Degroof Petercam: Ausblick 2017 - Kein Bärenmarkt bei Anleihen zu befürchten

2017 wird ein schwieriges Rentenjahr – trotzdem ist kein Bärenmarkt bei Anleihen zu befürchten. Das Globale Anleiheuniversum bietet nach wie vor ausreichende Gelegenheiten für Diversifikation und Rendite.

19.12.2016 | 10:14 Uhr

Die EZB-Sitzung am 8. Dezember bestätigte die Erwartung von Degroof Petercam AM, dass die EZB ihr Quantitative Easing-Programm vorerst fortsetzen wird. Gleichzeitig erwarten Sie ein Ansteigen der Inflation. Was kann dies für die reale Renditen am europäischen Anleihemarkt bedeuten?

Peter de Coensel: Zunächst einmal bedeutet die EZB-Entscheidung, vorerst kein echtes Tapering einzuleiten, sondern lediglich die Summe der monatlichen Anleihekäufe von 80 auf 60 Milliarden Euro zu reduzieren, ein weiteres negatives Jahr für europäische Staatsanleihen. Aber es wird auch Profiteure geben, wie zum Beispiel italienische und spanische Staatspapiere, deren Spreads gegenüber Bundesanleihen 2017 voraussichtlich zyklische Niedrigstände erreichen werden. Die Kurse französischer Staatsanleihen hingegen sollten unter der politischen Ungewissheit leiden, die von den anstehenden Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr ausgehen.

Wir glauben, dass die Realzinsen, also die um Inflationseffekte bereinigten Nominalzinsen, in Europa zukünftig maßgeblich von der Richtung der Energiemärkte geprägt werden. Endogene Faktoren sollten hingegen weniger ein Treiber für steigende Preise sein, da die konjunkturelle Dynamik dafür nach wie vor zu schwach ist. Die Fortsetzung des EZB-Kaufprogramms und ein Ölpreis von bis zu 60-Dollar könnten durchaus steigende Realzinsen in Europa zur Folge haben. Anstiege des Ölpreises, die deutlich über dieser Marke liegen, sollten die Inflation in der EU allerdings deutlich stärker ansteigen lassen in Richtung des von der EZB anvisierten Ziels von 2 Prozent. 

Durch das insgesamt sehr niedrige Niveau der Nominalzinsen dürfte es aber insgesamt schwierig bleiben, in absehbarer Zeit attraktivere Realzinsen in Europa zu sehen. Für 10-jährige Bundesanleihen erwarten wir Renditen zwischen 0,75 und 1,0 Prozent am Jahresende 2017.

Ein Ende des mehr als drei Jahrzehnte andauernden Bullenmarktes bei Anleihen ist bereits ausgemachte Sache. Wie aber geht es nun weiter an den Anleihemärkten? Startet ein langfristiger Bärenmarkt?

Peter de Coensel: Grundsätzlich sollten sich die Akteure auf ein schwieriges Jahr 2017 für die Rentenmärkte vorbereiten – ähnlich wie in den Jahren 2013 oder 2015. Druck auf die realen Anleiherenditen wird in erster Linie ausgehen von sich weiter verschlechternden globalen Demographie-Trends sowie einer rätselhaft niedrigen Produktivität sowohl in den entwickelten als auch den aufstrebenden Volkswirtschaften. Den Ausbruch eines langfristigen Bärenmarktes bei Anleihen zu befürchten, wäre jedoch übertrieben.

Wir glauben, dass in den Industrieländern sowie Überschuss-Schwellenländern wie China und ölproduzierenden Staaten die Sparraten abnehmen werden. Das heißt auch, dass die Zuflüsse in die globalen Rentenmärkte aus diesen Ländern sinken werden. Das sollte den Abwärtsdruck auf die Anleiherenditen abschwächen. Die Realrenditen in den G7-Ländern liegen heute – Sozialprodukt gewichtet – bei minus 0,05 Prozent, also minus 5 Basispunkten. Mit der fortschreitenden Erholung der globalen Konjunktur von der großen Finanzkrise sehen wir einen Anstieg der Renditen zwischen 50 und 75 Basispunkten im Laufe der nächsten Dekade. 

Mit dem Bild eines Bärenmarktes hat dies nichts zu tun. Mit Blick auf die weitere Entwicklung erkennen wir ein Fixed Income-Universum, das über Jahre zahlreiche Investmentmöglichkeiten in den vielfältigen globalen Anleihesektoren bieten wird.

Wie sollten sich Anleger im aktuellen Umfeld an den Rentenmärkten positionieren? 

Peter de Coensel: Anleger sollten im globalen Rentenmarkt auf die Bewertungen schauen und weltweit diversifizieren, indem sie auf verschiedenste Zinsen, Spread-Produkte und Währungen setzen. Investoren können robuste Fixed Income-Portfolios konstruieren, indem sie benchmarkorientierte mit unabhängigen Strategien kombinieren. 

Zu Beginn des Jahres 2017 werden wir europäische Staatsanleihen und das US-Hochzinssegment untergewichten. Neutral stehen wir zu US-Nominalzinsen und europäischen Hochzinsanleihen. Übergewichtungen streben wir bei Euro- und US-Investment Grade-Anleihen sowie globalen inflationsindexierten Anleihen an. Positiv sehen wir weiterhin auch in Lokalwährungen begebene Schwellenländer-Staatsanleihen, da die Emerging Markets in ihrem Konvergenzprozess in Richtung der entwickelten Märkte weiter voranschreiten werden.

Ein Blick auf die Aktienmärkte: Nach Trumps Sieg hat die US-Börse kräftig zulegen können. Wird sich der Bullenmarkt in den Vereinigten Staaten fortsetzen? Und was erwarten Sie für europäische Aktien?

Guy Lerminiaux: Noch immer ist schwer absehbar, welche Politik Donald Trump wirklich verfolgen wird. Schenkt man seinen Ankündigungen im Wahlkampf Glauben, wird die Steuerlast in den USA deutlich sinken, während bisherige Handelsvereinbarungen auf den Prüfstand gestellt sowie massive Investitionen in die Infrastruktur initiiert werden sollen. Insgesamt würde dies für die Vereinigten Staaten steigende Preise und damit steigende Zinsen bedeuten. 

Gegenüber Anleihen sind europäische Aktien in diesem Kontext besser positioniert, um von einer anziehenden Inflation zu profitieren. Überhaupt können Aktien als Real Assets von steigenden Preisen besser profitieren. Wir sehen als optimalen Inflationskorridor für europäische Aktien Teuerungsraten zwischen 2 und 4 Prozent an.

Unsicherheit bleibt erst einmal das beherrschende Thema an den Finanzmärkten. Warum glauben Sie, dass in diesem Umfeld Dividendenstrategien weiterhin einen Mehrwert bieten können? Worauf kommt es bei der Auswahl der geeigneten Unternehmen aus Ihrer Sicht an?

Guy Lerminiaux: Von hohem Nutzen – insbesondere in Zeiten der Unsicherheit – sind Dividendenaktien deshalb, weil es am Aktienmarkt in einem sich ständig ändernden politischen Umfeld sowie bei schwankenden wirtschaftlichen Makrodaten in erster Linie auf Qualität ankommt. Unternehmen, die es schaffen, langfristig kontinuierlich überdurchschnittliche Ausschüttungen an die Aktionäre zu zahlen, stellen damit unter Beweis, dass sie nachhaltig wirtschaften und die Substanzerhaltung ihres Unternehmens berücksichtigen. 

Gerade weil das Umfeld derzeit so herausfordernd ist, kann nur ein sorgfältiger Bottom-up-Investmentansatz die aussichtsreichsten Dividendenaktien selektieren. Da die Finanzmärkte dazu neigen, Unsicherheiten mit hohen Abschlägen zu quittieren, kann eine gründliche Fundamentalanalyse, die bei qualitativen und quantitativen Parametern ansetzt, dazu beitragen, die Spreu vom Weizen bei Dividendenaktien trennen. Außerdem kommt es darauf an, breit zu diversifizieren und auf möglichst viele Branchen zu setzen. Das verleiht einem Dividendenaktienportfolio ein Plus an Stabilität und Ertragskraft.

Interview mit Peter de Coensel, CIO Fixed Income, und Guy Lerminiaux, CIO Fundamental Equities, bei Degroof Petercam Asset Management, Brüssel

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