Die Extrawünsche der Superreichen

Millionäre und Milliardäre wissen, wie sehr sie als Kunden in der Finanzbranche begehrt sind. Eine aktuelle Studie zeigt: Mit dem Vermögen wachsen auch die Ansprüche.

26.06.2024 | 07:15 Uhr von «Matthias von Arnim»

Die Reichen werden immer reicher. Im vergangenen Jahr ist das Vermögen der sogenannten High Net Worth Individuals (HNWI) um 3,8 Billionen US-Dollar gestiegen. Das zeigt der aktuelle World Wealth Report 2024 des Capgemini Research Institutes. Dem Bericht zufolge stieg das weltweite HNWI-Vermögen im Jahr 2023 um 4,7 Prozent auf zuletzt 86,8 Billionen US-Dollar. Nicht nur das Vermögen, sondern auch die Zahl der Vermögenden nimmt weiter zu – nämlich weltweit um 5,1 Prozent auf nun fast 23 Millionen, Tendenz weiter steigend. Dem Bericht zufolge haben die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit, der nachlassende Inflationsdruck und eine beeindruckende Rally am US-Aktienmarkt die Dynamik befeuert.

Auch in Deutschland stieg 2023 die Anzahl der Millionäre und deren Vermögen, wenn auch mit geringerem Anstieg als im weltweiten Durchschnitt und nur halb so dynamisch wie im restlichen Europa. Deutschland wies laut Studie im vergangenen Jahr ein Vermögenswachstum von 2,2 Prozent mit einem Anstieg von 2,1 Prozent bei der Anzahl an vermögenden Personen auf. Wobei diese Zahlen recht abstrakt sind. Als reich gelten schon einfache Millionäre mit einem investierbaren Vermögen von bis zu fünf Millionen US-Dollar. Hauptwohnsitz, Sammlerstücke, Verbrauchs- und Gebrauchsgüter werden hier nicht mitgerechnet. Für Vermögensverwalter richtig interessant werden Kunden ab der Gruppe der sogenannten Mid-Tier HNWI (5-30 Millionen US-Dollar) und natürlich der Ultra-HNWI mit einem Vermögen von 30 Millionen US-Dollar aufwärts, Mehrfachmilliardäre inbegriffen.

Vermögende wollen mehr Unterstützung durch kompetente Beratung

Was dem ausführlichen Bericht über die Reichen dieser Welt ebenfalls zu entnehmen ist: In der Vergangenheit war ihnen vor allem der Vermögenserhalt wichtig. Das hat sich geändert. Immer mehr Vermögenden wird das Wachstum wichtiger. Die Daten von Anfang 2024 zeigen einen Rückgang der Bargeldbestände auf durchschnittlich 25 Prozent des Gesamtportfolios, ein starker Kontrast zum Mehrjahrzehnthoch von 34 Prozent im Januar 2023. Der Bericht zeigt zudem, dass zwei von drei HNWI planen, 2024 mehr in Private Equity zu investieren, um mögliche zukünftige Wachstumschancen zu nutzen. Die Risikobereitschaft der vermögenden Kundschaft hat also zugenommen. Gleichzeitig steigt der Beratungsbedarf: Mehr als 65 Prozent der HNWI geben an, dass sie sich bei ihren Investitionsentscheidungen, insbesondere bei wichtigen Lebensereignissen wie Heirat, Scheidung und Ruhestand, von ihren Emotionen beeinflussen lassen. Infolgedessen wünschen sich 79 Prozent der HNWI Unterstützung dabei, mit derartigen unterbewussten Handlungen umzugehen.

Das erwarten die Superreichen von ihren Vermögensverwaltern

Je höher das Vermögen, desto dringlicher ist oft auch der Wunsch nach generationenüberreifender Betreuung. Und hier spitzt sich die Zielgruppe zu: Die Gruppe der besonders vermögenden Personen (UHNWI) macht zwar nur etwas mehr als ein Prozent der gesamten HNWI-Bevölkerung aus. Sie verfügt jedoch über 34 Prozent des gesamten HNWI-Vermögens. Prognosen zufolge werden allein in dieser Gruppe in den kommenden zwei Jahrzehnten mehr als 43 Billionen US-Dollar an nachfolgende Generationen übertragen, was die Nachfrage nach finanziellen Dienstleitungen wie Anlageverwaltung und Steuerplanung sowie die nicht-finanzielle Beratung bei den Themen Philanthropie, Concierge-Dienste, Liebhaberinvestitionen und Networking-Möglichkeiten steigert. Die Studie zeigt, dass 78 Prozent der UHNWI derartige Mehrwertdienste für wichtig halten, und über 77 Prozent verlassen sich darauf, dass ihre Vermögensverwaltungsfirma sie bei ihrem generationenübergreifenden Vermögenstransfer unterstützt.

Künstliche Intelligenz kann beim Beratungsprozess helfen

Laut Studie wünschen sich rund zwei Drittel der befragten Vermögenden individualisierte Dienstleistungen, die auf ihre finanzielle Lage und persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. „Die Kunden haben höhere Ansprüche an ihre Vermögensverwalter, es stand noch nie mehr auf dem Spiel. Unternehmen müssen aktiv werden, um Kunden durch ein personalisiertes Omnichannel-Erlebnis an sich zu binden – gerade, wenn demnächst hohe Vermögenstransfers anstehen und die Zahl der HNWI wächst”, kommentiert Klaus-Georg Meyer, Leiter Business and Technology Innovation für Financial Services bei Capgemini in Deutschland, die Ergebnisse der Studie. Der Technologie-Experte rät Vermögensverwaltungen zum Einsatz von mehr Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Durch die Integration von Behavioral Finance mit künstlicher Intelligenz könnten Vermögensverwaltungsfirmen beurteilen, wie Kunden auf Marktschwankungen reagieren, und datengestützte Entscheidungen treffen, die weniger anfällig für emotionale oder kognitive Verzerrungen sind. KI-gestützte Systeme könnten Meyer zufolge Daten besser analysieren und Muster identifizieren, die für den Menschen schwer erkennbar seien, so dass Vermögensverwalter proaktive Maßnahmen bei der Kundenberatung ergreifen könnten. „Die Anwendung von KI-gestützten Behavioral-Finance-Tools, die psychografische Daten nutzen, könnte einen Wettbewerbsvorteil bieten. Indem sie den Entscheidungsfindungsprozess des Einzelnen nachvollziehen, stellen sie ein höheres Maß an Kundennähe bereit. Die Schaffung von Echtzeit-Kommunikationskanälen wird von entscheidender Bedeutung sein, um plötzlich auftretende Marktbewegungen im Schulterschluss von Berater und Kunde bewältigen zu können“, so Meyer.

Klassische Vermögensverwaltungen scheitern immer häufiger an den anspruchsvollen Kunden

Die Statistiken lassen darauf schließen, dass klassische Vermögensverwaltungen zunehmend Probleme damit haben, die immer umfangreicher werdenden Kundenwünsche vollumfänglich zu erfüllen. Dem Bericht zufolge haben sich UHNWI im Jahr 2020 im Durchschnitt noch von drei Vermögensverwaltungsfirmen betreuen lassen. Im Jahr 2023 waren es durchschnittlich sieben Mandate. Dieser Trend deutet darauf hin, dass die Branche Schwierigkeiten hat, das erwartete Spektrum und die Qualität der von diesem Segment geforderten Dienstleistungen zu erbringen. Im Gegensatz dazu sind Single-Family Offices, die ausschließlich eine Familie betreuen, in den vergangenen zehn Jahren um 200 Prozent gewachsen. Hier eröffnen sich für Vermögensverwaltungen neue Wachstums-Perspektiven: Mehr als jeder zweite Superreiche möchte ein Family Office gründen und wünscht sich dabei die Unterstützung seines zentralen Vermögenverwalters.

Fazit: Der aktuelle World Wealth Report zeigt, dass die Reichen dieser Welt in Vermögensfragen besser betreut werden möchten. Den steigenden Ansprüchen können Vermögensverwaltungen vor allem dann gerecht werden, wenn sie spezialisierte Single-Family Offices gründen und dabei auch keine Scheu haben, KI-unterstützte Tools einzusetzen. Die Balance zwischen individueller und sehr persönlicher Betreuung sowie die Verwendung von mehr Technik zur Datenanalyse und Verwaltung ist dabei eine Herausforderung, der sich die Branche früher oder später stellen muss.

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