Degroof Petercam: „Nachhaltigkeitsansatz eignet sich gut, um Fehler bei Anlagen in Schwellenländern zu vermeiden.“

"In der Vergangenheit konnte es leicht passieren, sich schnell von den Chancen einzelner Emerging Marktes überzeugen zu lassen, ohne einen streng rationalen Realitätscheck vorzunehmen. Ein quantitativer Nachhaltigkeitsansatz, der gleichzeitig qualitative Kriterien berücksichtigt, eignet sich gut, um typischen Fehler bei Anlagen in Schwellenländern zu vermeiden", so Thierry Larose.

23.05.2016 | 12:39 Uhr

Aktien und Anleihen in den Emerging Markets haben in den vergangenen Monaten stark gelitten. Die Entwicklung der Makrodaten signalisieren jetzt teilweise Wendepunkte in einigen Schwellenländern. Welche Treiber sehen Sie, die dazu führen können, dass Emerging Markets Debt (EMD) unter den risikoreicheren Anlageklassen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte?

Thierry Larose: In erster Linie ist es der Konvergenzprozess zu den Industrieländern, in dem sich Schwellenländer befinden. Wir gehen davon aus, dass dieser Prozess noch mehrere Jahrzehnte andauern und dieser Anlageklasse zu attraktiven Erträgen verhelfen wird. Bessere wirtschaftliche Fundamentaldaten und ein höheres Pro-Kopf-Einkommen werden zwangsläufig zu einem Rückgang der Risikoprämien und der realen Zinsen führen und letztlich eine Aufwertung der Lokalwährungen der Emerging Markets bewirken.

Zudem hat die Angst vor deutlich strengeren Finanzierungsbedingungen in den USA und einem geringen Wirtschaftswachstum in China seit der zweiten Jahreshälfte 2015 umfangreiche Neubewertungen von Schwellenländer-Investments bewirkt. Dadurch befinden sich auch die Bewertungen im EMD-Segment vielfach auf attraktiven Niveaus. Die proaktive Haushaltspolitik in China scheint ferner die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass sich die Konjunktur im Reich der Mitte lediglich etwas abkühlt, aber nicht in eine Rezession rutscht. Das dürfte die Rohstoffpreise und damit die Rohstoffexporteure unter den Schwellenländern stützen.

Sie selektieren Länder innerhalb des EM-Staatsanleihensegments streng nach SRI-Kriterien. Warum glauben Sie, dass es so wichtig ist, Nachhaltigkeitsaspekte in einen EMD-Investmentprozess zu integrieren?

In der Vergangenheit konnte es leicht passieren, sich schnell von den Chancen einzelner Emerging Marktes überzeugen zu lassen, ohne einen streng rationalen Realitätscheck vorzunehmen. Ein quantitativer Nachhaltigkeitsansatz, der gleichzeitig qualitative Kriterien berücksichtigt, eignet sich gut, um diese typischen Fehler bei Anlagen in Schwellenländern zu vermeiden. 

Denn nachhaltiges Investieren bedeutet nicht nur, sich ein klares Bild von der gegenwärtigen Situation eines Landes zu verschaffen, sondern auch, die langfristigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chancen zu nutzen und von einer dauerhaft soliden Staatsführung zu profitieren. Wir sind fest davon überzeugt, dass starke staatliche Institutionen mit einer guten Wirtschaftspolitik einhergehen, was sich letztendlich in den (Anlage-)Ergebnissen widerspiegeln sollte.

In unserem Investmentprozess bedienen wir uns eines selbst erstellten Länderrankings, um das Anlageuniversum zu bestimmen. Im Rahmen dieser Nachhaltigkeitsanalyse werden anhand von über 30 objektiven Kriterien Ranglisten der Schwellenländer erstellt, nachdem zuvor jene Länder ausgeschlossen wurden, die von Freedom House und The Economist Intelligence Unit eindeutig als undemokratisch eingestuft werden. 

Die Kriterien werden aus zeitnahen und objektiven Daten abgeleitet, die von unabhängigen Institutionen, wie z.B. der Weltgesundheitsorganisation, der Weltbank oder dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen gemäß der fünf Säulen für Nachhaltigkeit erfasst werden: Hierzu zählen Transparenz und demokratische Werte, Umwelt und Bildung, Wirtschaft und Bevölkerung, Gesundheitsstandards sowie die Vermögensverteilung.

Ein Faktor dafür, dass die Schwellenländer wieder in Fahrt kommen, sind die günstiger gewordenen Bewertungen. Sind die steigenden Bewertungen auch fundamental gerechtfertigt? 

Durchaus, denn viele Länder treiben strukturelle Reformen voran, um ihre Produktivität zu steigern. Das wird sich wiederum positiv auf ihre finanzielle Stabilität auswirken. Zu diesen Ländern gehören insbesondere Indien, Indonesien, Mexiko und auch einige zentraleuropäische Staaten, wie Rumänien, Serbien und Kroatien. Wir sind optimistisch, dass unter strukturellen Gesichtspunkten auch weitere lateinamerikanische Länder, wie Argentinien, Ecuador und Venezuela, Fortschritte erzielen werden.


Besonders auf der Aktienseite zeigt sich, dass Schwellenland nicht gleich Schwellenland ist. Als Anleger muss man stark differenzieren und auf die Details achten. Wie sieht das auf der Kreditseite aus? Welche Regionen / Länder präferieren Sie zurzeit?

Wir bevorzugen derzeit ganz klar die beiden Emerging Markets-Schwergewichte Mexiko und Brasilien sowie darüber hinaus Südafrika, Indien und Rumänien. Dort sind wir umfassend engagiert und sogar stärker als manche andere Marktteilnehmer. Für uns steht im Mittelpunkt, das „Geschäftsmodell“ eines Landes zu verstehen. Ist das nicht der Fall, lassen wir die Finger von einem Land – genauso wenn die Innen- oder Außenpolitik alle anderen Faktoren überschattet. So haben wir noch nie in Venezuela oder der Ukraine angelegt.

Können auch Frontier Markets eine interessante Alternative für ein EMD-Anleihenportfolio sein? 

Unbedingt. Denn anders als viele der etablierten Schwellenländer bieten die meisten Frontier-Märkte noch echte Diversifikationseffekte. Die Frontier Markets zeichnen sich vielfach durch unentdeckte, attraktive Risiko-Ertrags-Profile aus und korrelieren kaum mit den etablieren Schwellenländern. Zum Beispiel legen wir in Ghana, Uganda, Kenia, Sambia, Serbien und Uruguay an. Mit Ausnahme Sambias haben sie alle ihr Risiko-Ertrags-Profil verbessert. Hinzu kommt, dass selbst innerhalb der Frontier-Märkte die Korrelationen gering bzw. teilweise sogar negativ sind. Dies zeigt sich insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent. Dadurch lässt sich die Diversifikation in einem EMD-Portfolio noch verstärken.

Da offizielle statistische Angaben aus Frontier-Ländern nicht immer objektiv und gleichzeitig unabhängige Analysen des IWF, der Weltbank oder anderer offizieller Einrichtungen unter Umständen nicht zeitnah erhältlich sind, ist es noch wichtiger als bei typischen Indexländern, eigene Informationen und Daten vor Ort zu sammeln, um allgemein verfügbare Analysen zu ergänzen. Regelmäßige Reisen in Frontier-Märkte sind für sichere und vernünftige Investitionen in diese Länder unerlässlich.

Über Thierry Larose
Thierry Larose verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Fixed Income-/Credit-Bereich. Bei Petercam war er seit 2010 zunächst als (Co-)Manager für verschiedene High Yield- und Emerging Markets Debt-Portfolios zuständig. Mit dem Launch des Petercam L Fund Bonds Emerging Markets Sustainable im Jahr 2013 wurde er zum Lead Portfolio Manager für den Bereich Emerging Markets Debt benannt. Vor seinem Eintritt bei Degroof Petercam war Thierry Larose über 20 Jahre in führenden Positionen bei internationalen Finanzhäusern in Belgien, England und Südamerika tätig.

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Der Fonds im Detail

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