DONNER & REUSCHEL: Mumm Briefing zum Wochenausklang - 11.02.2022
Die seit Jahresanfang vermehrt beobachtbaren Anzeichen für eine beginnende Entspannung der globalen Lieferketten stehen derzeit auf der Probe. So gab der LKW-Maut-Fahrleistungsindex – ein Indikator für die Intensität des Güterverkehrs auf Bundesautobahnen – im Januar leicht nach.11.02.2022 | 11:12 Uhr
Zwar nahm gemäß Kiel Trade Indicator der Anteil der in Staus vor Containerhäfen gebundenen Waren an den gesamten verschifften Gütern sowie der Anteil der wartenden Schiffe vor einigen der größten Containerhäfen weltweit ab. Allerdings stieg dieser Anteil für den zweitgrößten chinesischen Containerhafen, Ningbo-Zhou, zuletzt wieder. Dort warten aktuell knapp 2 Prozent der weltweiten Container-Schiffskapazität auf Abfertigung. Hintergrund ist die Schließung eines Terminals nachdem einzelne Corona-Fälle aufgetreten sind.
Angesichts steigender Corona-Fallzahlen in China und resultierender rigoroser Restriktionen könnte die Erholung der globalen Lieferketten kurzfristig unterbrochen werden. Mehr denn je achtet die chinesische Regierung darauf, kleinere Infektionsherde einzudämmen, um großflächige Lockdowns oder gar eine erneute Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Einerseits sind die Impfquoten bei über 70-jährigen relativ gering und der Anteil der Booster-Impfungen liegt noch unter 25 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Zudem sind die chinesischen Impfstoffe weniger wirksam gegen die Omikron-Variante.
Die Inflationsdynamik bleibt weltweit sehr hoch. Für Deutschland wurde die Schnellschätzung für den Januar mit 4,9 Prozent Preissteigerung im Vergleich zum Vorjahr bestätigt, womit der jetzt inflationsdämpfend wirkende Mehrwertsteuereffekt teilweise kompensiert wurde. Inflationstreiber waren erneut vor allem die weiter stark steigenden Energiepreise. Bundesbankpräsident Joachim Nagel wies kürzlich darauf hin, dass angesichts robuster wirtschaftlicher Perspektiven und der sich bessernden Lage am Arbeitsmarkt demnächst eine weniger expansive Geldpolitik geboten sei. Da sich auch EZB-Präsidentin Lagarde kürzlich weniger vehement für einen anhaltend expansiven Kurs ausgesprochen hatte, ist mittlerweile eine Reduktion der Netto-Wertpapierkäufe und eine erste Leitzinserhöhung im 4. Quartal auch in der Eurozone wahrscheinlich.
In den USA steigt hingegen die Nervosität deutlich, nachdem die Inflation im Januar erneut auf 7,5 Prozent angestiegen ist. Auch die Kernrate – ohne die schwankungsreicheren Komponenten Energie und Nahrungsmittel – liegt mit 6 Prozent deutlich über dem Zielniveau der US-Notenbank Fed von 2 Prozent. An den Kapitalmärkten wird mittlerweile im März bereits eine Leitzinserhöhung um 0,5 Prozent erwartet. Im gesamten Jahr 2022 ist sogar ein Anstieg der Leitzinsen auf 1,75 – 2,00 Prozent die Erwartung, womit allerdings die Gefahr deutlich steigen würde, dass die wirtschaftliche Dynamik in den USA abgewürgt werden könnte. Die anhaltend hohe Inflation wird für die Regierung Biden im Jahr der Midterm-Elections in den USA zu einem immer größeren Problem, denn für viele Menschen verteuert sich der alltägliche Lebensunterhalt. Daraus könnten überraschende politische Kehrtwenden resultieren, möglicherweise bspw. eine schnelle Einigung mit dem Iran im laufenden Atomstreit mit der Folge einer Aufhebung bestehender Sanktionen. In diesem Fall könnte Iran im Laufe des Jahres durch steigende Rohöllieferungen der notorischen Angebotsknappheit entgegenwirken und so den inflationären Druck durch die Energiepreiskomponenten relativieren.
Bei längeren Laufzeiten sind die Renditen im Zuge der Inflationsangst und durch Leitzinsspekulationen noch einmal deutlich schneller angestiegen, bei zehnjährigen US-Staatsanleihen auf 2,00 Prozent und bei deutschen Bundesanleihen bis auf 0,30 Prozent p.a. Die Entwicklung ist ein Beleg für die außergewöhnlich hohe Nervosität an den internationalen Kapitalmärkten. Umso wichtiger ist es, dass die Notenbanken wieder die Hoheit über die Erwartungen übernehmen und möglichst konkret den weiteren geldpolitischen Kurs abstecken. Solange das nicht geschieht, dürften die stark erhöhten Schwankungen anhalten und sowohl an den Anleihe- als auch an den Aktienmärkten kurzfristig für weitere Verluste sorgen. Es ist daher davon auszugehen, dass sich Notenbank-Vertreter sowohl in den USA als auch in der Eurozone schon vor den kommenden Zinsentscheiden Mitte März zu Wort melden werden. Erst dann kann sich der Fokus der Marktteilnehmer wieder auf die noch grundsätzlich positiven konjunkturellen Erwartungen für die Weltwirtschaft ab dem 2. Quartal fokussieren, was die Voraussetzung für eine Stabilisierung der Notierungen an den Aktienbörsen wäre.
Ihr Carsten Mumm