DJE: Rohstofffe – Strohfeuer oder langfristiger Trend?

Von Stefan Breintner, Head of Research & Portfoliomanagement, und Manuel Zeuch, Research & Portfoliomanagement, beide DJE Kapital AG.

20.06.2024 | 10:25 Uhr

Der weltweite Bergbausektor stand zuletzt wieder stärker im Fokus vieler Investoren, bedingt durch die versuchte Übernahme von Anglo American, die allerdings (vorerst) nicht zustande kam.

Das letzte Gebot bewertete Anglo American mit einem Kurs von 31,11 GBP (23,68 GBP zum Schlusskurs 07.06.2024; Aufschlag ~31%) bzw. 38,6 Mrd. GBP. Das Anglo-Management sah diese Bewertung als deutlich zu niedrig an. Anglo American muss nun seine neue Strategie, die vor allem auf die Fokussierung auf weniger Geschäftssegmente bzw. Assets abzielt, möglichst schnell umsetzen und zeigen, dass man aus eigener Kraft den Firmenwert steigern kann. Sofern Anglo keinen Erfolg mit der Umsetzung seiner Strategie hat, dürfte das Unternehmen schnell wieder in den Fokus als Übernahmeziel geraten. „Objekt der Begierde“ sind dabei vor allem die Kupferaktivitäten.

Kupfer: Angebotsaussichten für nächstes Jahrzehnt so gut wie festgeschrieben

Kupfer ist ein Schlüsselrohstoff für die Herstellung von Elektrofahrzeugen, Batterien und weiteren Erneuerbare-Energien-Technologien sowie vor allem für den damit verbundenen Netzausbau. Die Nachfrage nach Kupfer sollte in den nächsten Jahren weiter steigen, vor allem bedingt durch globale Dekarbonisierungsmaßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen. Das Minenangebot an Kupfererz wird aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit der Nachfrage Schritt halten können. Ein temporäres Angebotshoch an Kupfererz durch zuletzt neu in Produktion gegangene Minen wird in den kommenden 24 Monaten erwartet. Generell herrscht jedoch im Prinzip seit 2013 ein Mangel an Investitionen in neue Minenkapazitäten, da in den zurückliegenden zehn Jahren deutlich zu wenig investiert wurde. Hinzu kommen strukturelle betriebliche Herausforderungen (u. a. höhere Kapitalintensität bei neuen Projekten), die dazu führen, dass man auf eine Phase langsameren Angebotswachstums und damit Marktdefizite zusteuert. Im Regelfall führt dies zu strukturell höheren Preisen. Auch auf der bedeutendsten Konferenz des Bergbausektors – der „Global Metals, Mining & Steel Conference“ der Bank of America in Miami – waren jüngst die strukturellen Probleme auf der Angebotsseite bei Kupfer das Kernthema. Eine ganze Reihe von Vorstandsvorsitzenden der weltweit führenden Bergbauunternehmen hält dabei Kupferpreise jenseits von 12.000 USD pro Tonne Kursziel von Goldman & Sachs (9.840 USD/t zum Schlusskurs 07.06.2024) für erforderlich, um neue Projekte in signifikanterem Umfang zu starten. Mit Blick auf neue Kapazitäten bzw. neue Projekte ist das Erhalten von ökonomisch sinnvollen Abbaugenehmigungen das Kernthema.

Störfaktoren belasten globales Minenangebot

In letzter Zeit wurde das globale Minenangebot zudem von einer Reihe anderer Störfaktoren negativ beeinträchtigt. So kam es beispielsweise Ende 2023 zu einer Reihe von Produktionsunterbrechungen, welche zu einer Reduzierung des Kupferangebots geführt haben. Allein die anhaltende Aussetzung der Produktion an der „Cobre Panama Mine“ (10 Mrd. USD Kupferprojekt in Panama) aufgrund politischen Gegenwinds und die reduzierten Produktionsprognosen durch große Produzenten haben das weltweite Kupferangebot um fast drei Prozent negativ beeinträchtigt. Der Einbruch der Schmelz- und Raffinierlöhne – die Gebühr, die Kupferhütten für die Verarbeitung von Konzentrat zu Kathoden erhalten – bestätigte die angespannte Versorgungslage. Dieser Engpass beim Angebot trifft auf hohe strukturelle Nachfrage, vor allem aus den Bereichen Infrastruktur & Energienetze sowie Transport. Kupferhütten erfahren bei der Gewinnentwicklung derzeit Gegenwind durch die gesunkenen Schmelz- und Raffinierlöhne sowie die tieferen Schwefelsäurepreise. Langfristig strukturell interessant ist aber weiterhin vor allem das Recyclinggeschäft. Damit der weltweite Kupfermarkt in den nächsten Jahren nicht in ein zu starkes Angebotsdefizit rutscht, muss vor allem die Produktion von wieder aufbereitetem Altkupfer massiv steigen.

„Buy versus build“ – Akquisitionen im Fokus

Die versuchte Übernahme von Anglo American zeigt einen generellen wichtigen Trend im Sektor: Praktisch alle großen Bergbaukonzerne kämpfen im Kupferbereich in den kommenden Jahren mit einem fallenden Produktionsprofil. Hauptgrund hierfür sind abnehmende Erzgehalte bei den vorhandenen Reserven. Viele Unternehmen suchen verstärkt nach externen Wachstumsmöglichkeiten. Stand heute ist es für die großen Unternehmen stellenweise „günstiger“, einen (kleineren) Konkurrenten zu übernehmen, als selbst die Investitionen für ein neues Minenprojekt zu stemmen. Hierbei ist auch wichtig zu wissen, dass vom Explorationserfolg bis zum tatsächlichen Förderbeginn aktuell rund 20 Jahre eingeplant werden müssen. Mit Blick auf die erwartete Entwicklung der weltweiten Kupfernachfrage müssten theoretisch bis 2050 jedes Jahr sechs neue große Minen in Produktion gehen, um den weltweiten Bedarf zu decken. Dabei liegt das erwartete Wachstum 2024 bis 2030 bei 2,5 bis drei Prozent pro Jahr. Fusionen und Übernahmen stehen deswegen im Mittelpunkt, da die Debatte „Kaufen oder Bauen“ wie zuvor erwähnt für „Kaufen“ spricht. Die Branche verzeichnete bereits im Jahr 2023 einen deutlichen Anstieg der M&A-Aktivitäten. Nicht nur im Segment Kupfer, sondern auch bei Aluminium- und Stahlproduzenten ist aktuell ein Anstieg der Aktivitäten zu beobachten.

China und neue Nachfragequellen

In den vergangenen 20 Jahren war China größenmäßig der wichtigste Markt aufgrund des Immobilienbooms sowie der sehr hohen Investitionen in Infrastrukturprojekte. Noch immer macht China ca. 50 % der globalen Nachfrage nach den meisten Metallen aus. Das Reich der Mitte hat vermutlich den Höhepunkt seines Wirtschaftswachstums und damit seiner Rohstoffnachfrage erreicht, sodass Bedenken über eine nachlassende Dynamik bei der Rohstoffnachfrage berechtigt sind. Innerhalb Chinas hat sich allerdings auch die Nachfrage der verschiedenen Endmärkte geändert und der Immobiliensektor ist inzwischen nicht mehr so bestimmend wie noch vor ein paar Jahren. 2023 entfielen beispielsweise rund 27 % der chinesischen Stahlnachfrage auf den Immobiliensektor, 2019 waren es noch 34 %. Die Gesamtstahlproduktion ist in diesem Zeitraum gewachsen. Auch in China kommen die Hauptimpulse derzeit aus Infrastrukturmaßnahmen bzw. dem Stromnetzausbau einhergehend mit dem Ausbau erneuerbarer Energien. Es ist durchaus realistisch, dass wir aktuell in einen neuen Rohstoffzyklus eintreten, der vor allem bei ausgewählten Metallen wie Kupfer neben einer erwarteten Erholung der Weltwirtschaft durch weitere strukturelle Treiber unterstützt wird. Neben anhaltenden Urbanisierungstrends in Schwellenländern sind vor allem die weltweiten Anstrengungen zur Dekarbonisierung, also der Ausbau der rohstoffintensiven erneuerbaren Energieerzeugung und die Elektrifizierung (Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur) zu nennen. Auch neue und zuletzt stärker in den Fokus rückende Nachfragequellen wie Rechenzentren für künstliche Intelligenz, die weltweit sehr stark ausgebaut werden, dürften so schnell nicht verschwinden. Rechenzentren für KI-Anwendungen sind sehr energieintensiv und haben einen sehr hohen Strombedarf. Neue moderne KI-Rechenzentren benötigen daher auch oft eine eigene Energieerzeugungseinheit, also ein eigenes Kraftwerk. Bis 2030 könnte die Nachfrage nach Kupfer aus dem Bereich Datencenter um mehr als 60 % steigen, eine Entwicklung, welche die These eines nachhaltigen strukturellen Angebotsdefizits im Kupferbereich unterstützt.

Fazit

Nach einem Anstieg um fast 30 % auf rund 11.000 USD je Tonne fiel der Kupferpreis zuletzt etwa um 10 %. Auslöser waren neben schwachen Wirtschaftsdaten aus China auch erhöhte Kupferbestände an der Shanghaier Börse (saisonaler Faktor). Am langfristig positiven Ausblick für Kupfer hat sich jedoch nichts geändert. Rückgänge sind Gelegenheiten für „Buy the Dip“. Trotz der teilweise erfolgten Neubewertung seit den 2024er Bewertungstiefs handelt der Sektor weiterhin mit einem Abschlag von über 20 % gegenüber dem MSCI World. Auch wenn die globalen Makro-Indikatoren von Monat zu Monat schwanken, ist der strukturelle Nachfragetrend bei vielen Rohstoffen ungebrochen. Angebotsstörungen und gleichzeitig zunehmende M&A-Aktivität tragen positiv zum Chance-/Risikoprofil bei. Die Entscheidung für M&A zeigt letztendlich, dass die Unternehmen „Buy“ gegenüber „Build“ bevorzugen, was neue Kapazitäten erst einmal begrenzen und die Preise generell unterstützen sollte. Kleinere Unternehmen haben ein interessantes Projektportfolio mit attraktiven Aussichten auf Volumenwachstum. Unter den großen diversifizierten Unternehmen hat Anglo American die strategische Neuausrichtung eingeleitet und sollte durch das Anlaufen der Quellaveco-Mine in Peru den Wert steigern können. Andere große Gesellschaften haben Wachstumsoptionen in der Pipeline, werden aber in den kommenden Jahren nur ein sehr begrenztes Volumenwachstum aufweisen können.


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