DJE-Branchenkommentar: E-Commerce und Payment -Ein interessanter struktureller Trend für Anleger
Der Online-Handel erlebte durch die Corona-Pandemie einen enormen Schub. Mit der Rückkehr von mehr Normalität dürfte sich dieses Wachstum zwar abschwächen. Der strukturelle Trend bleibt aber intakt.16.09.2022 | 12:07 Uhr
Plattformen profitieren besonders, denn Netzwerkeffekte sind in der digitalen Welt die Skaleneffekte der analogen Massenproduktion. Bei Bezahlsystemen haben Banken das Nachsehen, und die Bedeutung von Bargeld schwindet zugunsten digitaler Geldbörsen. Mit „Buy now pay later“ verbreitet sich ein komfortables, aber zweischneidiges Bezahlangebot in Form von Konsumentenkrediten unter neuem Namen. Für Anleger sind E-Commerce- und Payment-Titel aufgrund des strukturellen Trends interessant. Eine genaue Analyse ist bei diesen konsumnahen Titeln im aktuell schwierigen Marktumfeld allerdings unerlässlich.
Lange Zeit profitierte der Onlinehandel weltweit von der
Corona-Pandemie und beschleunigte weltweit eine strukturelle Veränderung im
Einkaufsverhalten der Verbraucher: Haben sie erst einmal ein Konto bei einem
Onlinehändler eröffnet und sind mit den Abläufen vertraut, dürfte die Nutzung
tendenziell zunehmen. Durch diese neu gewonnene Vertrautheit mit dem
E-Commerce, hinweg über alle Altersklassen, konnte sich der weltweite
Online-Umsatzanteil von knapp 15 Prozent im Jahr 2019 auf 21 Prozent im Jahr
2021 steigern. In Hochzeiten der Corona-Pandemie lag das Quartalswachstum
teilweise sogar bei über 50 Prozent, da Konsumenten durch zahlreiche Lockdowns
keine andere Möglichkeit hatten, als online einzukaufen. Dies befeuerte die
Aktien aus diesem Segment, die sich teilweise vervielfachten. Zugleich erhöhte
sich der Druck auf stationäre Händler, stärker in den E-Commerce zu
investieren.
Aufgrund der hohen Wachstumsraten wurden allerdings auch die Basiseffekte
höher, was es für die Unternehmen schwierig machte, das Wachstum zu halten.
Dieser Effekt, gepaart mit einer hohen Inflation, der Wiedereröffnung des
stationären Handels und schlechten Konjunkturaussichten, sorgte für eine
Normalisierung der Online-Nachfrage und ließ das Wachstum im ersten Halbjahr
2022 auf knapp sieben Prozent absinken.
Allerdings sah man hier auch Unterschiede in den Kategorien und Produktgruppen.
So verkaufen sich beispielsweise Luxusartikel auch weiterhin gut. Im zweiten Halbjahr
2022 werden die hohen Basiseffekte zwar nachlassen, was auf ein besseres
Wachstum schließen lässt. Die anderen Risiken bleiben allerdings weiterhin
bestehen. Nichtsdestotrotz sind die genannten strukturellen Treiber dieser
Entwicklung intakt, und der E-Commerce-Anteil könnte sich laut Prognosen allein
in den USA bis 2025 auf mehr als 30 Prozent erhöhen, was einem
durchschnittlichen Wachstum von 13 Prozent pro Jahr entspräche. Langfristig
sind Penetrationsraten von über 45 Prozent denkbar, wie sie in einigen Teilen
Asiens schon erreicht wurden.
Erfolgsmodell Plattform
Plattformmodelle und Online-Marktplätze sind klare Profiteure dieses Trends, da
sie vom großen Skalierungspotenzial besonders profitieren. In diesen digitalen
Ökosystemen profitieren die Unternehmen von Netzwerkeffekten. Diese sind für
die digitale Ökonomie das, was Skaleneffekte für die industrielle
Massenproduktion sind. Die meisten dieser digitalen Ökosysteme erstrecken sich
über mehrere Branchen und beziehen verschiedene Industriezweige, Partner,
Kunden und Unternehmen ein.
Einige der großen Online-Marktplätze (Amazon, Alibaba, eBay) entdeckten die
Vorteile des Netzwerkeffektes für sich sehr früh und bauten ihre Plattformen
entsprechend aus. So öffnete zum Beispiel Amazon seine Plattform frühzeitig für
andere Unternehmen und stellte den Kunden in den Vordergrund, um ihm dieses
Ökosystem anzubieten. Dadurch konnten externe Unternehmen ihre Produkte auf
Amazon anbieten und auch die Logistik und verschiedene andere Dienstleistungen von
Amazon nutzen. Amazon selber nutzte die neu gewonnenen Informationen und
Datenpunkte, um das gesamte Ökosystem zu erweitern und eine Vielzahl von neuen
Geschäftsmodellen einzuführen (Cloud-Infrastruktur, Prime, Bezahlsysteme,
Werbung, Gesundheitsangebote). Dieses Ökosystem bietet dem Kunden ein
einheitliches und einfach zu bedienendes System, das durch eine Vielzahl von
Dienstleistungen, Produkten und Erkenntnissen einen Mehrwert bedeutet. Zudem
ermöglicht das System den Plattformen, exponentiell zu wachsen und das normale
Marktwachstum zu übertreffen.
Der stationäre Handel wird digital
Durch die Corona-Pandemie fand allerdings auch ein Umdenken bei den stationären
Händlern statt. Denn nicht nur für die genannten Großunternehmen ist die
Umstellung auf eine Plattformökonomie sinnvoll, sondern auch für kleinere
Händler. Denn schließt sich ein Händler einem Marktplatz an, muss er nicht
selbst mühsam einen Webshop aufbauen und pflegen, sondern braucht dort
lediglich relevante Produktdaten hinzuzufügen, um seine Produkte oder Services
auf einer der großen Plattformen anzubieten.
Dieses Umdenken sollte dem E-Commerce-Wachstum in Zukunft weiterhin großes
Potenzial verschaffen
Eines der großen Probleme des Online-Handels sollte man allerdings nicht
vernachlässigen: In Deutschland allein werden nach Untersuchungen pro Jahr fast
500 Millionen bestellte Artikel zurückgeschickt. Im Schnitt wird jede sechste
Bestellung retourniert, in der Mode sogar jede zweite. Dies verursacht im
Durchschnitt für den Händler 20 Euro Retourkosten und mindert die Margen der
E-Commerce-Unternehmen. Retouren bedeuten nicht nur einen entgangenen Umsatz,
sie verursachen auch Personal- und Prozesskosten. Allerdings sehen Händler in
digitalen Technologien wie zum Beispiel der Größenermittlung bei Mode ein
großes Potenzial, um die Anzahl der Retouren in Zukunft zu reduzieren.
E-Commerce-Zahlungswege: Banken gehen leer aus
Eine weitere Technologie im Zusammenhang mit E-Commerce-Plattformen ist die
Zahlungsabwicklung. An den Banken geht die neue Entwicklung der
Zahlungsdienstleistungsbranche allerdings komplett vorbei, auch wenn sie
versuchen, mit Paydirekt und Euro-Kartensystemen in den Markt zu drängen. Sie
können die innovative und hochtechnische Entwicklung nicht mehr für sich
abbilden und werden das Feld den großen Tech-Konzernen überlassen müssen. Diese
interessieren sich verstärkt für den digitalen Zahlungsverkehr und investieren
hohe Summen in Forschung und Entwicklung, um am wachsenden Markt zu
partizipieren.
Wallet statt Geldbeutel
Bargeld wird in Deutschland immer seltener genutzt. Im Jahr 2021 wurden nur
noch 55 Prozent aller täglichen Zahlungen bar getätigt. 2020 lag der Anteil der
Barzahlungen noch bei 61 Prozent; im Jahr 2017 waren es noch 74 Prozent. Die
beiden Pandemiejahre haben den Alltag von Verbrauchern verändert – auch beim
Einkaufen und Bezahlen. Online-Einkäufe sowie bargeld- oder kontaktloses
Bezahlen werden immer beliebter. Kartenzahlungen machen mittlerweile einen
Anteil von knapp 31 Prozent aus; 2017 waren es nur 23 Prozent. Es ist sehr
wahrscheinlich, dass immer mehr Deutsche künftig ihren physischen Geldbeutel
gegen eine elektronische Wallet austauschen. Im E-Commerce ist das auch schon
der Fall. Im Jahr 2021 wurden dort ein Drittel der Transaktionen über eine digitale
Wallet abgewickelt, 2019 lag dieser Wert noch bei 23 Prozent.
Heute kaufen, morgen bezahlen: Eine neue Schuldenfalle?
Ein neuer Wachstumsmarkt der digitalen Wallet-Anbieter ist der Bereich „Buy now
pay Later“ (BNPL). Laut eines Global Payments-Reports aus dem Jahr 2021 wird
die Zahlungsmetode BNPL (in Europa mit als erstes von Klarna eingeführt) bis
2025 zehn Prozent aller E-Commerce-Transaktionen ausmachen. Dies entspricht
mehr als einer Verdreifachung des aktuellen Anteils von knapp drei Prozent. Somit
könnte das Umsatzvolumen von BNPL von 159 Mrd. US-Dollar im Jahr 2021 auf knapp
420 Mrd. US-Dollar im Jahr 2025 ansteigen, was einem Wachstum von fast 30
Prozent pro Jahr entspricht.
Auch PayPal, einer der größten westlichen digitalen Wallet-Anbieter, bietet nun
seinen Kunden ein BNPL-Modell an, um die Flexibilität beim Einkauf zu erhöhen.
Entscheiden sich Kunden für diese Zahlungsmethode, so können sie ihren Einkauf
über ein, drei, sechs, zwölf oder gar 24 Monatsraten finanzieren. Somit binden
die Unternehmen die Kunden länger an die Wallet und können so weitere Daten
über das Einkaufverhalten der Kunden gewinnen und ihren durchschnittlichen
Umsatz pro Kunde mit Zusatzfunktionen erhöhen. Das schnelle Wachstum der
BNPL-Anbieter wie Klarna, PayPal, Afterpay oder Affirm birgt allerdings auch
neue Risiken, die vor allem bei jüngeren Kunden zu beobachten sind. Durch die
vermehrte Nutzung von BNPL, gepaart mit hohen Zinsen der Anbieter, können sich
Konsumenten auch schneller verschulden oder Produkte kaufen, die sie sich
eigentlich gar nicht leisten können. Somit könnte hier künftig auch
regulatorischer Druck auf die Unternehmen zukommen, um diese Kreditvergabe
stärker zu kontrollieren.
Wachstumstrends mit Schatten
E-Commerce und Payment sind strukturelle Wachstumstrends. Durch den kürzlichen Abverkauf der Technologiewerte an den Weltbörsen sind diese allerdings verstärkt unter Druck geraten. Zudem muss im aktuellen Marktumfeld auch genau differenziert werden, da eine Rezession natürlich konsumnahe Sektoren stärker treffen würde. Bei allen Wachstumsaussichten sollten Anleger also hier besonders im Auge behalten, wie sich Marktumfeld, Verbraucherpreise und Konsumverhalten entwickeln.
Rechtliche Hinweise:
Marketing-Anzeige – Alle hier veröffentlichten Angaben dienen
ausschließlich Ihrer Information und stellen keine Anlageberatung oder
sonstige Empfehlung dar. Die in diesem Dokument enthaltenen Aussagen
geben die aktuelle Einschätzung der DJE Kapital AG wieder. Diese können
sich jederzeit, ohne vorherige Ankündigung, ändern. Alle getroffenen
Angaben sind mit Sorgfalt entsprechend dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt
der Erstellung gemacht worden. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit
kann jedoch keine Gewähr und keine Haftung übernommen werden.