Der lange Abschied von Chinas Börse

Chinas Wirtschaft steckt nachhaltig in der Krise. Das drückt nicht nur die Kurse der chinesischen Aktien, sondern belastet auch die China-lastigen Schwellenländerindizes. Doch einige Emerging-Markets-ETFs kommen auch ohne Titel aus dem angeschlagenen Reich der Mitte aus.

10.05.2024 | 13:28 Uhr von «Wilhelm Nordhaus»

Drache steht in China für Glück, Güte, Intelligenz und Reichtum. Doch im jetzt begonnenen Jahr des Drachen sieht es in Bezug auf den Reichtum eher mau aus. Chinas Wirtschaft begann das Drachenjahr so schlecht, wie das alte endete. An der Börse hat man sich schon lange darauf eingestellt: Seit zwei Jahren sind chinesische Aktien auf Tauchgang und ziehen damit auch den Emerging-Markets-Index nach unten. Doch mit den richtigen ETFs gelingt der Ausbruch aus der China-Falle.

„Chinas Wirtschaft ist 2023 offiziell um 5,2 Prozent gewachsen. Das entspricht zwar noch dem Ziel der Regierung, bleibt allerdings deutlich hinter den Erwartungen zurück“, sagt Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International. Ohnehin ist fraglich, ob das von Pekings Statistikern errechnete, gerade noch planmäßige Wirtschaftswachstum der Realität entspricht. Denn vor allem der für China wichtige Außenhandel verliert mächtig an Schwung. So gingen die chinesischen Exporte und Importe kräftig zurück. „Es drohen sogar längerfristige Bremsspuren, wenn Lieferketten infolge der Spannungen mit den USA neu justiert werden“, warnt Roemheld.

Die Preise fallen

Jetzt schlittert China sogar noch in die ­Deflation. Im Januar sanken die Preise um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Nachlassende Verbrauchernachfrage und Überkapazitäten sind zwei der Gründe dafür. Die Angst vor einer negativen Preisspirale bremst Konsum und Investitionen inzwischen merklich. Verbraucher und Unternehmen schieben ihre Investitionen auf – was das Wachstum weiter schwächt.

Auch die Probleme des Immobilienmarkts belasten die Konjunktur und trüben die Stimmung von Verbrauchern und Investoren. Schätzungsweise drei Viertel der Ersparnisse der chinesischen privaten Haushalte stecken in Immobilien.

„Diese Entwicklungen deuten auf eine tiefgreifende Malaise hin, die sich nicht einfach durch kurzfristige Maßnahmen beheben lässt“, warnt Jens Kummer, CIO des Frankfurter Investment-Consultant Faros. „Derzeit sehen wir in China eine Bilanzrezession, in der Haushalte und Unternehmen Schulden tilgen und weniger Geld ausgeben“, erklärt Kummer.

Die Situation stellt die chinesische Regierung vor große Herausforderungen. Sie müsste dringend das Vertrauen in die chinesische Wirtschaft und den chinesischen Aktienmarkt wiederherstellen. „Bis jetzt haben die zögerlichen Maßnahmen der chinesischen Führung allerdings das Gegenteil bewirkt und die Wirtschaft und viele Investoren mehr verunsichert als beruhigt“, urteilt jedoch Marktstratege Roemheld.

Kritisch sei unter anderem, dass die Kontrollen über Wirtschaft und Gesellschaft immer engmaschiger werden, dass die strukturellen Probleme nicht entschieden genug angegangen werden und die Maßnahmen zur Beruhigung der Börsen zu zögerlich seien.

Um die Talfahrt zu stoppen, verspricht Premierminister Li Qiang einen milliardenschweren Stabilisierungsfonds. Außerdem versucht Peking, Chinas Sparern Aktien als Alternative zur Immobilie schmackhaft zu machen. Helfen sollen auch die Beschränkung von Leerverkäufen und Börsengängen sowie gelockerte Regeln für Aktienrückkäufe und Dividenden.

Falsche Politik

Doch Investoren bezweifeln, dass dies zum Erfolg führt. „Ein Problem ist, dass die traditionelle geldpolitische Antwort auf eine schwache Wirtschaft – Zinssenkungen – in einer Bilanzrezession weitgehend wirkungslos ist“, erklärt Kummer. Effektiver wäre eine Kombination aus Strukturreformen, gezielten staatlichen Investitionen, Unterstützungsmaßnahmen für die betroffenen Sektoren sowie die Stärkung des Verbrauchervertrauens. „Dies ist aber nach aktuellem Stand nicht geplant“, ergänzt Kummer.

Seit August 2023 haben internationale Investoren und chinesische Privatanleger im großen Stil Geld aus chinesischen Aktien abgezogen. Das schlägt sich seit Jahren in den Kursen nieder. In den vergangenen drei Jahren ist der chinesische Leitindex CSI 300 um 45 Prozent gefallen und notiert nun wieder auf dem Niveau von 2018.

Monica Defend, Leiterin des Amundi Investment Institute, hat trotzdem noch Hoffnung. „Nicht alles ist schlecht“, befindet sie. Nicht zu vernachlässigen sei, dass China eine führende Rolle bei wichtigen Zukunftstechnologien spiele, etwa bei Clean Energy oder Elektromobilität.

Auch Kummer will China noch nicht ganz abschreiben. Zwar sei das schuldengetriebene Wirtschaftsmodell an seine Grenze gestoßen und schmerzliche Reformen nun unausweichlich. Allerdings gebe es in China viele global tätige, erfolgreiche Unternehmen mit überzeugenden Geschäftsmodellen – die aktuell preiswert zu haben seien. „Insofern bietet der chinesische Aktienmarkt trotz aller Herausforderungen und schlechtem Sentiment für risikobewusste Anleger auch Chancen“, befindet Kummer.

Doch was machen Investoren, die Schwellenländeraktien im Portfolio brauchen, aber nicht auf das Comeback der chinesischen Börse wetten wollen? Sie können natürlich den Schwellenländer­anteil mit ausgewählten Aktien nicht­chinesischer Länder besetzen oder verschiedene ETFs für die verschiedenen Emerging Markets ins Depot nehmen.

Der richtige Index

Keine echte Option für China-Skeptiker ist dagegen der MSCI-Emerging-Markets-­Index. Er umfasst zwar 1440 Aktien aus 24 Schwellenländern, doch chinesische Titel kommen im Schwellenländerindex noch immer auf einen Anteil von rund 25 Prozent. Ein breiten Zugang zu Schwellenländeraktien ohne Exposition zum chinesischen Markt bieten nur einige wenige ETFs auf den Index MSCI Emerging Markets ex-China ab.

Dieser enthält 675 Aktien aus denselben Ländern wie der traditionelle MSCI Emerging Markets Index, nur chinesische Titel fehlen. Anstelle Chinas hat in diesem Index Indien mit 24 Prozent Anteil das größte Gewicht, gefolgt von Taiwan (22 Prozent) und Südkorea (16 Prozent). Schon im vergangenen Jahr entwickelten sich diese ETFs deutlich besser als der MSCI Emerging Markets Index.

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