DONNER & REUSCHEL: Mumm Briefing zum Wochenausklang
Die aktuellen Prognosen der OECD untermauern mit 2,7 Wachstum für 2023 (und 2,9 für 2024) die Aussicht auf eine vorerst schwache globale Konjunkturdynamik. Dabei trägt die Gruppe der OECD-Mitgliedsstaaten – überwiegend Industrienationen – mit jeweils 1,4 Prozent erwartetem Wachstum unterdurchschnittlich bei.16.06.2023 | 07:10 Uhr
Die Wachstumstreiber werden hingegen insbesondere China und Indien sowie weitere Schwellenländer vor allem aus der Region Südostasien sein, wobei die Dynamik in China bereits im kommenden Jahr wieder etwas nachlassen sollte.
Die Daten der OECD zeigen auch einen massiven Reallohnverlust im Laufe des Jahres 2022. Zwar sind nominale Löhne überwiegend gestiegen – in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts um 3,4 Prozent. Allerdings haben die stark erhöhten Inflationsraten für eine inflationsbereinigt negative Entwicklung gesorgt. So fielen die Reallöhne im Vergleich zum Jahr 2021 in Deutschland um voraussichtlich 4,1 Prozent. Dieser Verlust an Kaufkraft konnte bisher durch die Nachholeffekte der Coronakrise und aufgesparte Vermögen ausgeglichen werden, so dass der private Konsum zumeist noch keine größeren Einbrüche verzeichnete. Fraglich ist aber, wie lange dieser Effekt noch tragen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass die privaten Konsumausgaben sich in den kommenden Monaten abschwächen steigt – je länger die Inflationsraten auf stark erhöhten Niveaus verbleiben.
Die Bauwirtschaft befindet sich global vielfach in einer schwierigen Situation. Für die USA warnte vor kurzem sogar Elon Musk vor größeren Preiseinbrüchen, zunächst im Segment gewerblicher Immobilienkredite und darauffolgend auch im Bereich Wohnen. Die Hintergründe dieser Erwartung sind ähnlich wie in Deutschland: Nach jahrelangen Baukostensteigerungen sorgen jetzt massiv gestiegen Zinsen und eine zögerliche Kreditvergabe von Banken für eine einbrechende Nachfrage. Allerdings ist die Situation in den USA angesichts der erheblich größeren Probleme im Bankensektor nicht direkt vergleichbar. Für Deutschland deuteten leicht verbesserte Geschäftserwartungen im Baugewerbe gemäß ifo-Geschäftsklimaindex zuletzt eine Bodenbildung auf sehr niedrigen Niveaus an. Die Neubauanträge im Segment Wohnen konnten sich leicht stabilisieren, während die Anzahl der Stornierungen allerdings weiter anzog. Auch wenn bis zur Findung eines neuen Gleichgewichtspreises auf Wohnimmobilienindexebene vorerst weiter mit nachgebenden Preisen zu rechnen ist, ist das Platzen einer Preisblase unwahrscheinlich, denn das ohnehin seit langem vorhandene strukturelle Unterangebot in Deutschland wird durch die stark gedämpfte Bautätigkeit derzeit noch vergrößert. Positiv wirken im Zuge des Nachfrageeinbruchs deutlich gesunkene Materialengpässe.
Nach der Aussetzung des Leitzinserhöhungszyklus der US-Notenbank Fed im Juni, wird von Marktteilnehmern nunmehr ein weiterer Zinsschritt um 0,25 Prozentpunkte Ende Juli erwartet. Danach sollten die Leitzinsen bis zum Jahresende 2023 auf den erhöhten Niveaus verharren. Fed-Chef Jerome Powell entzog in seinem Statement zum jüngsten Zinsentscheid den Hoffnungen auf zeitigere Zinssenkungen vorerst den Boden. Weiterhin wird die Fed aufgrund des inhärenten zu hohen Preissteigerungsdrucks den kommenden geldpolitischen Kurs kurzfristig und datenabhängig festlegen.
Unter den global größten Volkswirtschaften schwenkt derzeit nur China auf einen weniger restriktiven Kurs ein. Hintergrund ist die vornehmlich auf den Dienstleistungssektor fokussierte und insgesamt enttäuschende Wachstumsdynamik im laufenden zweiten Quartal. Für Mai wurden unter den Erwartungen liegende Wachstumsraten der Industrieproduktion (3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr), der Anlageinvestitionen (4,0 Prozent) und der Einzelhandelsumsätze (12,7 Prozent) verkündet. Der jüngsten Senkung des Zinssatzes für kurzfristige Kredite an Banken durch die chinesische Notenbank dürften daher weitere – wohl auch fiskalische – Stützungsmaßnahmen folgen.
Trotz der zuletzt erreichten Allzeithöchststände beim DAX bleiben damit die fundamentalen Aussichten für die Aktienmärkte vorerst gedämpft. Zwar ist aufgrund bestehender Unterinvestitionen einiger institutioneller Anleger und daraus resultierenden Kaufdrucks nicht mit größeren Rücksetzern zu rechnen, allerdings fehlen derzeit auch potenzielle eindeutig positive Impulsgeber für die Börsen.