Carmignac: Wöchentlicher Marktausblick
Derzeit gilt es zwei unmittelbare Risiken zu bewältigen: das finanzielle Risiko eines Liquiditätsmangels an den Märkten und das wirtschaftliche Risiko, dass aus dem kurzfristigen Schock eine tiefe und lang anhaltende Rezession wird.30.03.2020 | 08:40 Uhr
Von Didier Saint-Georges, Axelle Pinon und Christophe Younes
Mittlerweile hat sich gezeigt, dass
die EZB und ganz offenkundig die Fed im Hinblick auf das
Liquiditätsrisiko in Panik verfallen sind. Dies ist natürlich eine gute
Nachricht (auch wenn sie verdeutlicht, wie ernst das Liquiditätsproblem
war).
Die EZB und die Fed verfahren nun wieder nach dem Motto „Was
auch immer notwendig ist“. Vorerst werden sich die Märkte den
Zentralbanken in ihrem Bestreben, alles zu tun, wohl kaum widersetzen.
In Bezug auf das Rezessionsrisiko hat Europa seit der vergangenen Woche keine bedeutenden Fortschritte bei der Koordinierung der Bemühungen erzielt – obwohl Brüssel die regulatorischen Beschränkungen und Vorschriften einstweilen gelockert hat.
In den USA haben sich die Demokraten und die Republikaner entgegen unseren Befürchtungen schnell auf ein Hilfspaket geeinigt. Zwar sind die Einzelheiten noch nicht bekannt, doch es steht fest, dass der Kongress ein gigantisches Konjunkturpaket schnürt. Außer Zweifel steht auch, dass die derzeitige Pandemie die Nadel darstellt, die eine sich bereits seit rund zehn Jahren aufblähende Blase zum Platzen gebracht hat. Gespeist wurde diese Blase durch die „Wohltaten“ der Zentralbanken, die für eine historisch niedrige Volatilität und subventionierte Kapitalkosten sorgten. Wir bezweifeln, dass die Märkte nach einem Monat der Korrektur, ganz gleich, wie steil diese verläuft, „über den Berg“ sein werden.
Zudem wird
der Schock für die Weltwirtschaft gerade erst greifbar, während sich das
Virus täglich auf mehr und mehr Länder ausbreitet. Da es in diesem Fall
die Regierungen selbst sind, die den wirtschaftlichen Stillstand
verordnet haben, sind die fiskalpolitischen Unterstützungsmaßnahmen –
wie hoch sie auch ausfallen mögen – in erster Linie als Entschädigung
für entgangene Umsätze von Unternehmen und Einzelpersonen zu betrachten,
damit diese Monate des wirtschaftlichen Einbruchs nicht in eine
Depression münden. Für Unternehmensanleihen ist dies von entscheidender
Bedeutung, da dadurch das Tail Risk von Emittenten mit relativ soliden
Bilanzen reduziert wird. Offen bleibt jedoch die Frage, welche
Marktordnung als nächstes an den Aktienmärkten herrschen wird.
Aktien
Da
sowohl das Liquiditäts- als auch das Wirtschaftsrisiko durch die
jüngsten Ankündigungen umfassender fiskal- und geldpolitischer
Stützungsmaßnahmen gesunken ist und die Aktien-märkte überverkauft sind,
haben wir unser Aktienengagement vergangene Woche auf selektiver Basis
erhöht, indem wir einen Teil unserer Absicherung auflösten.
Dabei
konzentrierten wir uns auf Unternehmen, die den derzeitigen Stillstand
überstehen und ihre Aktivitäten nach dem Ende der Pandemie erfolgreich
fortsetzen können. Allerdings halten wir die Aktienmärkte nach wie vor
für sehr fragil, da die Entwicklung von überzogenen Ausgangsniveaus
ausgeht, die durch Verschuldung und den Glauben an eine dauerhaft
niedrige Volatilität gestützt wurden. Daher sind wir stets darauf
vorbereitet, unsere Absicherung bei Bedarf wieder aufzustocken.
Mittelfristig
wird voraussichtlich ein Thema noch an Bedeutung gewinnen: der digitale
Wan-del, der sich auf verschiedene Teilsektoren auswirken dürfte. So
wird der Einzelhandel noch stärker auf E-Commerce umstellen, da der
Online-Einkauf von Lebensmitteln weiter zunimmt, und in der
Unterhaltungsbranche setzt sich die Verlagerung zu On-demand-Angeboten
fort. So hat der Online- und Cloud-Gaming-Sektor im Wochenvergleich um
25 Prozent zugelegt. Dieser Zuwachs ist natürlich den besonderen
Umständen geschuldet, doch sicherlich werden sich einige der aktuellen
Entwicklungen etablieren, und diese langfristigen Trends dürften sich in
den kommenden Monaten und Jahren beschleunigen.
Das Aktienengagement
in inländischen chinesischen Unternehmen bleibt interessant: Das Land
beginnt mit einer Aufhebung der Ausgangssperre, und die Zahlungsbilanz
verbessert sich der-zeit durch die niedrigeren Öl- und Rohstoffpreise
sowie den zum Erliegen gekommenen inter-nationalen Tourismus (da der
Tourismus die Zahlungsbilanz tendenziell stark belastet).
Fixed Income
Die
Fixed-Income-Märkte haben seit dem Ausbruch der Krise starke
Turbulenzen erlebt, von denen nicht nur riskante, sondern auch sicherere
Vermögenswerte betroffen sind.
Seit Anfang März haben die Anleihen von Qualitätsunternehmen 8 Prozent eingebüßt, während die Hochzinsemittenten ein durchschnittliches Minus von 16 Prozent verbucht haben. Im Segment der Staatsanleihen sind die Papiere von Ländern, die als relativ sicher gelten, sprung-haft angestiegen, wobei die Volatilität sogar die Niveaus von 2008 übertroffen hat.
Während die Maßnahmen der EZB die Anleihen der Peripherie stützen, halten wir deren Risiko-Rendite-Profil momentan noch nicht für attraktiv, da einerseits die Verschuldung zunehmen dürfte und zudem ein äußerst schwaches Wachstum erwartet wird.
Mit Blick auf Unternehmensanleihen glauben wir, dass die von den Regierungen angebotenen Entschädigungslösungen für Verdienstausfälle das Bonitätsrisiko der besten Emittenten verringern. Vor diesem Hintergrund sind liquide Mittel der einzig sichere Zufluchtsort.
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