Die Federal Reserve muss wieder ran

Titel der Publikation: Die Federal Reserve muss wieder ran
Veröffentlichung: 03/2021
Autor: Willem H. Buiter
Auftraggeber: Project Syndicate
@ Feedback an Redaktion

Die in den USA seit Beginn der COVID-19-Pandemie gesetzten, beispiellosen fiskalischen Impulse erfordern entsprechende zusätzliche geldpolitische Maßnahmen.

11.03.2021 | 07:45 Uhr

Die Beschränkungen, die verhängt wurden, um die Ausbreitung des Coronavirus unter Kontrolle zu bringen, haben die schwerste globale Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg verursacht.

Die staatlich verhängten Lockdowns waren von unterschiedlicher Dauer und Intensität, und dies dürfte sich, nun da sich die von der Pandemie ausgehenden medizinischen Bedrohungen weiterentwickeln, weiter fortsetzen. Es gab jedoch zudem große Unterschiede bei dem Maß, in dem privat verhängte und durchgesetzte Verhaltensbeschränkungen die öffentlich angeordneten ergänzt und verstärkt haben. So oder so ist die Tatsache, dass die aktuelle Rezession weitgehend selbst zugefügt ist, ein Grund für Optimismus über das zu erwartende Tempo der Erholung, wenn die Gesundheitskatastrophe erst einmal unter Kontrolle gebracht ist.

Man erinnere sich: Obwohl das Virus im Januar 2020 identifiziert wurde, wurden Ausmaß und Reichweite der kommenden wirtschaftlichen Schäden erst im März deutlich. Im ersten Quartal 2020 sank das reale (inflationsbereinigte) BIP in den USA mit einerJahresrate von 5%, im zweiten Quartal jedoch fiel es dann steil um 31,4%. Im dritten Quartals, nachdem die Lockdowns gelockert wurden und der private Sektor gelernt hatte, besser mit der neuen Realität klarzukommen, erholte sich das reale BIP in den USA mit einer respektablen Jahresrate von 33,4%, obwohl es weiterhin deutlich unter dem zu Jahresbeginn erwarteten Niveau zurückblieb. Das letzte Quartal dürfte weitere Schwächen hervorgebracht haben (offizielle Daten liegen noch nicht vor), und dasselbe wird aufgrund der jüngsten Mutationen des Virus und der damit einhergehenden Rückkehr der Beschränkungen im ersten Quartal 2021 passieren.

Dieses Bild einer unvollständigen Erholung wird durch Arbeitsmarktdaten gestützt, die auf zusätzliche künftige Schwächen hindeuten. Laut dem US Bureau of Labor Statistics lag die US-Arbeitslosenquote im Dezember 2020 bei 6,7%. Dies ist klar besser als die Quote von 14,8% vom April 2020, aber deutlich schlechter als der Wert von 3,5% vom letzten Februar. Der Verlust von 22 Millionen Arbeitsplätzen zwischen März und April 2020 unterstreicht sowohl die atemberaubenden Lockdown-bedingten Schäden als auch das potenzielle Erholungstempo; tatsächlich waren zwischen April und Dezember 2020 16 Millionen dieser Arbeitslosen bereits wieder in Lohn und Brot.

Dies liegt großteils an der wuchtigen fiskalpolitischen Reaktion in den USA auf die Pandemie. Schon vor dem Coronavirus Aid, Relief, and Economic Security (CARES) Act vom März im Volumen von 2,2 Billionen Dollar waren im März Konjunkturhilfen von 200 Milliarden Dollar bewilligt worden. Im Dezember dann wurde ein 900 Milliarden Dollar schweres Hilfspaket verabschiedet. Und jetzt drängt die Regierung von Joe Biden auf ein weiteres Paket im Umfang von 1,9 Billionen Dollar.

Der Biden-Plan würde die pandemiebedingten Konjunkturausgaben der USA auf 5,2 Billionen Dollar steigern; das ist rund ein Viertel des jährlichen BIP des Landes. Zum Vergleich: Die Kosten der hauptsächlichen fiskalpolitischen Maßnahme in Reaktion auf die globale Finanzkrise, des American Recovery and Reinvestment Act des Jahres 2009, beliefen sich auf insgesamt 800 Milliarden Dollar.

Während sich diese 5,2 Billionen Dollar vermutlich auf mindestens zwei Jahre verteilen werden, dürften Konjunkturmaßnahmen von 12% vom BIP jährlich trotzdem Sorgen über die fiskalische Nachhaltigkeit und die Verdrängung zinssensibler privater Investitionen aufwerfen. Daher sollten zusätzliche fiskalische Maßnahmen – die noch immer richtig sind – von geeigneten geldpolitischen Maßnahmen flankiert werden. Vereinfacht gesagt: Die zusätzlichen Haushaltsdefizite der US-Bundesregierung müssen monetisiert werden.

Die US Federal Reserve hat bisher eindeutig großartige Arbeit geleistet. Seit März 2020 hat sie ihre Bilanz um 70% von 4,2 Billionen auf mehr als 7,4 Billionen Dollar ausgeweitet, und der Bestand an von ihr direkt gehaltenen (öffentlichen und privaten) Wertpapieren hat sich von 3,9 Billionen auf 6,8 Billionen Dollar erhöht. Und auf der Passivseite ist die Zunahme größtenteils durch höhere Kapitalreserven (Einlagen von Geldinstituten) und einen größeren Bilanzanteil des US-Finanzministeriums bedingt.

Jetzt jedoch muss sich die Fed darauf vorbereiten, die vom US-Finanzministerium ausgegebenen Schatzanleihen aufzukaufen, um dessen jüngste fiskalpolitische Ziele zu finanzieren. Das heißt, sie muss ihre Bilanz um bis zu 2,8 Billionen Dollar ausweiten, um dem Ausgaben von 900 Milliarden Dollar umfassenden Consolidated Appropriations Act vom Dezember und dem kommenden, 1,9 Billionen Dollar schweren Biden-Paket Rechnung zu tragen.

Eine derartige Maßnahme der Fed würde Bedenken über die fiskalische Nachhaltigkeit und die Verdrängung privater Investoren abmildern. Und obwohl die Monetisierung des Defizits die Inflationssorgen verstärken könnte, bin ich der Ansicht, dass sich das Risiko lohnt. Schließlich ist die wirtschaftliche Auslastung noch immer recht niedrig, was es unwahrscheinlich macht, dass die Monetisierung der jüngsten Konjunkturpakete eine starke inflationäre Wirkung haben wird. Zudem wären die durch eine überraschende Rückkehr der Inflation verursachten Schäden fast mit Sicherheit zu bewältigen.

Höchstwahrscheinlich wird die Inflation frühestens im letzten Quartal 2021 wieder ein wichtiges Thema sein. Bis dahin werden deutliche Fortschritte bei den COVID-19-Impfungen und bei der Behandlung der Krankheit weitere extreme fiskal- und geldpolitische Maßnahmen unnötig machen. Sofern sie zeitlich korrekt abgestimmt ist und intelligent konzipiert ist, wird eine geld- und fiskalpolitische Zurückhaltung dann eventuellen inflationären Tendenzen entgegenwirken und diese neutralisieren, ohne die Wirtschaft wieder in die Rezession zu stürzen.

Copyright: Project Syndicate

Diesen Beitrag teilen: