Banken schnell wieder auf die Beine zu bringen, damit eine extrem akkommodierende Geldpolitik auch durchschlagen kann). Dieser Rückstand dürfte in Europa jedoch demnächst endlich aufgeholt werden. Zum einen durch den Abschluss der Anpassung der Eigenkapitalquoten der Banken nach der laufenden „Asset Quality Review“ und zum anderen durch die Umsetzung einer radikal unkonventionellen Geldpolitik durch die EZB. Diese stärkere Rolle der Zentralbank ist von grundlegender Bedeutung und bildet eine entscheidende Voraussetzung für die Erholung. Doch um einen Aufschwung der Realwirtschaft zu gewährleisten, braucht es noch mehr.

Mit einer einfachen Feststellung lässt sich der Rückstand der europäischen Wirtschaft zusammenfassen: 2013 lagen die Ergebnisse der europäischen Unternehmen erst bei 55% ihrer Niveaus von 2007 (Ergebnisse pro Aktie der Unternehmen des Eurostoxx 600). Im selben Jahr lagen die Ergebnisse der amerikanischen Unternehmen (die 500 Unternehmen des S&PIndex) um 30% über den Niveaus von vor der Krise. Daher überrascht es nicht, dass die Investitionen, der Konsum und damit die Beschäftigung in Europa lahm liegen. Eine durch die Kürzung öffentlicher Ausgaben finanzierte Reduzierung der Abgaben, die auf den Unternehmen lasten, ist daher unerlässlich, um die Steigerung der Nettomargen zu unterstützen (die auf dem niedrigsten Niveau seit 2002 liegen, während sie in den USA heute ihren Höchststand erreicht haben). Diese Bemühungen wurden weitgehend eingeleitet (scheinbar sogar in Frankreich!), aber sie können nur allmählich voranschreiten. Was darf man im Hinblick auf die Wirtschaftsleistung der Unternehmen erwarten?

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